Der Herr Rittmeister war auf Urlaub. Das that dem Unteroffizier von Heizen leid. Vor diesem Manne, der für ihn das Ideal eines Vorgesetzten gewesen war, für den er willig sein Leben gelassen hätte, würde Gustav gern noch ein¬ mal stramm gestanden haben. Der würde auch sicher zu Herzen gehendere Worte beim Abschied gefunden haben, als der Pre¬ mierleutnant, welcher erst vor kurzem zur Eskadron gekommen und ohne jene vertrautere Beziehung war, wie sie bei längerem gemeinsamen Dienen sich wohl auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen entwickeln.
Seine Extrauniform hatte Gustav an einen neugebackenen Unteroffizier verkauft; er behielt sich nichts zurück, als die Mütze, ein paar Knöpfe und einen Faustriemen zur Erinnerung an die Dienstzeit.
"Mit dem Reservistenstocke," wie es im Liede heißt, trat er "die Heimatreise an". Die Nacht durch lag er auf den ver¬ schiedenen kleinen Bahnstrecken, die er benutzen mußte, um von der Provinzialhauptstadt in diesen entlegenen Winkel zu ge¬ langen. Dann wanderte er ein Stück zu Fuß und traf am Morgen in Halbenau ein.
Das Dorf trat ihm allmählich aus den Herbstnebeln ent¬ gegen, welche die Flur umfangen hielten: Dach um Dach, Zaun um Zaun, Baum um Baum. Er kannte sie alle. Ein wunderliches, ihm selbst unbekanntes, wehmütiges Behagen überkam den jungen Menschen. Fünf Jahre hatte er in der Kaserne gelebt, hatte ein Heim nicht mehr gekannt. Frei¬ lich, mit der Stadt ließ sich das hier ja nicht vergleichen! aber diese Strohdächer, diese Lehmwände, die bretterverschlage¬ nen Giebel hatten doch etwas in sich, das keine Pracht städtischer Häuserfronten zu ersetzen vermochte: es war die Heimat!
Nun bog er in den Weg ein, der nach dem väterlichen Gute führte. Schon von weitem blickten ihn die Dachfenster des Wohnhauses, wie große schwermütige Augen an. Aus der Küchenesse wirbelte gelblicher Rauch in den grauen Herbst¬ himmel hinaus. Die Mutter kochte also bereits das Mittag¬
Der Herr Rittmeiſter war auf Urlaub. Das that dem Unteroffizier von Heizen leid. Vor dieſem Manne, der für ihn das Ideal eines Vorgeſetzten geweſen war, für den er willig ſein Leben gelaſſen hätte, würde Guſtav gern noch ein¬ mal ſtramm geſtanden haben. Der würde auch ſicher zu Herzen gehendere Worte beim Abſchied gefunden haben, als der Pre¬ mierleutnant, welcher erſt vor kurzem zur Eſkadron gekommen und ohne jene vertrautere Beziehung war, wie ſie bei längerem gemeinſamen Dienen ſich wohl auch zwiſchen Vorgeſetzten und Untergebenen entwickeln.
Seine Extrauniform hatte Guſtav an einen neugebackenen Unteroffizier verkauft; er behielt ſich nichts zurück, als die Mütze, ein paar Knöpfe und einen Fauſtriemen zur Erinnerung an die Dienſtzeit.
„Mit dem Reſerviſtenſtocke,“ wie es im Liede heißt, trat er „die Heimatreiſe an“. Die Nacht durch lag er auf den ver¬ ſchiedenen kleinen Bahnſtrecken, die er benutzen mußte, um von der Provinzialhauptſtadt in dieſen entlegenen Winkel zu ge¬ langen. Dann wanderte er ein Stück zu Fuß und traf am Morgen in Halbenau ein.
Das Dorf trat ihm allmählich aus den Herbſtnebeln ent¬ gegen, welche die Flur umfangen hielten: Dach um Dach, Zaun um Zaun, Baum um Baum. Er kannte ſie alle. Ein wunderliches, ihm ſelbſt unbekanntes, wehmütiges Behagen überkam den jungen Menſchen. Fünf Jahre hatte er in der Kaſerne gelebt, hatte ein Heim nicht mehr gekannt. Frei¬ lich, mit der Stadt ließ ſich das hier ja nicht vergleichen! aber dieſe Strohdächer, dieſe Lehmwände, die bretterverſchlage¬ nen Giebel hatten doch etwas in ſich, das keine Pracht ſtädtiſcher Häuſerfronten zu erſetzen vermochte: es war die Heimat!
Nun bog er in den Weg ein, der nach dem väterlichen Gute führte. Schon von weitem blickten ihn die Dachfenſter des Wohnhauſes, wie große ſchwermütige Augen an. Aus der Kücheneſſe wirbelte gelblicher Rauch in den grauen Herbſt¬ himmel hinaus. Die Mutter kochte alſo bereits das Mittag¬
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Der Herr Rittmeiſter war auf Urlaub. Das that dem
Unteroffizier von Heizen leid. Vor dieſem Manne, der für
ihn das Ideal eines Vorgeſetzten geweſen war, für den er
willig ſein Leben gelaſſen hätte, würde Guſtav gern noch ein¬
mal ſtramm geſtanden haben. Der würde auch ſicher zu Herzen
gehendere Worte beim Abſchied gefunden haben, als der Pre¬
mierleutnant, welcher erſt vor kurzem zur Eſkadron gekommen
und ohne jene vertrautere Beziehung war, wie ſie bei längerem
gemeinſamen Dienen ſich wohl auch zwiſchen Vorgeſetzten und
Untergebenen entwickeln.
Seine Extrauniform hatte Guſtav an einen neugebackenen
Unteroffizier verkauft; er behielt ſich nichts zurück, als die
Mütze, ein paar Knöpfe und einen Fauſtriemen zur Erinnerung
an die Dienſtzeit.
„Mit dem Reſerviſtenſtocke,“ wie es im Liede heißt, trat
er „die Heimatreiſe an“. Die Nacht durch lag er auf den ver¬
ſchiedenen kleinen Bahnſtrecken, die er benutzen mußte, um von
der Provinzialhauptſtadt in dieſen entlegenen Winkel zu ge¬
langen. Dann wanderte er ein Stück zu Fuß und traf am
Morgen in Halbenau ein.
Das Dorf trat ihm allmählich aus den Herbſtnebeln ent¬
gegen, welche die Flur umfangen hielten: Dach um Dach,
Zaun um Zaun, Baum um Baum. Er kannte ſie alle. Ein
wunderliches, ihm ſelbſt unbekanntes, wehmütiges Behagen
überkam den jungen Menſchen. Fünf Jahre hatte er in der
Kaſerne gelebt, hatte ein Heim nicht mehr gekannt. Frei¬
lich, mit der Stadt ließ ſich das hier ja nicht vergleichen!
aber dieſe Strohdächer, dieſe Lehmwände, die bretterverſchlage¬
nen Giebel hatten doch etwas in ſich, das keine Pracht
ſtädtiſcher Häuſerfronten zu erſetzen vermochte: es war die
Heimat!
Nun bog er in den Weg ein, der nach dem väterlichen
Gute führte. Schon von weitem blickten ihn die Dachfenſter
des Wohnhauſes, wie große ſchwermütige Augen an. Aus
der Kücheneſſe wirbelte gelblicher Rauch in den grauen Herbſt¬
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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/149>, abgerufen am 23.11.2024.
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