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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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läge die Sache ja in der That etwas anders. Aber, warum
ist mir denn das so dargestellt worden?"

"Die bekannte Großmut des Herrn Grafen soll ausgenutzt
werden. Man denkt vielleicht: der Herr Graf ist weit weg, in Ber¬
lin, und auf ein Paar tausend Mark kommt's ihm nicht an. Man
rechnet mit der Menschenfreundlichkeit des Herrn Grafen. Aber,
hier wäre Generosität, so schön sie auch sonst ist, nicht am
Platze. Gesetzt den Fall, der Herr Graf reißen den Mann jetzt
heraus -- übrigens ist das mit ein paar tausend Mark keines¬
wegs gethan; ich weiß, daß der alte Büttner namhafte Posten
schuldet, bei Leuten, die sich noch gar nicht gemeldet haben --
also, wenn der Herr Graf jetzt auch bezahlen, werden immer noch
Forderungen nachkommen. Das ist wie ein Sieb, wo das Wasser,
das man hereingießt, durchläuft. Und wenn der Bauer jetzt auch
noch soviel verspricht, in Jahresfrist ist doch wieder alles beim
Alten. Dann ist neuer Bankerott da. Der Herr Graf werden nichts
als Ärger und Verdruß gehabt haben und Ihr Geld einbüßen."

"Das ist doch wirklich traurig!" sagte der Graf, und dem
Tone, in welchem er das sagte, war abzuhören, daß es ihm
von Herzen kam.

"Ja, es ist tieftraurig!" echote Schmeiß.

"Solchen Menschen ist dann allerdings nicht zu helfen."

"Ganz sicher ist solchen Leuten nicht zu helfen, Herr
Graf," sagte Edmund Schmeiß mit wichtiger Miene und
ernsten Blicken. "Ganz sicher nicht! Da wird soviel geschrie¬
ben in den Blättern über die traurige Lage des Bauernstandes.
Besonders die Blätter einer freieren Richtung, die demokratischen
Organe, sind da immer schnell bereit, dem Großgrundbesitz die
Schuld in die Schuhe zu schieben. Die Magnaten werden
angeklagt, den Bauern zu ruinieren, "aufsaugen," wie es da
heißt. Von "Bauernlegen" wird gesprochen. Aber, daß die
Bauern meistens selbst an ihrem Untergänge Schuld sind, das
sagt niemand. Die Leute treiben's danach! Der Bauernstand
geht an sich selbst zu Grunde, Herr Graf, nicht durch den Gro߬
grundbesitz. Hier an dem alten Büttnerbauern haben wir einen
schlagenden Beleg dafür!"

läge die Sache ja in der That etwas anders. Aber, warum
iſt mir denn das ſo dargeſtellt worden?“

„Die bekannte Großmut des Herrn Grafen ſoll ausgenutzt
werden. Man denkt vielleicht: der Herr Graf iſt weit weg, in Ber¬
lin, und auf ein Paar tauſend Mark kommt's ihm nicht an. Man
rechnet mit der Menſchenfreundlichkeit des Herrn Grafen. Aber,
hier wäre Generoſität, ſo ſchön ſie auch ſonſt iſt, nicht am
Platze. Geſetzt den Fall, der Herr Graf reißen den Mann jetzt
heraus — übrigens iſt das mit ein paar tauſend Mark keines¬
wegs gethan; ich weiß, daß der alte Büttner namhafte Poſten
ſchuldet, bei Leuten, die ſich noch gar nicht gemeldet haben —
alſo, wenn der Herr Graf jetzt auch bezahlen, werden immer noch
Forderungen nachkommen. Das iſt wie ein Sieb, wo das Waſſer,
das man hereingießt, durchläuft. Und wenn der Bauer jetzt auch
noch ſoviel verſpricht, in Jahresfriſt iſt doch wieder alles beim
Alten. Dann iſt neuer Bankerott da. Der Herr Graf werden nichts
als Ärger und Verdruß gehabt haben und Ihr Geld einbüßen.“

„Das iſt doch wirklich traurig!“ ſagte der Graf, und dem
Tone, in welchem er das ſagte, war abzuhören, daß es ihm
von Herzen kam.

„Ja, es iſt tieftraurig!“ echote Schmeiß.

„Solchen Menſchen iſt dann allerdings nicht zu helfen.“

„Ganz ſicher iſt ſolchen Leuten nicht zu helfen, Herr
Graf,“ ſagte Edmund Schmeiß mit wichtiger Miene und
ernſten Blicken. „Ganz ſicher nicht! Da wird ſoviel geſchrie¬
ben in den Blättern über die traurige Lage des Bauernſtandes.
Beſonders die Blätter einer freieren Richtung, die demokratiſchen
Organe, ſind da immer ſchnell bereit, dem Großgrundbeſitz die
Schuld in die Schuhe zu ſchieben. Die Magnaten werden
angeklagt, den Bauern zu ruinieren, „aufſaugen,“ wie es da
heißt. Von „Bauernlegen“ wird geſprochen. Aber, daß die
Bauern meiſtens ſelbſt an ihrem Untergänge Schuld ſind, das
ſagt niemand. Die Leute treiben's danach! Der Bauernſtand
geht an ſich ſelbſt zu Grunde, Herr Graf, nicht durch den Gro߬
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ſchlagenden Beleg dafür!“

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[214/0228] läge die Sache ja in der That etwas anders. Aber, warum iſt mir denn das ſo dargeſtellt worden?“ „Die bekannte Großmut des Herrn Grafen ſoll ausgenutzt werden. Man denkt vielleicht: der Herr Graf iſt weit weg, in Ber¬ lin, und auf ein Paar tauſend Mark kommt's ihm nicht an. Man rechnet mit der Menſchenfreundlichkeit des Herrn Grafen. Aber, hier wäre Generoſität, ſo ſchön ſie auch ſonſt iſt, nicht am Platze. Geſetzt den Fall, der Herr Graf reißen den Mann jetzt heraus — übrigens iſt das mit ein paar tauſend Mark keines¬ wegs gethan; ich weiß, daß der alte Büttner namhafte Poſten ſchuldet, bei Leuten, die ſich noch gar nicht gemeldet haben — alſo, wenn der Herr Graf jetzt auch bezahlen, werden immer noch Forderungen nachkommen. Das iſt wie ein Sieb, wo das Waſſer, das man hereingießt, durchläuft. Und wenn der Bauer jetzt auch noch ſoviel verſpricht, in Jahresfriſt iſt doch wieder alles beim Alten. Dann iſt neuer Bankerott da. Der Herr Graf werden nichts als Ärger und Verdruß gehabt haben und Ihr Geld einbüßen.“ „Das iſt doch wirklich traurig!“ ſagte der Graf, und dem Tone, in welchem er das ſagte, war abzuhören, daß es ihm von Herzen kam. „Ja, es iſt tieftraurig!“ echote Schmeiß. „Solchen Menſchen iſt dann allerdings nicht zu helfen.“ „Ganz ſicher iſt ſolchen Leuten nicht zu helfen, Herr Graf,“ ſagte Edmund Schmeiß mit wichtiger Miene und ernſten Blicken. „Ganz ſicher nicht! Da wird ſoviel geſchrie¬ ben in den Blättern über die traurige Lage des Bauernſtandes. Beſonders die Blätter einer freieren Richtung, die demokratiſchen Organe, ſind da immer ſchnell bereit, dem Großgrundbeſitz die Schuld in die Schuhe zu ſchieben. Die Magnaten werden angeklagt, den Bauern zu ruinieren, „aufſaugen,“ wie es da heißt. Von „Bauernlegen“ wird geſprochen. Aber, daß die Bauern meiſtens ſelbſt an ihrem Untergänge Schuld ſind, das ſagt niemand. Die Leute treiben's danach! Der Bauernſtand geht an ſich ſelbſt zu Grunde, Herr Graf, nicht durch den Gro߬ grundbeſitz. Hier an dem alten Büttnerbauern haben wir einen ſchlagenden Beleg dafür!“

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/228>, abgerufen am 17.05.2024.