Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun war der Lump nicht mehr im Dorfe. Man wußte nicht
einmal genau, wohin er gezogen sei. Die Aussicht, ihn zu
belangen, war gering.

Und in solche Verhältnisse hinein sollte er eine junge
Frau bringen! Er hatte ja in der letzten Zeit von nichts
anderem geträumt, als von dem Plane, seine Jugendliebe,
Pauline Katschner, heimzuführen. Er hatte sich gedacht, für's
erste könnten sie auf dem väterlichen Hofe wohnen, bis sich für
ihn ein selbstständiger Lebenserwerb gefunden haben würde.
Und nun drohte hier alles, was eben noch so sicher geschienen,
zusammenzubrechen.


Pauline erwartete Gustav. Er hatte ihr geschrieben, daß
er in den ersten Tagen des Oktober in Halbenau eintreffen
werde.

Das Mädchen ließ sich nicht anmerken, daß sie vor Sehn¬
sucht nach ihm vergehen wollte. Sie verrichtete ihre Ge¬
schäfte und Arbeiten mit der gewohnten Sauberkeit, aber
während sie die Nadel führte, am Scheuerfasse stand, oder am
Webstuhle saß, schwärmten ihre Gedanken hinaus in die Zu¬
kunft. In der Phantasie hatte sie sich bereits ein trauliches
Heim zurecht gemacht, für sich und Gustav, den Jungen, und
-- wer weiß, was mit der Zeit noch dazu kommen mochte.

Sie war nicht mehr das unbedacht liebende Mädchen, das
sich kopflos mit starken Trieben dem Geliebten in die Arme
geworfen hatte; die Mutter hatte in ihr die Oberhand ge¬
wonnen. Sie liebte Gustav, den Vater ihres Sohnes, den
zukünftigen Gatten und Beschützer ihres Kindes, mit tief¬
gewurzelter, warmer, gleichmäßiger Innigkeit.

Sie war so glücklich, daß sie ihn nun ganz wieder
haben sollte. Die letzten Jahre waren schrecklich gewesen, mit
ihren einsamen Nächten, den Zweifeln an seiner Treue und der
quälenden Sorge, daß sie ihn ganz verlieren möchte.

Nun kam er! da mußte ja alles gut werden. Allerdings
waren sie beide arm, und Gustav hatte noch keinen Beruf.

Nun war der Lump nicht mehr im Dorfe. Man wußte nicht
einmal genau, wohin er gezogen ſei. Die Ausſicht, ihn zu
belangen, war gering.

Und in ſolche Verhältniſſe hinein ſollte er eine junge
Frau bringen! Er hatte ja in der letzten Zeit von nichts
anderem geträumt, als von dem Plane, ſeine Jugendliebe,
Pauline Katſchner, heimzuführen. Er hatte ſich gedacht, für's
erſte könnten ſie auf dem väterlichen Hofe wohnen, bis ſich für
ihn ein ſelbſtſtändiger Lebenserwerb gefunden haben würde.
Und nun drohte hier alles, was eben noch ſo ſicher geſchienen,
zuſammenzubrechen.


Pauline erwartete Guſtav. Er hatte ihr geſchrieben, daß
er in den erſten Tagen des Oktober in Halbenau eintreffen
werde.

Das Mädchen ließ ſich nicht anmerken, daß ſie vor Sehn¬
ſucht nach ihm vergehen wollte. Sie verrichtete ihre Ge¬
ſchäfte und Arbeiten mit der gewohnten Sauberkeit, aber
während ſie die Nadel führte, am Scheuerfaſſe ſtand, oder am
Webſtuhle ſaß, ſchwärmten ihre Gedanken hinaus in die Zu¬
kunft. In der Phantaſie hatte ſie ſich bereits ein trauliches
Heim zurecht gemacht, für ſich und Guſtav, den Jungen, und
— wer weiß, was mit der Zeit noch dazu kommen mochte.

Sie war nicht mehr das unbedacht liebende Mädchen, das
ſich kopflos mit ſtarken Trieben dem Geliebten in die Arme
geworfen hatte; die Mutter hatte in ihr die Oberhand ge¬
wonnen. Sie liebte Guſtav, den Vater ihres Sohnes, den
zukünftigen Gatten und Beſchützer ihres Kindes, mit tief¬
gewurzelter, warmer, gleichmäßiger Innigkeit.

Sie war ſo glücklich, daß ſie ihn nun ganz wieder
haben ſollte. Die letzten Jahre waren ſchrecklich geweſen, mit
ihren einſamen Nächten, den Zweifeln an ſeiner Treue und der
quälenden Sorge, daß ſie ihn ganz verlieren möchte.

Nun kam er! da mußte ja alles gut werden. Allerdings
waren ſie beide arm, und Guſtav hatte noch keinen Beruf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="138"/>
Nun war der Lump nicht mehr im Dorfe. Man wußte nicht<lb/>
einmal genau, wohin er gezogen &#x017F;ei. Die Aus&#x017F;icht, ihn zu<lb/>
belangen, war gering.</p><lb/>
          <p>Und in &#x017F;olche Verhältni&#x017F;&#x017F;e hinein &#x017F;ollte er eine junge<lb/>
Frau bringen! Er hatte ja in der letzten Zeit von nichts<lb/>
anderem geträumt, als von dem Plane, &#x017F;eine Jugendliebe,<lb/>
Pauline Kat&#x017F;chner, heimzuführen. Er hatte &#x017F;ich gedacht, für's<lb/>
er&#x017F;te könnten &#x017F;ie auf dem väterlichen Hofe wohnen, bis &#x017F;ich für<lb/>
ihn ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändiger Lebenserwerb gefunden haben würde.<lb/>
Und nun drohte hier alles, was eben noch &#x017F;o &#x017F;icher ge&#x017F;chienen,<lb/>
zu&#x017F;ammenzubrechen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Pauline erwartete Gu&#x017F;tav. Er hatte ihr ge&#x017F;chrieben, daß<lb/>
er in den er&#x017F;ten Tagen des Oktober in Halbenau eintreffen<lb/>
werde.</p><lb/>
          <p>Das Mädchen ließ &#x017F;ich nicht anmerken, daß &#x017F;ie vor Sehn¬<lb/>
&#x017F;ucht nach ihm vergehen wollte. Sie verrichtete ihre Ge¬<lb/>
&#x017F;chäfte und Arbeiten mit der gewohnten Sauberkeit, aber<lb/>
während &#x017F;ie die Nadel führte, am Scheuerfa&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tand, oder am<lb/>
Web&#x017F;tuhle &#x017F;aß, &#x017F;chwärmten ihre Gedanken hinaus in die Zu¬<lb/>
kunft. In der Phanta&#x017F;ie hatte &#x017F;ie &#x017F;ich bereits ein trauliches<lb/>
Heim zurecht gemacht, für &#x017F;ich und Gu&#x017F;tav, den Jungen, und<lb/>
&#x2014; wer weiß, was mit der Zeit noch dazu kommen mochte.</p><lb/>
          <p>Sie war nicht mehr das unbedacht liebende Mädchen, das<lb/>
&#x017F;ich kopflos mit &#x017F;tarken Trieben dem Geliebten in die Arme<lb/>
geworfen hatte; die Mutter hatte in ihr die Oberhand ge¬<lb/>
wonnen. Sie liebte Gu&#x017F;tav, den Vater ihres Sohnes, den<lb/>
zukünftigen Gatten und Be&#x017F;chützer ihres Kindes, mit tief¬<lb/>
gewurzelter, warmer, gleichmäßiger Innigkeit.</p><lb/>
          <p>Sie war &#x017F;o glücklich, daß &#x017F;ie ihn nun ganz wieder<lb/>
haben &#x017F;ollte. Die letzten Jahre waren &#x017F;chrecklich gewe&#x017F;en, mit<lb/>
ihren ein&#x017F;amen Nächten, den Zweifeln an &#x017F;einer Treue und der<lb/>
quälenden Sorge, daß &#x017F;ie ihn ganz verlieren möchte.</p><lb/>
          <p>Nun kam er! da mußte ja alles gut werden. Allerdings<lb/>
waren &#x017F;ie beide arm, und Gu&#x017F;tav hatte noch keinen Beruf.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0152] Nun war der Lump nicht mehr im Dorfe. Man wußte nicht einmal genau, wohin er gezogen ſei. Die Ausſicht, ihn zu belangen, war gering. Und in ſolche Verhältniſſe hinein ſollte er eine junge Frau bringen! Er hatte ja in der letzten Zeit von nichts anderem geträumt, als von dem Plane, ſeine Jugendliebe, Pauline Katſchner, heimzuführen. Er hatte ſich gedacht, für's erſte könnten ſie auf dem väterlichen Hofe wohnen, bis ſich für ihn ein ſelbſtſtändiger Lebenserwerb gefunden haben würde. Und nun drohte hier alles, was eben noch ſo ſicher geſchienen, zuſammenzubrechen. Pauline erwartete Guſtav. Er hatte ihr geſchrieben, daß er in den erſten Tagen des Oktober in Halbenau eintreffen werde. Das Mädchen ließ ſich nicht anmerken, daß ſie vor Sehn¬ ſucht nach ihm vergehen wollte. Sie verrichtete ihre Ge¬ ſchäfte und Arbeiten mit der gewohnten Sauberkeit, aber während ſie die Nadel führte, am Scheuerfaſſe ſtand, oder am Webſtuhle ſaß, ſchwärmten ihre Gedanken hinaus in die Zu¬ kunft. In der Phantaſie hatte ſie ſich bereits ein trauliches Heim zurecht gemacht, für ſich und Guſtav, den Jungen, und — wer weiß, was mit der Zeit noch dazu kommen mochte. Sie war nicht mehr das unbedacht liebende Mädchen, das ſich kopflos mit ſtarken Trieben dem Geliebten in die Arme geworfen hatte; die Mutter hatte in ihr die Oberhand ge¬ wonnen. Sie liebte Guſtav, den Vater ihres Sohnes, den zukünftigen Gatten und Beſchützer ihres Kindes, mit tief¬ gewurzelter, warmer, gleichmäßiger Innigkeit. Sie war ſo glücklich, daß ſie ihn nun ganz wieder haben ſollte. Die letzten Jahre waren ſchrecklich geweſen, mit ihren einſamen Nächten, den Zweifeln an ſeiner Treue und der quälenden Sorge, daß ſie ihn ganz verlieren möchte. Nun kam er! da mußte ja alles gut werden. Allerdings waren ſie beide arm, und Guſtav hatte noch keinen Beruf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/152
Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/152>, abgerufen am 17.05.2024.