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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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genauer mit forschenden Blicken durch seine Brillengläser an.
Der Vater sei leider nicht im Laden, erklärte er.

Also, das war der Vetter! Gustav maß den Mann, der
seinen Namen trug, mit neugierigen Blicken. Ein ziemlich
großer hagerer Mensch von gebückter Haltung stand vor ihm.
Dem Manne sah man es nicht an, daß sein Vater auf dem
Lande geboren, daß alle seine Vatersvorfahren durch Jahr¬
hunderte hinter dem Pfluge hergeschritten waren. Und doch
war in dieser Schulmeistererscheinung eine gewisse Ähnlichkeit
mit den Verwandten nicht zu verkennen. Die Kopfform, die
großen Hände und Füße, der Haarwuchs erinnerte an die
Büttners von Halbenau.

Zwischen den beiden Vettern gab es eine Verlegenheits¬
pause. Sie waren durch das Gefühl bedrückt, in naher Bluts¬
verbindung zu stehen und einander doch unendlich fremd zu
sein. Man maß sich mit spähenden, mißtrauischen Blicken
und wußte einander nichts zu sagen. Gustav, der Bauernsohn,
verachtete im geheimen diesen dürren Bläßling, der Tag ein
Tag aus hinter dem Ladentisch stehen und die Kunden be¬
dienen mußte. Aber seine Verachtung war dabei nicht ganz
frei von einem gewissen Neid, den das Landkind der Über¬
legenheit des Städters gegenüber selten verwindet. Und Gustav,
der Mitinhaber der Firma : Karl Leberecht Büttner und Sohn,
belächelte seinen Vetter vom Dorfe, mit den unbeholfenen
Manieren.

Ein Paar Leute vom Markt kamen herein, die bedient
sein wollten. Nachdem die Kunden abgefertigt waren, schlug
der Kaufmann seinem Vetter vor, in die Wohnung des Vaters
zu gehen; der "Alte" werde wohl zu Haus sein. Er gab ihm
einen Lehrling mit, damit er den Weg finde. Unter Führung
eines halbwüchsigen Bürschchens gelangte Gustav so zur Woh¬
nung der Verwandten.

Mit dem Onkel fand sich Gustav schneller zurecht, als
mit dem Vetter. Der Mann war wirklich sein Blutsver¬
wandter. Der große derbknochige Alte mit bartlosem ge¬
röteten Gesicht, und buschigem grauen Haar sah dem Büttner¬

genauer mit forſchenden Blicken durch ſeine Brillengläſer an.
Der Vater ſei leider nicht im Laden, erklärte er.

Alſo, das war der Vetter! Guſtav maß den Mann, der
ſeinen Namen trug, mit neugierigen Blicken. Ein ziemlich
großer hagerer Menſch von gebückter Haltung ſtand vor ihm.
Dem Manne ſah man es nicht an, daß ſein Vater auf dem
Lande geboren, daß alle ſeine Vatersvorfahren durch Jahr¬
hunderte hinter dem Pfluge hergeſchritten waren. Und doch
war in dieſer Schulmeiſtererſcheinung eine gewiſſe Ähnlichkeit
mit den Verwandten nicht zu verkennen. Die Kopfform, die
großen Hände und Füße, der Haarwuchs erinnerte an die
Büttners von Halbenau.

Zwiſchen den beiden Vettern gab es eine Verlegenheits¬
pauſe. Sie waren durch das Gefühl bedrückt, in naher Bluts¬
verbindung zu ſtehen und einander doch unendlich fremd zu
ſein. Man maß ſich mit ſpähenden, mißtrauiſchen Blicken
und wußte einander nichts zu ſagen. Guſtav, der Bauernſohn,
verachtete im geheimen dieſen dürren Bläßling, der Tag ein
Tag aus hinter dem Ladentiſch ſtehen und die Kunden be¬
dienen mußte. Aber ſeine Verachtung war dabei nicht ganz
frei von einem gewiſſen Neid, den das Landkind der Über¬
legenheit des Städters gegenüber ſelten verwindet. Und Guſtav,
der Mitinhaber der Firma : Karl Leberecht Büttner und Sohn,
belächelte ſeinen Vetter vom Dorfe, mit den unbeholfenen
Manieren.

Ein Paar Leute vom Markt kamen herein, die bedient
ſein wollten. Nachdem die Kunden abgefertigt waren, ſchlug
der Kaufmann ſeinem Vetter vor, in die Wohnung des Vaters
zu gehen; der „Alte“ werde wohl zu Haus ſein. Er gab ihm
einen Lehrling mit, damit er den Weg finde. Unter Führung
eines halbwüchſigen Bürſchchens gelangte Guſtav ſo zur Woh¬
nung der Verwandten.

Mit dem Onkel fand ſich Guſtav ſchneller zurecht, als
mit dem Vetter. Der Mann war wirklich ſein Blutsver¬
wandter. Der große derbknochige Alte mit bartloſem ge¬
röteten Geſicht, und buſchigem grauen Haar ſah dem Büttner¬

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[175/0189] genauer mit forſchenden Blicken durch ſeine Brillengläſer an. Der Vater ſei leider nicht im Laden, erklärte er. Alſo, das war der Vetter! Guſtav maß den Mann, der ſeinen Namen trug, mit neugierigen Blicken. Ein ziemlich großer hagerer Menſch von gebückter Haltung ſtand vor ihm. Dem Manne ſah man es nicht an, daß ſein Vater auf dem Lande geboren, daß alle ſeine Vatersvorfahren durch Jahr¬ hunderte hinter dem Pfluge hergeſchritten waren. Und doch war in dieſer Schulmeiſtererſcheinung eine gewiſſe Ähnlichkeit mit den Verwandten nicht zu verkennen. Die Kopfform, die großen Hände und Füße, der Haarwuchs erinnerte an die Büttners von Halbenau. Zwiſchen den beiden Vettern gab es eine Verlegenheits¬ pauſe. Sie waren durch das Gefühl bedrückt, in naher Bluts¬ verbindung zu ſtehen und einander doch unendlich fremd zu ſein. Man maß ſich mit ſpähenden, mißtrauiſchen Blicken und wußte einander nichts zu ſagen. Guſtav, der Bauernſohn, verachtete im geheimen dieſen dürren Bläßling, der Tag ein Tag aus hinter dem Ladentiſch ſtehen und die Kunden be¬ dienen mußte. Aber ſeine Verachtung war dabei nicht ganz frei von einem gewiſſen Neid, den das Landkind der Über¬ legenheit des Städters gegenüber ſelten verwindet. Und Guſtav, der Mitinhaber der Firma : Karl Leberecht Büttner und Sohn, belächelte ſeinen Vetter vom Dorfe, mit den unbeholfenen Manieren. Ein Paar Leute vom Markt kamen herein, die bedient ſein wollten. Nachdem die Kunden abgefertigt waren, ſchlug der Kaufmann ſeinem Vetter vor, in die Wohnung des Vaters zu gehen; der „Alte“ werde wohl zu Haus ſein. Er gab ihm einen Lehrling mit, damit er den Weg finde. Unter Führung eines halbwüchſigen Bürſchchens gelangte Guſtav ſo zur Woh¬ nung der Verwandten. Mit dem Onkel fand ſich Guſtav ſchneller zurecht, als mit dem Vetter. Der Mann war wirklich ſein Blutsver¬ wandter. Der große derbknochige Alte mit bartloſem ge¬ röteten Geſicht, und buſchigem grauen Haar ſah dem Büttner¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/189>, abgerufen am 05.12.2024.