von prächtiger Farbe. Er meldete sich nicht an; denn da riskierte man eine Ablehnung. Er wollte überraschen, wenn es sein mußte, überrumpeln! Die Mittagsstunde schien ihm die beste Zeit für seinen Besuch. Er nahm eine Droschke erster Klasse, der Kutscher sollte vor der Thür auf ihn warten -- man durfte nichts versäumen, was guten Eindruck machen konnte -- und fuhr nach "den Zelten", wo, wie er durch das Adreßbuch ersehen hatte, der Graf seine Wohnung hatte.
Fast gleichzeitig mit ihm fuhr ein Coupe vor. Der Diener sprang vom Bock und öffnete den Schlag. Ein Ulanenoffizier stieg aus und eine Dame. Der Herr gab dem Kutscher noch Weisungen und schritt dann der Dame nach, in's Haus.
Edmund Schmeiß hatte die Szene mit Neugier verfolgt und sich die Physiognomien genau eingeprägt. Er trat an den Wagen heran, nahm den Hut ab und fragte den Kutscher, wer das gewesen sei. Der Kutscher nannte den Namen seiner Herrschaft.
Der Kommissionär war zufrieden, nun wußte er doch, daß der Graf zu Haus sei. Er sah sich noch einmal Wagen und Pferde an. Die Geschirre, die Livreen, bis herab auf die Bockdecke und die Handschuhe von Kutscher und Diener, alles vom Besten, geschmackvoll und gediegen.
Edmund Schmeiß ließ ein paar Minuten verstreichen, während der er auf dem Trottoir auf und ab ging, und begab sich dann in's Haus. Ein Kammerdiener öffnete auf sein Klingeln. Der Kommissionär hatte eine gleichgültig überlegene Miene vorbereitet, von der er annahm, sie müsse auf einen Bediensteten Eindruck machen. Der Diener, ein großer bart¬ loser Graukopf, mit der gemessenen Haltung eines Lords, warf einen einzigen prüfenden Blick auf den Fremden, und erklärte darauf, der Herr Graf seien nicht zu Haus. Damit wollte er die Thür schließen, aber der Kommissionär, fix im Auffassen, wie im Handeln, hatte sich zwischen Thür und Angel gestellt, so daß jener nicht zumachen konnte. "Sagen Sie dem Herrn Grafen," rief er mit einer Stimme, die berechnet war, auch
von prächtiger Farbe. Er meldete ſich nicht an; denn da riskierte man eine Ablehnung. Er wollte überraſchen, wenn es ſein mußte, überrumpeln! Die Mittagsſtunde ſchien ihm die beſte Zeit für ſeinen Beſuch. Er nahm eine Droſchke erſter Klaſſe, der Kutſcher ſollte vor der Thür auf ihn warten — man durfte nichts verſäumen, was guten Eindruck machen konnte — und fuhr nach „den Zelten“, wo, wie er durch das Adreßbuch erſehen hatte, der Graf ſeine Wohnung hatte.
Faſt gleichzeitig mit ihm fuhr ein Coupé vor. Der Diener ſprang vom Bock und öffnete den Schlag. Ein Ulanenoffizier ſtieg aus und eine Dame. Der Herr gab dem Kutſcher noch Weiſungen und ſchritt dann der Dame nach, in's Haus.
Edmund Schmeiß hatte die Szene mit Neugier verfolgt und ſich die Phyſiognomien genau eingeprägt. Er trat an den Wagen heran, nahm den Hut ab und fragte den Kutſcher, wer das geweſen ſei. Der Kutſcher nannte den Namen ſeiner Herrſchaft.
Der Kommiſſionär war zufrieden, nun wußte er doch, daß der Graf zu Haus ſei. Er ſah ſich noch einmal Wagen und Pferde an. Die Geſchirre, die Livreen, bis herab auf die Bockdecke und die Handſchuhe von Kutſcher und Diener, alles vom Beſten, geſchmackvoll und gediegen.
Edmund Schmeiß ließ ein paar Minuten verſtreichen, während der er auf dem Trottoir auf und ab ging, und begab ſich dann in's Haus. Ein Kammerdiener öffnete auf ſein Klingeln. Der Kommiſſionär hatte eine gleichgültig überlegene Miene vorbereitet, von der er annahm, ſie müſſe auf einen Bedienſteten Eindruck machen. Der Diener, ein großer bart¬ loſer Graukopf, mit der gemeſſenen Haltung eines Lords, warf einen einzigen prüfenden Blick auf den Fremden, und erklärte darauf, der Herr Graf ſeien nicht zu Haus. Damit wollte er die Thür ſchließen, aber der Kommiſſionär, fix im Auffaſſen, wie im Handeln, hatte ſich zwiſchen Thür und Angel geſtellt, ſo daß jener nicht zumachen konnte. „Sagen Sie dem Herrn Grafen,“ rief er mit einer Stimme, die berechnet war, auch
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die beſte Zeit für ſeinen Beſuch. Er nahm eine Droſchke
erſter Klaſſe, der Kutſcher ſollte vor der Thür auf ihn warten —
man durfte nichts verſäumen, was guten Eindruck machen
konnte — und fuhr nach „den Zelten“, wo, wie er durch das
Adreßbuch erſehen hatte, der Graf ſeine Wohnung hatte.
Faſt gleichzeitig mit ihm fuhr ein Coupé vor. Der
Diener ſprang vom Bock und öffnete den Schlag. Ein
Ulanenoffizier ſtieg aus und eine Dame. Der Herr gab dem
Kutſcher noch Weiſungen und ſchritt dann der Dame nach,
in's Haus.
Edmund Schmeiß hatte die Szene mit Neugier verfolgt
und ſich die Phyſiognomien genau eingeprägt. Er trat an
den Wagen heran, nahm den Hut ab und fragte den Kutſcher,
wer das geweſen ſei. Der Kutſcher nannte den Namen ſeiner
Herrſchaft.
Der Kommiſſionär war zufrieden, nun wußte er doch,
daß der Graf zu Haus ſei. Er ſah ſich noch einmal Wagen
und Pferde an. Die Geſchirre, die Livreen, bis herab auf
die Bockdecke und die Handſchuhe von Kutſcher und Diener,
alles vom Beſten, geſchmackvoll und gediegen.
Edmund Schmeiß ließ ein paar Minuten verſtreichen,
während der er auf dem Trottoir auf und ab ging, und begab
ſich dann in's Haus. Ein Kammerdiener öffnete auf ſein
Klingeln. Der Kommiſſionär hatte eine gleichgültig überlegene
Miene vorbereitet, von der er annahm, ſie müſſe auf einen
Bedienſteten Eindruck machen. Der Diener, ein großer bart¬
loſer Graukopf, mit der gemeſſenen Haltung eines Lords, warf
einen einzigen prüfenden Blick auf den Fremden, und erklärte
darauf, der Herr Graf ſeien nicht zu Haus. Damit wollte er
die Thür ſchließen, aber der Kommiſſionär, fix im Auffaſſen,
wie im Handeln, hatte ſich zwiſchen Thür und Angel geſtellt,
ſo daß jener nicht zumachen konnte. „Sagen Sie dem Herrn
Grafen,“ rief er mit einer Stimme, die berechnet war, auch
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/220>, abgerufen am 01.02.2025.
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