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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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und mit ,noblen' Manieren, überhaupt ,prima!' Sam hatte
immer seine geheime Freude gehabt an dem forschen Auftreten
seines Günstlings. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß
der Kommissionär auch das Wohlgefallen des Grafen, schon
durch seine Erscheinung, gewinnen werde.

Edmund Schmeiß wurde also ausersehen, nach Berlin zu
reisen. Zuvor natürlich einigte man sich über die Provision,
wie das unter vorsichtigen Geschäftsleuten üblich ist.

Sam vereinigte immer gern mehrere Geschäfte, wenn es
sich machen ließ. Da er sich nun einmal in die Kosten ge¬
stürzt hatte, seinen Kommissionär nach Berlin zu schicken, gab
er diesem gleich noch ein paar andere Aufträge mit. Man
hatte Geschäftsverbindungen mit Berlin. Schmeiß bekam Order,
verschiedene Freunde von der Produktenbörse aufzusuchen, und
ein wenig auszuhorchen, über dieses und jenes. Überhaupt
hätte Sam gern etwas über die Stimmung im Kreise der Ein¬
geweihten erfahren. Besonders für Weizen interessierte sich
der Händler gegenwärtig lebhaft. Die Berliner Berichte
lauteten seit etwa acht Tagen stehend: "Weizen ruhig, bei ziem¬
lich behauptetem Preise." Aber, Sam traute nicht. Das war
wohl nur die Stille vor dem Sturm. Der Markt litt nicht
unter starkem Angebot, und trotzdem kein Anziehen der Preise!
Roggen litt unter Glattstellungen, Gerste war still. Wahr¬
scheinlich dachte eine Anzahl großer Firmen, im Trüben fischen
zu können; etwa die niedrigen Notierungen zu benutzen, um im
Stillen Deckungen auszuführen, und dann mit einem Male,
wenn sie genug hatten, die Preise zu schnellen. Es wäre recht
interessant gewesen, hinter die eigentlichen Absichten der ma߬
gebenden Leute im Weizengeschäft zu kommen. Wenn man
das Ziel des Manövers rechtzeitig erfuhr, konnte man sich in
seinen Manipulationen danach richten.


Edmund Schmeiß reiste also nach Berlin ab.

Zunächst versah er sich in einem Modemagazin mit einem
neuen Cylinder, rotbraunen Handschuhen und einer Kravatte

und mit ‚noblen‘ Manieren, überhaupt ‚prima!‘ Sam hatte
immer ſeine geheime Freude gehabt an dem forſchen Auftreten
ſeines Günſtlings. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß
der Kommiſſionär auch das Wohlgefallen des Grafen, ſchon
durch ſeine Erſcheinung, gewinnen werde.

Edmund Schmeiß wurde alſo auserſehen, nach Berlin zu
reiſen. Zuvor natürlich einigte man ſich über die Proviſion,
wie das unter vorſichtigen Geſchäftsleuten üblich iſt.

Sam vereinigte immer gern mehrere Geſchäfte, wenn es
ſich machen ließ. Da er ſich nun einmal in die Koſten ge¬
ſtürzt hatte, ſeinen Kommiſſionär nach Berlin zu ſchicken, gab
er dieſem gleich noch ein paar andere Aufträge mit. Man
hatte Geſchäftsverbindungen mit Berlin. Schmeiß bekam Order,
verſchiedene Freunde von der Produktenbörſe aufzuſuchen, und
ein wenig auszuhorchen, über dieſes und jenes. Überhaupt
hätte Sam gern etwas über die Stimmung im Kreiſe der Ein¬
geweihten erfahren. Beſonders für Weizen intereſſierte ſich
der Händler gegenwärtig lebhaft. Die Berliner Berichte
lauteten ſeit etwa acht Tagen ſtehend: „Weizen ruhig, bei ziem¬
lich behauptetem Preiſe.“ Aber, Sam traute nicht. Das war
wohl nur die Stille vor dem Sturm. Der Markt litt nicht
unter ſtarkem Angebot, und trotzdem kein Anziehen der Preiſe!
Roggen litt unter Glattſtellungen, Gerſte war ſtill. Wahr¬
ſcheinlich dachte eine Anzahl großer Firmen, im Trüben fiſchen
zu können; etwa die niedrigen Notierungen zu benutzen, um im
Stillen Deckungen auszuführen, und dann mit einem Male,
wenn ſie genug hatten, die Preiſe zu ſchnellen. Es wäre recht
intereſſant geweſen, hinter die eigentlichen Abſichten der ma߬
gebenden Leute im Weizengeſchäft zu kommen. Wenn man
das Ziel des Manövers rechtzeitig erfuhr, konnte man ſich in
ſeinen Manipulationen danach richten.


Edmund Schmeiß reiſte alſo nach Berlin ab.

Zunächſt verſah er ſich in einem Modemagazin mit einem
neuen Cylinder, rotbraunen Handſchuhen und einer Kravatte

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[205/0219] und mit ‚noblen‘ Manieren, überhaupt ‚prima!‘ Sam hatte immer ſeine geheime Freude gehabt an dem forſchen Auftreten ſeines Günſtlings. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß der Kommiſſionär auch das Wohlgefallen des Grafen, ſchon durch ſeine Erſcheinung, gewinnen werde. Edmund Schmeiß wurde alſo auserſehen, nach Berlin zu reiſen. Zuvor natürlich einigte man ſich über die Proviſion, wie das unter vorſichtigen Geſchäftsleuten üblich iſt. Sam vereinigte immer gern mehrere Geſchäfte, wenn es ſich machen ließ. Da er ſich nun einmal in die Koſten ge¬ ſtürzt hatte, ſeinen Kommiſſionär nach Berlin zu ſchicken, gab er dieſem gleich noch ein paar andere Aufträge mit. Man hatte Geſchäftsverbindungen mit Berlin. Schmeiß bekam Order, verſchiedene Freunde von der Produktenbörſe aufzuſuchen, und ein wenig auszuhorchen, über dieſes und jenes. Überhaupt hätte Sam gern etwas über die Stimmung im Kreiſe der Ein¬ geweihten erfahren. Beſonders für Weizen intereſſierte ſich der Händler gegenwärtig lebhaft. Die Berliner Berichte lauteten ſeit etwa acht Tagen ſtehend: „Weizen ruhig, bei ziem¬ lich behauptetem Preiſe.“ Aber, Sam traute nicht. Das war wohl nur die Stille vor dem Sturm. Der Markt litt nicht unter ſtarkem Angebot, und trotzdem kein Anziehen der Preiſe! Roggen litt unter Glattſtellungen, Gerſte war ſtill. Wahr¬ ſcheinlich dachte eine Anzahl großer Firmen, im Trüben fiſchen zu können; etwa die niedrigen Notierungen zu benutzen, um im Stillen Deckungen auszuführen, und dann mit einem Male, wenn ſie genug hatten, die Preiſe zu ſchnellen. Es wäre recht intereſſant geweſen, hinter die eigentlichen Abſichten der ma߬ gebenden Leute im Weizengeſchäft zu kommen. Wenn man das Ziel des Manövers rechtzeitig erfuhr, konnte man ſich in ſeinen Manipulationen danach richten. Edmund Schmeiß reiſte alſo nach Berlin ab. Zunächſt verſah er ſich in einem Modemagazin mit einem neuen Cylinder, rotbraunen Handſchuhen und einer Kravatte

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/219>, abgerufen am 17.05.2024.