dieser Wiesen und Felder, dieses Hauses und Hofes, sein würde. Drüben in der Stadt, vor Gericht, unter Leuten, die seinen Acker nicht kannten, von Fremden, kalten, gleichgültigen Juristen, wurde der Würfel über sein Eigentum geworfen. Heute noch war er hier Herr, und morgen konnte einer kommen, der ihn hinaustrieb aus seinem Hofe, ihn auf die Straße setzte, mit¬ samt den Seinen, und das alles kraft eines Stückes Papier.
Das war also der Erfolg seines Lebens! Jetzt, wo er sich dem Greisenalter näherte, wo man sich nach Ausruhen auf vollendetem Lebenswerk sehnte, wo man Recht und Besitz und Gewalt gern hätte übergehen sehen in die Hände der Nach¬ kommen, wo man als Lohn und Dank für sorgliche Verwal¬ tung des Familiengutes nichts weiter verlangte, als Pflege und Achtung und ein ruhiges Eckchen im Heim, von dem aus man das Weiterblühen und Wachsen noch ein Weilchen mit ansehen konnte -- jetzt mußte der Büttnerbauer, statt dieses wohlverdiente Altenteil zu erwerben, erleben, daß alles, was er von den Vätern übernommen, was er verwaltet, woran er an seinem Teile geschaffen hatte, ihm aus den Händen gerissen, unwiederbringlich an Fremde dahingegeben wurde.
Wenn der Vater das geahnt hätte! Er, der recht eigent¬ lich den Besitz zu dem gemacht hatte, was er war, zu einem selbständigen, freien Bauerngute. Wenn Leberecht Büttner hätte ahnen können, was jetzt, dreißig Jahre nach seinem Tode, aus seinem Werke werden sollte! Dieser Mann, der den Familienbesitz in schwerer Zeit angetreten, der die Nachwehen der Kriegszeiten und der jüngst überwundenen Hörigkeit durch¬ zukosten hatte, der Zeit seines Lebens mit einem mächtigen und beutelustigen Nachbar zu ringen gehabt, und der, all diesen Gefahren und Nöten zum Trotze, sich selbst zu einem wohlhabenden, unabhängigen Wirte emporgearbeitet und sein Gut zum bestgepflegtesten der ganzen Gegend gemacht hatte; wenn der Mann hätte voraussehen können, was aus der Erb¬ schaft, die er den Seinen hinterließ, sich für Unsegen entwickeln würde! --
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 18
dieſer Wieſen und Felder, dieſes Hauſes und Hofes, ſein würde. Drüben in der Stadt, vor Gericht, unter Leuten, die ſeinen Acker nicht kannten, von Fremden, kalten, gleichgültigen Juriſten, wurde der Würfel über ſein Eigentum geworfen. Heute noch war er hier Herr, und morgen konnte einer kommen, der ihn hinaustrieb aus ſeinem Hofe, ihn auf die Straße ſetzte, mit¬ ſamt den Seinen, und das alles kraft eines Stückes Papier.
Das war alſo der Erfolg ſeines Lebens! Jetzt, wo er ſich dem Greiſenalter näherte, wo man ſich nach Ausruhen auf vollendetem Lebenswerk ſehnte, wo man Recht und Beſitz und Gewalt gern hätte übergehen ſehen in die Hände der Nach¬ kommen, wo man als Lohn und Dank für ſorgliche Verwal¬ tung des Familiengutes nichts weiter verlangte, als Pflege und Achtung und ein ruhiges Eckchen im Heim, von dem aus man das Weiterblühen und Wachſen noch ein Weilchen mit anſehen konnte — jetzt mußte der Büttnerbauer, ſtatt dieſes wohlverdiente Altenteil zu erwerben, erleben, daß alles, was er von den Vätern übernommen, was er verwaltet, woran er an ſeinem Teile geſchaffen hatte, ihm aus den Händen geriſſen, unwiederbringlich an Fremde dahingegeben wurde.
Wenn der Vater das geahnt hätte! Er, der recht eigent¬ lich den Beſitz zu dem gemacht hatte, was er war, zu einem ſelbſtändigen, freien Bauerngute. Wenn Leberecht Büttner hätte ahnen können, was jetzt, dreißig Jahre nach ſeinem Tode, aus ſeinem Werke werden ſollte! Dieſer Mann, der den Familienbeſitz in ſchwerer Zeit angetreten, der die Nachwehen der Kriegszeiten und der jüngſt überwundenen Hörigkeit durch¬ zukoſten hatte, der Zeit ſeines Lebens mit einem mächtigen und beuteluſtigen Nachbar zu ringen gehabt, und der, all dieſen Gefahren und Nöten zum Trotze, ſich ſelbſt zu einem wohlhabenden, unabhängigen Wirte emporgearbeitet und ſein Gut zum beſtgepflegteſten der ganzen Gegend gemacht hatte; wenn der Mann hätte vorausſehen können, was aus der Erb¬ ſchaft, die er den Seinen hinterließ, ſich für Unſegen entwickeln würde! —
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 18
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0287"n="273"/>
dieſer Wieſen und Felder, dieſes Hauſes und Hofes, ſein würde.<lb/>
Drüben in der Stadt, vor Gericht, unter Leuten, die ſeinen<lb/>
Acker nicht kannten, von Fremden, kalten, gleichgültigen Juriſten,<lb/>
wurde der Würfel über ſein Eigentum geworfen. Heute noch<lb/>
war er hier Herr, und morgen konnte einer kommen, der ihn<lb/>
hinaustrieb aus ſeinem Hofe, ihn auf die Straße ſetzte, mit¬<lb/>ſamt den Seinen, und das alles kraft eines Stückes Papier.</p><lb/><p>Das war alſo der Erfolg ſeines Lebens! Jetzt, wo er<lb/>ſich dem Greiſenalter näherte, wo man ſich nach Ausruhen auf<lb/>
vollendetem Lebenswerk ſehnte, wo man Recht und Beſitz und<lb/>
Gewalt gern hätte übergehen ſehen in die Hände der Nach¬<lb/>
kommen, wo man als Lohn und Dank für ſorgliche Verwal¬<lb/>
tung des Familiengutes nichts weiter verlangte, als Pflege<lb/>
und Achtung und ein ruhiges Eckchen im Heim, von dem<lb/>
aus man das Weiterblühen und Wachſen noch ein Weilchen<lb/>
mit anſehen konnte — jetzt mußte der Büttnerbauer, ſtatt<lb/>
dieſes wohlverdiente Altenteil zu erwerben, erleben, daß<lb/>
alles, was er von den Vätern übernommen, was er verwaltet,<lb/>
woran er an ſeinem Teile geſchaffen hatte, ihm aus den<lb/>
Händen geriſſen, unwiederbringlich an Fremde dahingegeben<lb/>
wurde.</p><lb/><p>Wenn der Vater das geahnt hätte! Er, der recht eigent¬<lb/>
lich den Beſitz zu dem gemacht hatte, was er war, zu einem<lb/>ſelbſtändigen, freien Bauerngute. Wenn Leberecht Büttner<lb/>
hätte ahnen können, was jetzt, dreißig Jahre nach ſeinem Tode,<lb/>
aus ſeinem Werke werden ſollte! Dieſer Mann, der den<lb/>
Familienbeſitz in ſchwerer Zeit angetreten, der die Nachwehen<lb/>
der Kriegszeiten und der jüngſt überwundenen Hörigkeit durch¬<lb/>
zukoſten hatte, der Zeit ſeines Lebens mit einem mächtigen<lb/>
und beuteluſtigen Nachbar zu ringen gehabt, und der, all<lb/>
dieſen Gefahren und Nöten zum Trotze, ſich ſelbſt zu einem<lb/>
wohlhabenden, unabhängigen Wirte emporgearbeitet und ſein<lb/>
Gut zum beſtgepflegteſten der ganzen Gegend gemacht hatte;<lb/>
wenn der Mann hätte vorausſehen können, was aus der Erb¬<lb/>ſchaft, die er den Seinen hinterließ, ſich für Unſegen entwickeln<lb/>
würde! —</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">W. v. <hirendition="#g">Polenz</hi>, Der Büttnerbauer. 18<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[273/0287]
dieſer Wieſen und Felder, dieſes Hauſes und Hofes, ſein würde.
Drüben in der Stadt, vor Gericht, unter Leuten, die ſeinen
Acker nicht kannten, von Fremden, kalten, gleichgültigen Juriſten,
wurde der Würfel über ſein Eigentum geworfen. Heute noch
war er hier Herr, und morgen konnte einer kommen, der ihn
hinaustrieb aus ſeinem Hofe, ihn auf die Straße ſetzte, mit¬
ſamt den Seinen, und das alles kraft eines Stückes Papier.
Das war alſo der Erfolg ſeines Lebens! Jetzt, wo er
ſich dem Greiſenalter näherte, wo man ſich nach Ausruhen auf
vollendetem Lebenswerk ſehnte, wo man Recht und Beſitz und
Gewalt gern hätte übergehen ſehen in die Hände der Nach¬
kommen, wo man als Lohn und Dank für ſorgliche Verwal¬
tung des Familiengutes nichts weiter verlangte, als Pflege
und Achtung und ein ruhiges Eckchen im Heim, von dem
aus man das Weiterblühen und Wachſen noch ein Weilchen
mit anſehen konnte — jetzt mußte der Büttnerbauer, ſtatt
dieſes wohlverdiente Altenteil zu erwerben, erleben, daß
alles, was er von den Vätern übernommen, was er verwaltet,
woran er an ſeinem Teile geſchaffen hatte, ihm aus den
Händen geriſſen, unwiederbringlich an Fremde dahingegeben
wurde.
Wenn der Vater das geahnt hätte! Er, der recht eigent¬
lich den Beſitz zu dem gemacht hatte, was er war, zu einem
ſelbſtändigen, freien Bauerngute. Wenn Leberecht Büttner
hätte ahnen können, was jetzt, dreißig Jahre nach ſeinem Tode,
aus ſeinem Werke werden ſollte! Dieſer Mann, der den
Familienbeſitz in ſchwerer Zeit angetreten, der die Nachwehen
der Kriegszeiten und der jüngſt überwundenen Hörigkeit durch¬
zukoſten hatte, der Zeit ſeines Lebens mit einem mächtigen
und beuteluſtigen Nachbar zu ringen gehabt, und der, all
dieſen Gefahren und Nöten zum Trotze, ſich ſelbſt zu einem
wohlhabenden, unabhängigen Wirte emporgearbeitet und ſein
Gut zum beſtgepflegteſten der ganzen Gegend gemacht hatte;
wenn der Mann hätte vorausſehen können, was aus der Erb¬
ſchaft, die er den Seinen hinterließ, ſich für Unſegen entwickeln
würde! —
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 18
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/287>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.