Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

haft, hielt sich den Arm vor's Gesicht und war dem Weinen
nahe.

"So stellen Sie sich doch nur nicht so schrecklich an!" meinte
er, und musterte das Mädchen, wie etwa der Viehhändler
sich ein Stück betrachtet. "Das sieht ja famos aus! In bester
Ordnung alles, wie's scheint. Spreewälderkostüm wird Ihrer
Tochter ausgezeichnet stehen, Frau Büttner. Das tragen
diese Art Mädchen nämlich meist in Berlin. Weiße Hauben,
kurze grüne, oder rote Röcke, Sammetmieder, schwarze Strümpfe.
Alles hochpatent! Wird dem Fräulein ausgezeichnet kleiden.
-- Na, wie steht's, Mama Büttnern?"

Die Bäuerin war in großer Bestürzung über den Vor¬
schlag des Händlers. Erzürnen wollte sie den Mann um keinen
Preis durch eine abschlägige Antwort; dazu war ihre Furcht
vor ihm zu groß. Auf der anderen Seite hatte sie das sichere
Gefühl, daß das, was er da vorschlug, nicht recht und schicklich
sein könne. Sie hätte auch ihr Kind nur schweren Herzens
von sich gelassen.

Harrassowitz verfolgte seinen Plan weiter. "Ich wüßte
eine ausgezeichnete Stelle", sagte er. "Meine eigene Tochter,
die in Berlin verheiratet ist, erwartet im zeitigen Sommer.
Die Sache ist eigentlich wie gegeben. Da käme Ihre Tochter
in ein hochherrschaftliches Haus, Berlin W Tiergartenviertel,
das Feinste was es giebt! Na, kurz das Mädel könnte sich
gratulieren, wenn sie dorthin käme. -- Wie steht's Frau
Büttner, wollen wir die Sache abmachen?"

Der Händler hielt die Hand ausgestreckt, zum Zuschlag.
Da die Bäuerin zögerte, griff er in seine Tasche. "Ich will
auch gleich ein Aufgeld geben, damit Sie sehen, daß mir der
Handel ernst ist." -- Er ließ ein Geldstück blicken.

Die Bäuerin hatte sich die Sache inzwischen überlegen können.
Die Mutter in ihr war rege geworden. "Nee nee! Herr Harrasso¬
witz!" rief sie. "Su gieht das ne! Su jählings! Das muß
sich eens duch erscht urdentlich mit seine Leite beraden. Und
das Madel salber mechte duch och gehert wern, ob se und se
mechte."

haft, hielt ſich den Arm vor's Geſicht und war dem Weinen
nahe.

„So ſtellen Sie ſich doch nur nicht ſo ſchrecklich an!“ meinte
er, und muſterte das Mädchen, wie etwa der Viehhändler
ſich ein Stück betrachtet. „Das ſieht ja famos aus! In beſter
Ordnung alles, wie's ſcheint. Spreewälderkoſtüm wird Ihrer
Tochter ausgezeichnet ſtehen, Frau Büttner. Das tragen
dieſe Art Mädchen nämlich meiſt in Berlin. Weiße Hauben,
kurze grüne, oder rote Röcke, Sammetmieder, ſchwarze Strümpfe.
Alles hochpatent! Wird dem Fräulein ausgezeichnet kleiden.
— Na, wie ſteht's, Mama Büttnern?“

Die Bäuerin war in großer Beſtürzung über den Vor¬
ſchlag des Händlers. Erzürnen wollte ſie den Mann um keinen
Preis durch eine abſchlägige Antwort; dazu war ihre Furcht
vor ihm zu groß. Auf der anderen Seite hatte ſie das ſichere
Gefühl, daß das, was er da vorſchlug, nicht recht und ſchicklich
ſein könne. Sie hätte auch ihr Kind nur ſchweren Herzens
von ſich gelaſſen.

Harraſſowitz verfolgte ſeinen Plan weiter. „Ich wüßte
eine ausgezeichnete Stelle“, ſagte er. „Meine eigene Tochter,
die in Berlin verheiratet iſt, erwartet im zeitigen Sommer.
Die Sache iſt eigentlich wie gegeben. Da käme Ihre Tochter
in ein hochherrſchaftliches Haus, Berlin W Tiergartenviertel,
das Feinſte was es giebt! Na, kurz das Mädel könnte ſich
gratulieren, wenn ſie dorthin käme. — Wie ſteht's Frau
Büttner, wollen wir die Sache abmachen?“

Der Händler hielt die Hand ausgeſtreckt, zum Zuſchlag.
Da die Bäuerin zögerte, griff er in ſeine Taſche. „Ich will
auch gleich ein Aufgeld geben, damit Sie ſehen, daß mir der
Handel ernſt iſt.“ — Er ließ ein Geldſtück blicken.

Die Bäuerin hatte ſich die Sache inzwiſchen überlegen können.
Die Mutter in ihr war rege geworden. „Nee nee! Herr Harraſſo¬
witz!“ rief ſie. „Su gieht das ne! Su jählings! Das muß
ſich eens duch erſcht urdentlich mit ſeine Leite beraden. Und
das Madel ſalber mechte duch och gehert wern, ob ſe und ſe
mechte.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="197"/>
haft, hielt &#x017F;ich den Arm vor's Ge&#x017F;icht und war dem Weinen<lb/>
nahe.</p><lb/>
          <p>&#x201E;So &#x017F;tellen Sie &#x017F;ich doch nur nicht &#x017F;o &#x017F;chrecklich an!&#x201C; meinte<lb/>
er, und mu&#x017F;terte das Mädchen, wie etwa der Viehhändler<lb/>
&#x017F;ich ein Stück betrachtet. &#x201E;Das &#x017F;ieht ja famos aus! In be&#x017F;ter<lb/>
Ordnung alles, wie's &#x017F;cheint. Spreewälderko&#x017F;tüm wird Ihrer<lb/>
Tochter ausgezeichnet &#x017F;tehen, Frau Büttner. Das tragen<lb/>
die&#x017F;e Art Mädchen nämlich mei&#x017F;t in Berlin. Weiße Hauben,<lb/>
kurze grüne, oder rote Röcke, Sammetmieder, &#x017F;chwarze Strümpfe.<lb/>
Alles hochpatent! Wird dem Fräulein ausgezeichnet kleiden.<lb/>
&#x2014; Na, wie &#x017F;teht's, Mama Büttnern?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Bäuerin war in großer Be&#x017F;türzung über den Vor¬<lb/>
&#x017F;chlag des Händlers. Erzürnen wollte &#x017F;ie den Mann um keinen<lb/>
Preis durch eine ab&#x017F;chlägige Antwort; dazu war ihre Furcht<lb/>
vor ihm zu groß. Auf der anderen Seite hatte &#x017F;ie das &#x017F;ichere<lb/>
Gefühl, daß das, was er da vor&#x017F;chlug, nicht recht und &#x017F;chicklich<lb/>
&#x017F;ein könne. Sie hätte auch ihr Kind nur &#x017F;chweren Herzens<lb/>
von &#x017F;ich gela&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Harra&#x017F;&#x017F;owitz verfolgte &#x017F;einen Plan weiter. &#x201E;Ich wüßte<lb/>
eine ausgezeichnete Stelle&#x201C;, &#x017F;agte er. &#x201E;Meine eigene Tochter,<lb/>
die in Berlin verheiratet i&#x017F;t, erwartet im zeitigen Sommer.<lb/>
Die Sache i&#x017F;t eigentlich wie gegeben. Da käme Ihre Tochter<lb/>
in ein hochherr&#x017F;chaftliches Haus, Berlin <hi rendition="#aq">W</hi> Tiergartenviertel,<lb/>
das Fein&#x017F;te was es giebt! Na, kurz das Mädel könnte &#x017F;ich<lb/>
gratulieren, wenn &#x017F;ie dorthin käme. &#x2014; Wie &#x017F;teht's Frau<lb/>
Büttner, wollen wir die Sache abmachen?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Händler hielt die Hand ausge&#x017F;treckt, zum Zu&#x017F;chlag.<lb/>
Da die Bäuerin zögerte, griff er in &#x017F;eine Ta&#x017F;che. &#x201E;Ich will<lb/>
auch gleich ein Aufgeld geben, damit Sie &#x017F;ehen, daß mir der<lb/>
Handel ern&#x017F;t i&#x017F;t.&#x201C; &#x2014; Er ließ ein Geld&#x017F;tück blicken.</p><lb/>
          <p>Die Bäuerin hatte &#x017F;ich die Sache inzwi&#x017F;chen überlegen können.<lb/>
Die Mutter in ihr war rege geworden. &#x201E;Nee nee! Herr Harra&#x017F;&#x017F;<lb/>
witz!&#x201C; rief &#x017F;ie. &#x201E;Su gieht das ne! Su jählings! Das muß<lb/>
&#x017F;ich eens duch er&#x017F;cht urdentlich mit &#x017F;eine Leite beraden. Und<lb/>
das Madel &#x017F;alber mechte duch och gehert wern, ob &#x017F;e und &#x017F;e<lb/>
mechte.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0211] haft, hielt ſich den Arm vor's Geſicht und war dem Weinen nahe. „So ſtellen Sie ſich doch nur nicht ſo ſchrecklich an!“ meinte er, und muſterte das Mädchen, wie etwa der Viehhändler ſich ein Stück betrachtet. „Das ſieht ja famos aus! In beſter Ordnung alles, wie's ſcheint. Spreewälderkoſtüm wird Ihrer Tochter ausgezeichnet ſtehen, Frau Büttner. Das tragen dieſe Art Mädchen nämlich meiſt in Berlin. Weiße Hauben, kurze grüne, oder rote Röcke, Sammetmieder, ſchwarze Strümpfe. Alles hochpatent! Wird dem Fräulein ausgezeichnet kleiden. — Na, wie ſteht's, Mama Büttnern?“ Die Bäuerin war in großer Beſtürzung über den Vor¬ ſchlag des Händlers. Erzürnen wollte ſie den Mann um keinen Preis durch eine abſchlägige Antwort; dazu war ihre Furcht vor ihm zu groß. Auf der anderen Seite hatte ſie das ſichere Gefühl, daß das, was er da vorſchlug, nicht recht und ſchicklich ſein könne. Sie hätte auch ihr Kind nur ſchweren Herzens von ſich gelaſſen. Harraſſowitz verfolgte ſeinen Plan weiter. „Ich wüßte eine ausgezeichnete Stelle“, ſagte er. „Meine eigene Tochter, die in Berlin verheiratet iſt, erwartet im zeitigen Sommer. Die Sache iſt eigentlich wie gegeben. Da käme Ihre Tochter in ein hochherrſchaftliches Haus, Berlin W Tiergartenviertel, das Feinſte was es giebt! Na, kurz das Mädel könnte ſich gratulieren, wenn ſie dorthin käme. — Wie ſteht's Frau Büttner, wollen wir die Sache abmachen?“ Der Händler hielt die Hand ausgeſtreckt, zum Zuſchlag. Da die Bäuerin zögerte, griff er in ſeine Taſche. „Ich will auch gleich ein Aufgeld geben, damit Sie ſehen, daß mir der Handel ernſt iſt.“ — Er ließ ein Geldſtück blicken. Die Bäuerin hatte ſich die Sache inzwiſchen überlegen können. Die Mutter in ihr war rege geworden. „Nee nee! Herr Harraſſo¬ witz!“ rief ſie. „Su gieht das ne! Su jählings! Das muß ſich eens duch erſcht urdentlich mit ſeine Leite beraden. Und das Madel ſalber mechte duch och gehert wern, ob ſe und ſe mechte.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/211
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/211>, abgerufen am 23.12.2024.