etwas Handfesteres zu beißen geben möchte. Ein Mädchen ging herum, mit weißen Zwirnhandschuhen und einer Schürze ange¬ than. Sie trug die Speisen vor sich auf einem Brette. So oft sie anbot, sagte sie: "Bitte schön!" Gustav fand alles das äußerst sinnlos. Von der Kaserne und dem Elternhause her, war er gewöhnt, daß man, ohne viele Umstände zu machen, aus einem Napfe aß, und sich setzte und aufstand nach Belieben. Aber hier war man an seinen Stuhl gebannt, mußte warten und schließlich mit kleinen, zugemessenen Portionen seinen Hunger stillen. Die Cousine rümpfte überlegen die Nase, als er während des Essens um ein Stück Brod bat, und zwar um ein großes, weil das seine schon alle geworden sei.
Nach Tisch, als man beim ,Stippkaffee' beisammen saß, kam noch ein junger Mann hinzu, der Bräutigam der Cousine. Ein geschniegeltes Herrchen, um einen Kopf kleiner als die Braut, welcher die Büttnersche Körperlänge eigen war. Der wohlpomadisierte junge Mann, mit einer bunten Weste über dem Schmerbauche, riß äußerst verwunderte Augen auf, als er einen Fremden in der Familie vorfand. Er beruhigte sich jedoch, nachdem er in einer Fensternische von seiner Braut genügende Aufklärung über Gustavs Persönlichkeit erhalten hatte.
Später zogen sich die Frauen zurück, damit die Männer von Geschäften sprechen könnten. Frau Büttner hatte zuvor noch ihrem Gatten mit wispernder Stimme Verhaltungsma߬ regeln gegeben.
Gustav befand sich allein mit Onkel, Vetter und dem kor¬ pulenten Bräutigam. Man schien zu erwarten, daß er sprechen solle. Er merkte sehr bald, daß es ganz etwas anderes sei, vor diesen hier sein Anliegen vorzutragen, als am Morgen, wo er den Onkel allein hatte. Er fing einen Blick auf, den sich Vetter und Bräutigam zuwarfen.
Nachdem Gustav eine Weile gesprochen, nahm der Vetter das Wort. Gustav möge sich nur nicht weiter bemühen, sagte er, man werde auf seinen Plan nicht eingehen. Dann setzte er auseinander, warum das Geld nicht gegeben werden könne,
etwas Handfeſteres zu beißen geben möchte. Ein Mädchen ging herum, mit weißen Zwirnhandſchuhen und einer Schürze ange¬ than. Sie trug die Speiſen vor ſich auf einem Brette. So oft ſie anbot, ſagte ſie: „Bitte ſchön!“ Guſtav fand alles das äußerſt ſinnlos. Von der Kaſerne und dem Elternhauſe her, war er gewöhnt, daß man, ohne viele Umſtände zu machen, aus einem Napfe aß, und ſich ſetzte und aufſtand nach Belieben. Aber hier war man an ſeinen Stuhl gebannt, mußte warten und ſchließlich mit kleinen, zugemeſſenen Portionen ſeinen Hunger ſtillen. Die Couſine rümpfte überlegen die Naſe, als er während des Eſſens um ein Stück Brod bat, und zwar um ein großes, weil das ſeine ſchon alle geworden ſei.
Nach Tiſch, als man beim ‚Stippkaffee‘ beiſammen ſaß, kam noch ein junger Mann hinzu, der Bräutigam der Couſine. Ein geſchniegeltes Herrchen, um einen Kopf kleiner als die Braut, welcher die Büttnerſche Körperlänge eigen war. Der wohlpomadiſierte junge Mann, mit einer bunten Weſte über dem Schmerbauche, riß äußerſt verwunderte Augen auf, als er einen Fremden in der Familie vorfand. Er beruhigte ſich jedoch, nachdem er in einer Fenſterniſche von ſeiner Braut genügende Aufklärung über Guſtavs Perſönlichkeit erhalten hatte.
Später zogen ſich die Frauen zurück, damit die Männer von Geſchäften ſprechen könnten. Frau Büttner hatte zuvor noch ihrem Gatten mit wiſpernder Stimme Verhaltungsma߬ regeln gegeben.
Guſtav befand ſich allein mit Onkel, Vetter und dem kor¬ pulenten Bräutigam. Man ſchien zu erwarten, daß er ſprechen ſolle. Er merkte ſehr bald, daß es ganz etwas anderes ſei, vor dieſen hier ſein Anliegen vorzutragen, als am Morgen, wo er den Onkel allein hatte. Er fing einen Blick auf, den ſich Vetter und Bräutigam zuwarfen.
Nachdem Guſtav eine Weile geſprochen, nahm der Vetter das Wort. Guſtav möge ſich nur nicht weiter bemühen, ſagte er, man werde auf ſeinen Plan nicht eingehen. Dann ſetzte er auseinander, warum das Geld nicht gegeben werden könne,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0195"n="181"/>
etwas Handfeſteres zu beißen geben möchte. Ein Mädchen ging<lb/>
herum, mit weißen Zwirnhandſchuhen und einer Schürze ange¬<lb/>
than. Sie trug die Speiſen vor ſich auf einem Brette. So<lb/>
oft ſie anbot, ſagte ſie: „Bitte ſchön!“ Guſtav fand alles das<lb/>
äußerſt ſinnlos. Von der Kaſerne und dem Elternhauſe her,<lb/>
war er gewöhnt, daß man, ohne viele Umſtände zu machen,<lb/>
aus einem Napfe aß, und ſich ſetzte und aufſtand nach Belieben.<lb/>
Aber hier war man an ſeinen Stuhl gebannt, mußte warten<lb/>
und ſchließlich mit kleinen, zugemeſſenen Portionen ſeinen<lb/>
Hunger ſtillen. Die Couſine rümpfte überlegen die Naſe, als<lb/>
er während des Eſſens um ein Stück Brod bat, und zwar<lb/>
um ein großes, weil das ſeine ſchon alle geworden ſei.</p><lb/><p>Nach Tiſch, als man beim ‚Stippkaffee‘ beiſammen ſaß,<lb/>
kam noch ein junger Mann hinzu, der Bräutigam der Couſine.<lb/>
Ein geſchniegeltes Herrchen, um einen Kopf kleiner als die<lb/>
Braut, welcher die Büttnerſche Körperlänge eigen war. Der<lb/>
wohlpomadiſierte junge Mann, mit einer bunten Weſte über<lb/>
dem Schmerbauche, riß äußerſt verwunderte Augen auf, als er<lb/>
einen Fremden in der Familie vorfand. Er beruhigte ſich<lb/>
jedoch, nachdem er in einer Fenſterniſche von ſeiner Braut<lb/>
genügende Aufklärung über Guſtavs Perſönlichkeit erhalten<lb/>
hatte.</p><lb/><p>Später zogen ſich die Frauen zurück, damit die Männer<lb/>
von Geſchäften ſprechen könnten. Frau Büttner hatte zuvor<lb/>
noch ihrem Gatten mit wiſpernder Stimme Verhaltungsma߬<lb/>
regeln gegeben.</p><lb/><p>Guſtav befand ſich allein mit Onkel, Vetter und dem kor¬<lb/>
pulenten Bräutigam. Man ſchien zu erwarten, daß er ſprechen<lb/>ſolle. Er merkte ſehr bald, daß es ganz etwas anderes ſei,<lb/>
vor dieſen hier ſein Anliegen vorzutragen, als am Morgen,<lb/>
wo er den Onkel allein hatte. Er fing einen Blick auf, den<lb/>ſich Vetter und Bräutigam zuwarfen.</p><lb/><p>Nachdem Guſtav eine Weile geſprochen, nahm der Vetter<lb/>
das Wort. Guſtav möge ſich nur nicht weiter bemühen, ſagte<lb/>
er, man werde auf ſeinen Plan nicht eingehen. Dann ſetzte<lb/>
er auseinander, warum das Geld nicht gegeben werden könne,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0195]
etwas Handfeſteres zu beißen geben möchte. Ein Mädchen ging
herum, mit weißen Zwirnhandſchuhen und einer Schürze ange¬
than. Sie trug die Speiſen vor ſich auf einem Brette. So
oft ſie anbot, ſagte ſie: „Bitte ſchön!“ Guſtav fand alles das
äußerſt ſinnlos. Von der Kaſerne und dem Elternhauſe her,
war er gewöhnt, daß man, ohne viele Umſtände zu machen,
aus einem Napfe aß, und ſich ſetzte und aufſtand nach Belieben.
Aber hier war man an ſeinen Stuhl gebannt, mußte warten
und ſchließlich mit kleinen, zugemeſſenen Portionen ſeinen
Hunger ſtillen. Die Couſine rümpfte überlegen die Naſe, als
er während des Eſſens um ein Stück Brod bat, und zwar
um ein großes, weil das ſeine ſchon alle geworden ſei.
Nach Tiſch, als man beim ‚Stippkaffee‘ beiſammen ſaß,
kam noch ein junger Mann hinzu, der Bräutigam der Couſine.
Ein geſchniegeltes Herrchen, um einen Kopf kleiner als die
Braut, welcher die Büttnerſche Körperlänge eigen war. Der
wohlpomadiſierte junge Mann, mit einer bunten Weſte über
dem Schmerbauche, riß äußerſt verwunderte Augen auf, als er
einen Fremden in der Familie vorfand. Er beruhigte ſich
jedoch, nachdem er in einer Fenſterniſche von ſeiner Braut
genügende Aufklärung über Guſtavs Perſönlichkeit erhalten
hatte.
Später zogen ſich die Frauen zurück, damit die Männer
von Geſchäften ſprechen könnten. Frau Büttner hatte zuvor
noch ihrem Gatten mit wiſpernder Stimme Verhaltungsma߬
regeln gegeben.
Guſtav befand ſich allein mit Onkel, Vetter und dem kor¬
pulenten Bräutigam. Man ſchien zu erwarten, daß er ſprechen
ſolle. Er merkte ſehr bald, daß es ganz etwas anderes ſei,
vor dieſen hier ſein Anliegen vorzutragen, als am Morgen,
wo er den Onkel allein hatte. Er fing einen Blick auf, den
ſich Vetter und Bräutigam zuwarfen.
Nachdem Guſtav eine Weile geſprochen, nahm der Vetter
das Wort. Guſtav möge ſich nur nicht weiter bemühen, ſagte
er, man werde auf ſeinen Plan nicht eingehen. Dann ſetzte
er auseinander, warum das Geld nicht gegeben werden könne,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/195>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.