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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Edmund Schmeiß hatte die letzten Sätze mit einer gewissen
Feierlichkeit in Ton und Gebärde gesprochen, als decke er seine
innerste Gesinnung auf. Bei dem Grafen waren solche Worte
nicht verloren. Auch an ihn waren Klagen und Forderungen,
welche die Neuzeit gegen den Großgrundbesitz erhebt, heran¬
geklungen, und hatten ihn verdrossen. Diese Verteidigung der
Magnaten klang ihm angenehm in den Ohren.

"Was diese demokratischen Blätter sagen, ist alles Ge¬
wäsch!" erklärte er. "Was verstehen denn diese Leute von der
Bauernfrage! Die mögen nur erst mal auf's Land hinausgehen
und sehen, wie's dort zugeht, ehe sie ihre roten Artikel schreiben.
Ja, wirklich solche Leute, Redakteure und überhaupt Zeitungs¬
schreiber, die müßten alle mal zur Strafe ein paar Wochen
das Feld bestellen -- was? Die Art Leute hinter dem Pfluge,
oder beim Düngerladen, wie denken Sie sich das?"

Der Graf geruhte zu lachen über seine eigene heitere Be¬
merkung, und Edmund Schmeiß verfehlte nicht, mitzulachen;
auch er fand den Gedanken hochkomisch. Die Unterhaltung hatte
entschieden einen wärmeren Ton angenommen, und der Graf
war nicht mehr so unnahbar und von oben herab, wie zu
Anfang.

"Nicht wahr? Da kann einem doch niemand einen Vor¬
wurf daraus machen, wenn man solch einen Mann seinem
wohlverdienten Schicksale überläßt?" fragte der Graf schließlich.

"Im Gegenteil, Herr Graf!" rief der Kommissionär.
"Ich meine, es wäre unverantwortlich, wenn man hier einen
Finger zur Hilfe rühren wollte. Diesen Leuten ist eben nicht
zu helfen, und kein vernünftiger Mensch wird wagen, dies von
dem Herrn Grafen zu verlangen."

Schmeiß hatte nun keine große Mühe weiter, den Grafen zu
überreden. Leute von geringem Urteil, und großer Gutmütig¬
keit, wie der Graf, sind leicht zur Härte zu verführen. Der
Graf ärgerte sich bereits, daß seine Güte wieder mal hatte
mißbraucht werden sollen, und er gedachte, seinem Güterdirektor
diesen Versuch nicht zu vergessen.

Der Kommissionär ging von ihm, mit dem Bewußtsein,

Edmund Schmeiß hatte die letzten Sätze mit einer gewiſſen
Feierlichkeit in Ton und Gebärde geſprochen, als decke er ſeine
innerſte Geſinnung auf. Bei dem Grafen waren ſolche Worte
nicht verloren. Auch an ihn waren Klagen und Forderungen,
welche die Neuzeit gegen den Großgrundbeſitz erhebt, heran¬
geklungen, und hatten ihn verdroſſen. Dieſe Verteidigung der
Magnaten klang ihm angenehm in den Ohren.

„Was dieſe demokratiſchen Blätter ſagen, iſt alles Ge¬
wäſch!“ erklärte er. „Was verſtehen denn dieſe Leute von der
Bauernfrage! Die mögen nur erſt mal auf's Land hinausgehen
und ſehen, wie's dort zugeht, ehe ſie ihre roten Artikel ſchreiben.
Ja, wirklich ſolche Leute, Redakteure und überhaupt Zeitungs¬
ſchreiber, die müßten alle mal zur Strafe ein paar Wochen
das Feld beſtellen — was? Die Art Leute hinter dem Pfluge,
oder beim Düngerladen, wie denken Sie ſich das?“

Der Graf geruhte zu lachen über ſeine eigene heitere Be¬
merkung, und Edmund Schmeiß verfehlte nicht, mitzulachen;
auch er fand den Gedanken hochkomiſch. Die Unterhaltung hatte
entſchieden einen wärmeren Ton angenommen, und der Graf
war nicht mehr ſo unnahbar und von oben herab, wie zu
Anfang.

„Nicht wahr? Da kann einem doch niemand einen Vor¬
wurf daraus machen, wenn man ſolch einen Mann ſeinem
wohlverdienten Schickſale überläßt?“ fragte der Graf ſchließlich.

„Im Gegenteil, Herr Graf!“ rief der Kommiſſionär.
„Ich meine, es wäre unverantwortlich, wenn man hier einen
Finger zur Hilfe rühren wollte. Dieſen Leuten iſt eben nicht
zu helfen, und kein vernünftiger Menſch wird wagen, dies von
dem Herrn Grafen zu verlangen.“

Schmeiß hatte nun keine große Mühe weiter, den Grafen zu
überreden. Leute von geringem Urteil, und großer Gutmütig¬
keit, wie der Graf, ſind leicht zur Härte zu verführen. Der
Graf ärgerte ſich bereits, daß ſeine Güte wieder mal hatte
mißbraucht werden ſollen, und er gedachte, ſeinem Güterdirektor
dieſen Verſuch nicht zu vergeſſen.

Der Kommiſſionär ging von ihm, mit dem Bewußtſein,

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[215/0229] Edmund Schmeiß hatte die letzten Sätze mit einer gewiſſen Feierlichkeit in Ton und Gebärde geſprochen, als decke er ſeine innerſte Geſinnung auf. Bei dem Grafen waren ſolche Worte nicht verloren. Auch an ihn waren Klagen und Forderungen, welche die Neuzeit gegen den Großgrundbeſitz erhebt, heran¬ geklungen, und hatten ihn verdroſſen. Dieſe Verteidigung der Magnaten klang ihm angenehm in den Ohren. „Was dieſe demokratiſchen Blätter ſagen, iſt alles Ge¬ wäſch!“ erklärte er. „Was verſtehen denn dieſe Leute von der Bauernfrage! Die mögen nur erſt mal auf's Land hinausgehen und ſehen, wie's dort zugeht, ehe ſie ihre roten Artikel ſchreiben. Ja, wirklich ſolche Leute, Redakteure und überhaupt Zeitungs¬ ſchreiber, die müßten alle mal zur Strafe ein paar Wochen das Feld beſtellen — was? Die Art Leute hinter dem Pfluge, oder beim Düngerladen, wie denken Sie ſich das?“ Der Graf geruhte zu lachen über ſeine eigene heitere Be¬ merkung, und Edmund Schmeiß verfehlte nicht, mitzulachen; auch er fand den Gedanken hochkomiſch. Die Unterhaltung hatte entſchieden einen wärmeren Ton angenommen, und der Graf war nicht mehr ſo unnahbar und von oben herab, wie zu Anfang. „Nicht wahr? Da kann einem doch niemand einen Vor¬ wurf daraus machen, wenn man ſolch einen Mann ſeinem wohlverdienten Schickſale überläßt?“ fragte der Graf ſchließlich. „Im Gegenteil, Herr Graf!“ rief der Kommiſſionär. „Ich meine, es wäre unverantwortlich, wenn man hier einen Finger zur Hilfe rühren wollte. Dieſen Leuten iſt eben nicht zu helfen, und kein vernünftiger Menſch wird wagen, dies von dem Herrn Grafen zu verlangen.“ Schmeiß hatte nun keine große Mühe weiter, den Grafen zu überreden. Leute von geringem Urteil, und großer Gutmütig¬ keit, wie der Graf, ſind leicht zur Härte zu verführen. Der Graf ärgerte ſich bereits, daß ſeine Güte wieder mal hatte mißbraucht werden ſollen, und er gedachte, ſeinem Güterdirektor dieſen Verſuch nicht zu vergeſſen. Der Kommiſſionär ging von ihm, mit dem Bewußtſein,

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/229>, abgerufen am 23.07.2024.