Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Lächeln drein. Dann griff er wieder ein, den Widerspruch, in
den sich der junge Mann verwickelt hatte, geschickt benutzend,
machte er ihn lächerlich, so daß er bald die Lacher auf seiner
Seite hatte.

Eine ernstere Miene aufsetzend, hielt er darauf eine kleine
Ansprache. Die Leute sollten nur Vertrauen zu ihm fassen,
sagte er. Er sei als Freund zu ihnen gekommen. Er wisse,
wie es dem kleinen Manne um's Herz sei in diesen schweren
Zeiten. Sei er doch selbst aus dem Arbeiterstande hervorge¬
gangen, habe sich durch seiner Hände Werk emporgearbeitet.
Aber, stolz sei er nicht geworden.

Der Mann besaß eine gewisse breite Gemütlichkeit, etwas
volkstümlich Biedermännisches in Worten und Gebärden, das
zum Herzen des kleinen Mannes sprach, und ihm auch hier
schnell die Gemüter eroberte.

Unter den Anwesenden waren viele Tagelöhner, Dienst¬
leute, kleine Stellenbesitzer, lauter armes Volk, das um seine
Existenz rang. Auch ein paar Armenhäusler waren zur Stelle.
Die meisten hatten sich wohl nur des Zeitvertreibs wegen
hierher begeben, um mal zu sehen, was ein ,Aufseheragent'
eigentlich für ein Ding sei, und "ob der Karle wos lus hatte."

Getrunken wurde viel. Hinter dem Schenktisch stand
Kaschelernst, der die Pfennige eben so gern von den Armen
nahm, wie von den Reichen. "Kleinvieh macht och Mist,"
pflegte er philosophisch zu sagen. Richard ging umher an den
Tischen und nahm die leeren Gläser in Empfang, setzte volle
auf und kassierte. An den erhitzten Gesichtern und den lauten
Stimmen konnte man merken, daß einzelne schon zu viel des
Guten gethan hatten.

Agent Zittwitz hatte sich inzwischen in eine abgelegenere
Ecke des Raumes begeben, wo mehrere Mädchen beisammen
saßen, ängstlich und ratlos, wie ein Völkchen junger Hühner.
Der Aufseheragent pflanzte sich vor sie hin und suchte sie
durch freundliche Blicke und Worte zu kirren. Er pries ihnen
die Vorzüge seines Kontraktes. Seine Anpreisung war geschickt
auf den weiblichen Sparsamkeits- und Ordnungssinn berechnet.

Lächeln drein. Dann griff er wieder ein, den Widerſpruch, in
den ſich der junge Mann verwickelt hatte, geſchickt benutzend,
machte er ihn lächerlich, ſo daß er bald die Lacher auf ſeiner
Seite hatte.

Eine ernſtere Miene aufſetzend, hielt er darauf eine kleine
Anſprache. Die Leute ſollten nur Vertrauen zu ihm faſſen,
ſagte er. Er ſei als Freund zu ihnen gekommen. Er wiſſe,
wie es dem kleinen Manne um's Herz ſei in dieſen ſchweren
Zeiten. Sei er doch ſelbſt aus dem Arbeiterſtande hervorge¬
gangen, habe ſich durch ſeiner Hände Werk emporgearbeitet.
Aber, ſtolz ſei er nicht geworden.

Der Mann beſaß eine gewiſſe breite Gemütlichkeit, etwas
volkstümlich Biedermänniſches in Worten und Gebärden, das
zum Herzen des kleinen Mannes ſprach, und ihm auch hier
ſchnell die Gemüter eroberte.

Unter den Anweſenden waren viele Tagelöhner, Dienſt¬
leute, kleine Stellenbeſitzer, lauter armes Volk, das um ſeine
Exiſtenz rang. Auch ein paar Armenhäusler waren zur Stelle.
Die meiſten hatten ſich wohl nur des Zeitvertreibs wegen
hierher begeben, um mal zu ſehen, was ein ‚Aufſeheragent‛
eigentlich für ein Ding ſei, und „ob der Karle wos lus hatte.“

Getrunken wurde viel. Hinter dem Schenktiſch ſtand
Kaſchelernſt, der die Pfennige eben ſo gern von den Armen
nahm, wie von den Reichen. „Kleinvieh macht och Miſt,“
pflegte er philoſophiſch zu ſagen. Richard ging umher an den
Tiſchen und nahm die leeren Gläſer in Empfang, ſetzte volle
auf und kaſſierte. An den erhitzten Geſichtern und den lauten
Stimmen konnte man merken, daß einzelne ſchon zu viel des
Guten gethan hatten.

Agent Zittwitz hatte ſich inzwiſchen in eine abgelegenere
Ecke des Raumes begeben, wo mehrere Mädchen beiſammen
ſaßen, ängſtlich und ratlos, wie ein Völkchen junger Hühner.
Der Aufſeheragent pflanzte ſich vor ſie hin und ſuchte ſie
durch freundliche Blicke und Worte zu kirren. Er pries ihnen
die Vorzüge ſeines Kontraktes. Seine Anpreiſung war geſchickt
auf den weiblichen Sparſamkeits- und Ordnungsſinn berechnet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="224"/>
Lächeln drein. Dann griff er wieder ein, den Wider&#x017F;pruch, in<lb/>
den &#x017F;ich der junge Mann verwickelt hatte, ge&#x017F;chickt benutzend,<lb/>
machte er ihn lächerlich, &#x017F;o daß er bald die Lacher auf &#x017F;einer<lb/>
Seite hatte.</p><lb/>
          <p>Eine ern&#x017F;tere Miene auf&#x017F;etzend, hielt er darauf eine kleine<lb/>
An&#x017F;prache. Die Leute &#x017F;ollten nur Vertrauen zu ihm fa&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;agte er. Er &#x017F;ei als Freund zu ihnen gekommen. Er wi&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wie es dem kleinen Manne um's Herz &#x017F;ei in die&#x017F;en &#x017F;chweren<lb/>
Zeiten. Sei er doch &#x017F;elb&#x017F;t aus dem Arbeiter&#x017F;tande hervorge¬<lb/>
gangen, habe &#x017F;ich durch &#x017F;einer Hände Werk emporgearbeitet.<lb/>
Aber, &#x017F;tolz &#x017F;ei er nicht geworden.</p><lb/>
          <p>Der Mann be&#x017F;aß eine gewi&#x017F;&#x017F;e breite Gemütlichkeit, etwas<lb/>
volkstümlich Biedermänni&#x017F;ches in Worten und Gebärden, das<lb/>
zum Herzen des kleinen Mannes &#x017F;prach, und ihm auch hier<lb/>
&#x017F;chnell die Gemüter eroberte.</p><lb/>
          <p>Unter den Anwe&#x017F;enden waren viele Tagelöhner, Dien&#x017F;<lb/>
leute, kleine Stellenbe&#x017F;itzer, lauter armes Volk, das um &#x017F;eine<lb/>
Exi&#x017F;tenz rang. Auch ein paar Armenhäusler waren zur Stelle.<lb/>
Die mei&#x017F;ten hatten &#x017F;ich wohl nur des Zeitvertreibs wegen<lb/>
hierher begeben, um mal zu &#x017F;ehen, was ein &#x201A;Auf&#x017F;eheragent&#x201B;<lb/>
eigentlich für ein Ding &#x017F;ei, und &#x201E;ob der Karle wos lus hatte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Getrunken wurde viel. Hinter dem Schenkti&#x017F;ch &#x017F;tand<lb/>
Ka&#x017F;chelern&#x017F;t, der die Pfennige eben &#x017F;o gern von den Armen<lb/>
nahm, wie von den Reichen. &#x201E;Kleinvieh macht och Mi&#x017F;t,&#x201C;<lb/>
pflegte er philo&#x017F;ophi&#x017F;ch zu &#x017F;agen. Richard ging umher an den<lb/>
Ti&#x017F;chen und nahm die leeren Glä&#x017F;er in Empfang, &#x017F;etzte volle<lb/>
auf und ka&#x017F;&#x017F;ierte. An den erhitzten Ge&#x017F;ichtern und den lauten<lb/>
Stimmen konnte man merken, daß einzelne &#x017F;chon zu viel des<lb/>
Guten gethan hatten.</p><lb/>
          <p>Agent Zittwitz hatte &#x017F;ich inzwi&#x017F;chen in eine abgelegenere<lb/>
Ecke des Raumes begeben, wo mehrere Mädchen bei&#x017F;ammen<lb/>
&#x017F;aßen, äng&#x017F;tlich und ratlos, wie ein Völkchen junger Hühner.<lb/>
Der Auf&#x017F;eheragent pflanzte &#x017F;ich vor &#x017F;ie hin und &#x017F;uchte &#x017F;ie<lb/>
durch freundliche Blicke und Worte zu kirren. Er pries ihnen<lb/>
die Vorzüge &#x017F;eines Kontraktes. Seine Anprei&#x017F;ung war ge&#x017F;chickt<lb/>
auf den weiblichen Spar&#x017F;amkeits- und Ordnungs&#x017F;inn berechnet.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0238] Lächeln drein. Dann griff er wieder ein, den Widerſpruch, in den ſich der junge Mann verwickelt hatte, geſchickt benutzend, machte er ihn lächerlich, ſo daß er bald die Lacher auf ſeiner Seite hatte. Eine ernſtere Miene aufſetzend, hielt er darauf eine kleine Anſprache. Die Leute ſollten nur Vertrauen zu ihm faſſen, ſagte er. Er ſei als Freund zu ihnen gekommen. Er wiſſe, wie es dem kleinen Manne um's Herz ſei in dieſen ſchweren Zeiten. Sei er doch ſelbſt aus dem Arbeiterſtande hervorge¬ gangen, habe ſich durch ſeiner Hände Werk emporgearbeitet. Aber, ſtolz ſei er nicht geworden. Der Mann beſaß eine gewiſſe breite Gemütlichkeit, etwas volkstümlich Biedermänniſches in Worten und Gebärden, das zum Herzen des kleinen Mannes ſprach, und ihm auch hier ſchnell die Gemüter eroberte. Unter den Anweſenden waren viele Tagelöhner, Dienſt¬ leute, kleine Stellenbeſitzer, lauter armes Volk, das um ſeine Exiſtenz rang. Auch ein paar Armenhäusler waren zur Stelle. Die meiſten hatten ſich wohl nur des Zeitvertreibs wegen hierher begeben, um mal zu ſehen, was ein ‚Aufſeheragent‛ eigentlich für ein Ding ſei, und „ob der Karle wos lus hatte.“ Getrunken wurde viel. Hinter dem Schenktiſch ſtand Kaſchelernſt, der die Pfennige eben ſo gern von den Armen nahm, wie von den Reichen. „Kleinvieh macht och Miſt,“ pflegte er philoſophiſch zu ſagen. Richard ging umher an den Tiſchen und nahm die leeren Gläſer in Empfang, ſetzte volle auf und kaſſierte. An den erhitzten Geſichtern und den lauten Stimmen konnte man merken, daß einzelne ſchon zu viel des Guten gethan hatten. Agent Zittwitz hatte ſich inzwiſchen in eine abgelegenere Ecke des Raumes begeben, wo mehrere Mädchen beiſammen ſaßen, ängſtlich und ratlos, wie ein Völkchen junger Hühner. Der Aufſeheragent pflanzte ſich vor ſie hin und ſuchte ſie durch freundliche Blicke und Worte zu kirren. Er pries ihnen die Vorzüge ſeines Kontraktes. Seine Anpreiſung war geſchickt auf den weiblichen Sparſamkeits- und Ordnungsſinn berechnet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/238
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/238>, abgerufen am 25.11.2024.