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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Leben? Kann man sich was Selbständigeres, Freieres denken,
für einen unternehmenden, strebsamen jungen Mann wie Sie,
-- he!"

Dabei klopfte er Gustav freundschaftlich auf die Schenkel.
Der wandte ein, daß er die Arbeiten vielleicht gar nicht ver¬
stehe, zu denen er die Leute anstellen solle.

"Verstehen Sie das Mähen?"

"Ja!"

"Verstehen Sie das Binden?"

"Ja!"

"Und das Setzen?"

Abermals "ja!"

"Nun und das bißchen Rüben verhacken, verziehen und
roden, ist ja ein Kinderspiel. Außerdem ist dort natürlich auch
ein Inspektor, der Sie in dem Notwendigsten unterweisen
wird. Ihre Pflicht ist vor allem, das Zusammenhalten und
Beaufsichtigen der Leute; verstehen Sie! Sie sind gewisser¬
maßen der Korporalschaftsführer."

Die Worte des Agenten verfehlten nicht einen gewissen
Eindruck auf Gustav hervorzubringen. Was der da sagte, be¬
rührte sich mit seinen eigenen geheimsten Wünschen. Schon
wußte er nicht mehr, was für Einwände er jenem noch entgegen¬
setzen sollte.

"Die Sache ist Ihnen noch fremd, mein Lieber!" fuhr der
Agent fort. "Ich will Ihnen mal was im Vertrauen sagen!
diese Art des Arbeitskontraktes und der Arbeiteranwerbung
überhaupt, das ist die moderne Wirtschaftsweise. So wird's
in Amerika gemacht, auf den Plantagen und Farmen. Und in
Zukunft wird's bei uns überall so werden. Das ist die moderne
rationelle Wirtschaftsweise." -- Der Mann schien besonders stolz
auf diesen Ausdruck zu sein, denn er wiederholte ihn noch einige¬
male. -- "Das ist überhaupt das einzig Rationelle so! Beide
Teile kommen dabei auf ihre Rechnung. Der Arbeitgeber
macht sich seinen Anschlag, bestellt sich dann, was er braucht
an Arbeitskräften; der Agent besorgt ihm die Leute, so viel
wie er braucht, auf den Kopf. Und der Arbeiter -- nun

Leben? Kann man ſich was Selbſtändigeres, Freieres denken,
für einen unternehmenden, ſtrebſamen jungen Mann wie Sie,
— he!“

Dabei klopfte er Guſtav freundſchaftlich auf die Schenkel.
Der wandte ein, daß er die Arbeiten vielleicht gar nicht ver¬
ſtehe, zu denen er die Leute anſtellen ſolle.

„Verſtehen Sie das Mähen?“

„Ja!“

„Verſtehen Sie das Binden?“

„Ja!“

„Und das Setzen?“

Abermals „ja!“

„Nun und das bißchen Rüben verhacken, verziehen und
roden, iſt ja ein Kinderſpiel. Außerdem iſt dort natürlich auch
ein Inſpektor, der Sie in dem Notwendigſten unterweiſen
wird. Ihre Pflicht iſt vor allem, das Zuſammenhalten und
Beaufſichtigen der Leute; verſtehen Sie! Sie ſind gewiſſer¬
maßen der Korporalſchaftsführer.“

Die Worte des Agenten verfehlten nicht einen gewiſſen
Eindruck auf Guſtav hervorzubringen. Was der da ſagte, be¬
rührte ſich mit ſeinen eigenen geheimſten Wünſchen. Schon
wußte er nicht mehr, was für Einwände er jenem noch entgegen¬
ſetzen ſollte.

„Die Sache iſt Ihnen noch fremd, mein Lieber!“ fuhr der
Agent fort. „Ich will Ihnen mal was im Vertrauen ſagen!
dieſe Art des Arbeitskontraktes und der Arbeiteranwerbung
überhaupt, das iſt die moderne Wirtſchaftsweiſe. So wird's
in Amerika gemacht, auf den Plantagen und Farmen. Und in
Zukunft wird's bei uns überall ſo werden. Das iſt die moderne
rationelle Wirtſchaftsweiſe.“ — Der Mann ſchien beſonders ſtolz
auf dieſen Ausdruck zu ſein, denn er wiederholte ihn noch einige¬
male. — „Das iſt überhaupt das einzig Rationelle ſo! Beide
Teile kommen dabei auf ihre Rechnung. Der Arbeitgeber
macht ſich ſeinen Anſchlag, beſtellt ſich dann, was er braucht
an Arbeitskräften; der Agent beſorgt ihm die Leute, ſo viel
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[242/0256] Leben? Kann man ſich was Selbſtändigeres, Freieres denken, für einen unternehmenden, ſtrebſamen jungen Mann wie Sie, — he!“ Dabei klopfte er Guſtav freundſchaftlich auf die Schenkel. Der wandte ein, daß er die Arbeiten vielleicht gar nicht ver¬ ſtehe, zu denen er die Leute anſtellen ſolle. „Verſtehen Sie das Mähen?“ „Ja!“ „Verſtehen Sie das Binden?“ „Ja!“ „Und das Setzen?“ Abermals „ja!“ „Nun und das bißchen Rüben verhacken, verziehen und roden, iſt ja ein Kinderſpiel. Außerdem iſt dort natürlich auch ein Inſpektor, der Sie in dem Notwendigſten unterweiſen wird. Ihre Pflicht iſt vor allem, das Zuſammenhalten und Beaufſichtigen der Leute; verſtehen Sie! Sie ſind gewiſſer¬ maßen der Korporalſchaftsführer.“ Die Worte des Agenten verfehlten nicht einen gewiſſen Eindruck auf Guſtav hervorzubringen. Was der da ſagte, be¬ rührte ſich mit ſeinen eigenen geheimſten Wünſchen. Schon wußte er nicht mehr, was für Einwände er jenem noch entgegen¬ ſetzen ſollte. „Die Sache iſt Ihnen noch fremd, mein Lieber!“ fuhr der Agent fort. „Ich will Ihnen mal was im Vertrauen ſagen! dieſe Art des Arbeitskontraktes und der Arbeiteranwerbung überhaupt, das iſt die moderne Wirtſchaftsweiſe. So wird's in Amerika gemacht, auf den Plantagen und Farmen. Und in Zukunft wird's bei uns überall ſo werden. Das iſt die moderne rationelle Wirtſchaftsweiſe.“ — Der Mann ſchien beſonders ſtolz auf dieſen Ausdruck zu ſein, denn er wiederholte ihn noch einige¬ male. — „Das iſt überhaupt das einzig Rationelle ſo! Beide Teile kommen dabei auf ihre Rechnung. Der Arbeitgeber macht ſich ſeinen Anſchlag, beſtellt ſich dann, was er braucht an Arbeitskräften; der Agent beſorgt ihm die Leute, ſo viel wie er braucht, auf den Kopf. Und der Arbeiter — nun

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/256>, abgerufen am 24.11.2024.