Weise geführt. Er konnte jetzt einzelnes verstehen, weil er in¬ zwischen gelernt hatte, die Stimmen zu unterscheiden.
Es schienen recht gleichgiltige Dinge, von denen sie sprachen. Ein paar Namen hatte der Lauscher auch schon herausgehört. Eine "Wanda" schien da zu sein und eine "Ida"; jedenfalls also der Graf mit seinen nächsten Angehörigen.
Jetzt rückte man mit den Stühlen, man erhob sich. Es klang dem Kommissionär fast, als würde ein Tischgebet ge¬ sprochen, worüber er sich nicht wenig wunderte. Gleich darauf hörte er eine männliche Stimme sagen: "Herr Graf, der Herr ist auch noch da!" -- "Welcher Herr!" fragte jemand. Darauf hörte der Kommissionär seinen eignen Namen nennen. "Was will der Mensch nur!" hieß es. Gleichzeitig ertönte über¬ mütiges Frauenlachen. "Schmeiß"! hast Du gehört? "Schmeiß" heißt der Mensch!" Ein Kichern und dann: "Möchtest Du Frau Schmeiß heißen, Ida?" -- Das übrige verlor sich in Gelächter.
Edmund Schmeiß war errötet, was ihm selten begegnete. Die Kränkung hatte gesessen. Er knirschte mit den Zähnen. Wer ihn jetzt gesehen hätte, würde haben ahnen können, wessen dieser Mensch fähig, wenn er beleidigt war.
Die Thür vom Korridor wurde gleich darauf geöffnet, der grauköpfige Kammerdiener trat ein und teilte mit, der Herr Graf wolle Herrn Schmeiß jetzt annehmen. Der Kommissionär fuhr sich schnell noch einmal mit der Hand über den Schnurr¬ bart zog die Manschetten unter den Ärmeln vor und folgte dem Diener.
Der Graf empfing ihn in seinem Zimmer. Er war ein großer, schlanker Herr. Sein Kopf schien älter, als seine Figur. Das blonde Haar lichtete sich bereits stark. Die Nase war lang und etwas zu spitz, um schön zu sein. Die Augen leuchteten groß und freundlich; sie waren das einzig Leb¬ hafte in dem bleichen etwas verlebten Gesichte, dem auch der Schnurrbart nichts martialisches gab. Der Graf trug den Interimsrock.
Edmund Schmeiß hatte zunächst das unangenehme, ihn
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 14
Weiſe geführt. Er konnte jetzt einzelnes verſtehen, weil er in¬ zwiſchen gelernt hatte, die Stimmen zu unterſcheiden.
Es ſchienen recht gleichgiltige Dinge, von denen ſie ſprachen. Ein paar Namen hatte der Lauſcher auch ſchon herausgehört. Eine „Wanda“ ſchien da zu ſein und eine „Ida“; jedenfalls alſo der Graf mit ſeinen nächſten Angehörigen.
Jetzt rückte man mit den Stühlen, man erhob ſich. Es klang dem Kommiſſionär faſt, als würde ein Tiſchgebet ge¬ ſprochen, worüber er ſich nicht wenig wunderte. Gleich darauf hörte er eine männliche Stimme ſagen: „Herr Graf, der Herr iſt auch noch da!“ — „Welcher Herr!“ fragte jemand. Darauf hörte der Kommiſſionär ſeinen eignen Namen nennen. „Was will der Menſch nur!“ hieß es. Gleichzeitig ertönte über¬ mütiges Frauenlachen. „Schmeiß“! haſt Du gehört? „Schmeiß“ heißt der Menſch!“ Ein Kichern und dann: „Möchteſt Du Frau Schmeiß heißen, Ida?“ — Das übrige verlor ſich in Gelächter.
Edmund Schmeiß war errötet, was ihm ſelten begegnete. Die Kränkung hatte geſeſſen. Er knirſchte mit den Zähnen. Wer ihn jetzt geſehen hätte, würde haben ahnen können, weſſen dieſer Menſch fähig, wenn er beleidigt war.
Die Thür vom Korridor wurde gleich darauf geöffnet, der grauköpfige Kammerdiener trat ein und teilte mit, der Herr Graf wolle Herrn Schmeiß jetzt annehmen. Der Kommiſſionär fuhr ſich ſchnell noch einmal mit der Hand über den Schnurr¬ bart zog die Manſchetten unter den Ärmeln vor und folgte dem Diener.
Der Graf empfing ihn in ſeinem Zimmer. Er war ein großer, ſchlanker Herr. Sein Kopf ſchien älter, als ſeine Figur. Das blonde Haar lichtete ſich bereits ſtark. Die Naſe war lang und etwas zu ſpitz, um ſchön zu ſein. Die Augen leuchteten groß und freundlich; ſie waren das einzig Leb¬ hafte in dem bleichen etwas verlebten Geſichte, dem auch der Schnurrbart nichts martialiſches gab. Der Graf trug den Interimsrock.
Edmund Schmeiß hatte zunächſt das unangenehme, ihn
W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 14
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Weiſe geführt. Er konnte jetzt einzelnes verſtehen, weil er in¬
zwiſchen gelernt hatte, die Stimmen zu unterſcheiden.
Es ſchienen recht gleichgiltige Dinge, von denen ſie ſprachen.
Ein paar Namen hatte der Lauſcher auch ſchon herausgehört.
Eine „Wanda“ ſchien da zu ſein und eine „Ida“; jedenfalls
alſo der Graf mit ſeinen nächſten Angehörigen.
Jetzt rückte man mit den Stühlen, man erhob ſich. Es
klang dem Kommiſſionär faſt, als würde ein Tiſchgebet ge¬
ſprochen, worüber er ſich nicht wenig wunderte. Gleich darauf
hörte er eine männliche Stimme ſagen: „Herr Graf, der Herr
iſt auch noch da!“ — „Welcher Herr!“ fragte jemand. Darauf
hörte der Kommiſſionär ſeinen eignen Namen nennen. „Was
will der Menſch nur!“ hieß es. Gleichzeitig ertönte über¬
mütiges Frauenlachen. „Schmeiß“! haſt Du gehört? „Schmeiß“
heißt der Menſch!“ Ein Kichern und dann: „Möchteſt Du
Frau Schmeiß heißen, Ida?“ — Das übrige verlor ſich in
Gelächter.
Edmund Schmeiß war errötet, was ihm ſelten begegnete.
Die Kränkung hatte geſeſſen. Er knirſchte mit den Zähnen.
Wer ihn jetzt geſehen hätte, würde haben ahnen können,
weſſen dieſer Menſch fähig, wenn er beleidigt war.
Die Thür vom Korridor wurde gleich darauf geöffnet,
der grauköpfige Kammerdiener trat ein und teilte mit, der Herr
Graf wolle Herrn Schmeiß jetzt annehmen. Der Kommiſſionär
fuhr ſich ſchnell noch einmal mit der Hand über den Schnurr¬
bart zog die Manſchetten unter den Ärmeln vor und folgte
dem Diener.
Der Graf empfing ihn in ſeinem Zimmer. Er war ein
großer, ſchlanker Herr. Sein Kopf ſchien älter, als ſeine Figur.
Das blonde Haar lichtete ſich bereits ſtark. Die Naſe war
lang und etwas zu ſpitz, um ſchön zu ſein. Die Augen
leuchteten groß und freundlich; ſie waren das einzig Leb¬
hafte in dem bleichen etwas verlebten Geſichte, dem auch der
Schnurrbart nichts martialiſches gab. Der Graf trug den
Interimsrock.
Edmund Schmeiß hatte zunächſt das unangenehme, ihn
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/223>, abgerufen am 01.02.2025.
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