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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Ernestine allein schien nicht angesteckt von der allgemeinen
Niedergeschlagenheit. Das Mädel blickte dreist und keck drein
mit ihrem spitzen Näschen und den pfiffigen Augen.

Irgend etwas war hier nicht in Ordnung, das mußte sich
Gustav sagen. Nach dem Essen erklärte er dem Vater, er
wolle sich Stall und Scheune besehen. Er meinte im Stillen,
dem Alten würde es Freude machen, ihm die Tiere und Vor¬
räte persönlich zu zeigen, wie er es bisher nur zu gern
gethan hatte, wenn der Sohn aus der Fremde zurückkam.
Aber der alte Mann brummte etwas Unverständliches zur
Antwort und blieb in seiner Ecke sitzen. Gustav ging also
allein.

Späterhin kam ihm Karl nach. Gustav fragte den
Bruder, was eigentlich los sei mit dem Alten. Karl machte
den Mund zwar ziemlich weit auf, brachte aber nicht viel
Gescheites heraus. Gustav verstand nur soviel aus den un¬
zusammenhängenden Reden des Bruders, daß in der letzten
Zeit Herren aus der Stadt beim Vater gewesen seien, von
denen er viel Geld bekommen habe, und über Kaschelernsten habe
der Bauer gesagt, er solle sich in acht nehmen, wenn er ihn
mal unter die Fäuste bekäme. --

Gustav nahm die erste Gelegenheit wahr, wo er sich mit
seiner Mutter unter vier Augen sah, um sie zu befragen. Da
erfuhr er denn das Unglück in seiner ganzen Größe.

Ihm war im ersten Augenblicke zu Mute wie einem, der
einen Schlag vor den Kopf bekommen hat. Daß die Ver¬
mögenslage des Vaters eine mißliche sei, hatte Gustav ja ge¬
wußt, aber daß er geradezu vor dem Zusammenbruche stehe,
das war eine Nachricht, die ihn wie ein Blitzstrahl aus
heiterem Himmel traf.

Auch daß ein Unglück selten allein kommt, mußte der
junge Mann an sich erfahren. Die Mutter verhehlte ihm
nicht, in welchem Zustande sich Toni befinde. Gustav geriet
außer sich vor Zorn. Was ihn am meisten erglimmte, war,
daß die Seinen es verabsäumt hatten, den Menschen, von dem
sie das Kind unter dem Herzen trug, zur Rechenschaft zu ziehen.

Erneſtine allein ſchien nicht angeſteckt von der allgemeinen
Niedergeſchlagenheit. Das Mädel blickte dreiſt und keck drein
mit ihrem ſpitzen Näschen und den pfiffigen Augen.

Irgend etwas war hier nicht in Ordnung, das mußte ſich
Guſtav ſagen. Nach dem Eſſen erklärte er dem Vater, er
wolle ſich Stall und Scheune beſehen. Er meinte im Stillen,
dem Alten würde es Freude machen, ihm die Tiere und Vor¬
räte perſönlich zu zeigen, wie er es bisher nur zu gern
gethan hatte, wenn der Sohn aus der Fremde zurückkam.
Aber der alte Mann brummte etwas Unverſtändliches zur
Antwort und blieb in ſeiner Ecke ſitzen. Guſtav ging alſo
allein.

Späterhin kam ihm Karl nach. Guſtav fragte den
Bruder, was eigentlich los ſei mit dem Alten. Karl machte
den Mund zwar ziemlich weit auf, brachte aber nicht viel
Geſcheites heraus. Guſtav verſtand nur ſoviel aus den un¬
zuſammenhängenden Reden des Bruders, daß in der letzten
Zeit Herren aus der Stadt beim Vater geweſen ſeien, von
denen er viel Geld bekommen habe, und über Kaſchelernſten habe
der Bauer geſagt, er ſolle ſich in acht nehmen, wenn er ihn
mal unter die Fäuſte bekäme. —

Guſtav nahm die erſte Gelegenheit wahr, wo er ſich mit
ſeiner Mutter unter vier Augen ſah, um ſie zu befragen. Da
erfuhr er denn das Unglück in ſeiner ganzen Größe.

Ihm war im erſten Augenblicke zu Mute wie einem, der
einen Schlag vor den Kopf bekommen hat. Daß die Ver¬
mögenslage des Vaters eine mißliche ſei, hatte Guſtav ja ge¬
wußt, aber daß er geradezu vor dem Zuſammenbruche ſtehe,
das war eine Nachricht, die ihn wie ein Blitzſtrahl aus
heiterem Himmel traf.

Auch daß ein Unglück ſelten allein kommt, mußte der
junge Mann an ſich erfahren. Die Mutter verhehlte ihm
nicht, in welchem Zuſtande ſich Toni befinde. Guſtav geriet
außer ſich vor Zorn. Was ihn am meiſten erglimmte, war,
daß die Seinen es verabſäumt hatten, den Menſchen, von dem
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[137/0151] Erneſtine allein ſchien nicht angeſteckt von der allgemeinen Niedergeſchlagenheit. Das Mädel blickte dreiſt und keck drein mit ihrem ſpitzen Näschen und den pfiffigen Augen. Irgend etwas war hier nicht in Ordnung, das mußte ſich Guſtav ſagen. Nach dem Eſſen erklärte er dem Vater, er wolle ſich Stall und Scheune beſehen. Er meinte im Stillen, dem Alten würde es Freude machen, ihm die Tiere und Vor¬ räte perſönlich zu zeigen, wie er es bisher nur zu gern gethan hatte, wenn der Sohn aus der Fremde zurückkam. Aber der alte Mann brummte etwas Unverſtändliches zur Antwort und blieb in ſeiner Ecke ſitzen. Guſtav ging alſo allein. Späterhin kam ihm Karl nach. Guſtav fragte den Bruder, was eigentlich los ſei mit dem Alten. Karl machte den Mund zwar ziemlich weit auf, brachte aber nicht viel Geſcheites heraus. Guſtav verſtand nur ſoviel aus den un¬ zuſammenhängenden Reden des Bruders, daß in der letzten Zeit Herren aus der Stadt beim Vater geweſen ſeien, von denen er viel Geld bekommen habe, und über Kaſchelernſten habe der Bauer geſagt, er ſolle ſich in acht nehmen, wenn er ihn mal unter die Fäuſte bekäme. — Guſtav nahm die erſte Gelegenheit wahr, wo er ſich mit ſeiner Mutter unter vier Augen ſah, um ſie zu befragen. Da erfuhr er denn das Unglück in ſeiner ganzen Größe. Ihm war im erſten Augenblicke zu Mute wie einem, der einen Schlag vor den Kopf bekommen hat. Daß die Ver¬ mögenslage des Vaters eine mißliche ſei, hatte Guſtav ja ge¬ wußt, aber daß er geradezu vor dem Zuſammenbruche ſtehe, das war eine Nachricht, die ihn wie ein Blitzſtrahl aus heiterem Himmel traf. Auch daß ein Unglück ſelten allein kommt, mußte der junge Mann an ſich erfahren. Die Mutter verhehlte ihm nicht, in welchem Zuſtande ſich Toni befinde. Guſtav geriet außer ſich vor Zorn. Was ihn am meiſten erglimmte, war, daß die Seinen es verabſäumt hatten, den Menſchen, von dem ſie das Kind unter dem Herzen trug, zur Rechenſchaft zu ziehen.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/151>, abgerufen am 23.11.2024.