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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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XI.

Gustav Büttner hatte zum letztenmale Dienst gethan.
Ein schwermütiges Gefühl überfiel den jungen Mann, als
er seine "Kastanie", die braune Stute, die er als Remonte zu¬
geritten hatte, in ihren Stand zurückführte. Er wies den Stall¬
dienst zurück, der dem Herrn Unteroffizier das Pferd abnehmen
wollte, sattelte und zäumte die Stute selbst ab und legte
ihr die Stalldecke mit besonderer Sorgfalt auf. Während er
das Pferd versorgte, suchte das Thier an seinen Rocktaschen
schnuppernd nach dem Zucker, den er ihr jeden Morgen aus
der Kantine mitzubringen pflegte. Sie stieß ihn ordentlich an
mit dem Maule, als wolle sie ihn mahnen, daß er ihr die
fälligen drei Stückchen Zucker endlich herausgeben solle. Heute
war es eine ganze Düte voll. Er verfütterte den Zucker lang¬
sam, Stück für Stück. Die Braune schniefte vor Wonne in
langgezogenen tiefen Tönen, blähte die Nüstern und trat vor
Vergnügen und gieriger Wonne von einem Beine auf das
andere, während er daneben stand und ihr den Hals klopfte,
mannhaft gegen die Thränen ankämpfend.

Der Abschied von dem Pferde war das Schwerste. Auch
von einzelnen Kameraden trennte sich Gustav ungern. Aber,
im großen und ganzen -- das merkte der junge Mann zu
seinem eigenen Befremden beim Abschiednehmen -- waren die
Bande doch sehr lockere und leichte gewesen, die ihn an die
Truppe und das Soldatenleben geknüpft hatten.

XI.

Guſtav Büttner hatte zum letztenmale Dienſt gethan.
Ein ſchwermütiges Gefühl überfiel den jungen Mann, als
er ſeine „Kaſtanie“, die braune Stute, die er als Remonte zu¬
geritten hatte, in ihren Stand zurückführte. Er wies den Stall¬
dienſt zurück, der dem Herrn Unteroffizier das Pferd abnehmen
wollte, ſattelte und zäumte die Stute ſelbſt ab und legte
ihr die Stalldecke mit beſonderer Sorgfalt auf. Während er
das Pferd verſorgte, ſuchte das Thier an ſeinen Rocktaſchen
ſchnuppernd nach dem Zucker, den er ihr jeden Morgen aus
der Kantine mitzubringen pflegte. Sie ſtieß ihn ordentlich an
mit dem Maule, als wolle ſie ihn mahnen, daß er ihr die
fälligen drei Stückchen Zucker endlich herausgeben ſolle. Heute
war es eine ganze Düte voll. Er verfütterte den Zucker lang¬
ſam, Stück für Stück. Die Braune ſchniefte vor Wonne in
langgezogenen tiefen Tönen, blähte die Nüſtern und trat vor
Vergnügen und gieriger Wonne von einem Beine auf das
andere, während er daneben ſtand und ihr den Hals klopfte,
mannhaft gegen die Thränen ankämpfend.

Der Abſchied von dem Pferde war das Schwerſte. Auch
von einzelnen Kameraden trennte ſich Guſtav ungern. Aber,
im großen und ganzen — das merkte der junge Mann zu
ſeinem eigenen Befremden beim Abſchiednehmen — waren die
Bande doch ſehr lockere und leichte geweſen, die ihn an die
Truppe und das Soldatenleben geknüpft hatten.

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[[134]/0148] XI. Guſtav Büttner hatte zum letztenmale Dienſt gethan. Ein ſchwermütiges Gefühl überfiel den jungen Mann, als er ſeine „Kaſtanie“, die braune Stute, die er als Remonte zu¬ geritten hatte, in ihren Stand zurückführte. Er wies den Stall¬ dienſt zurück, der dem Herrn Unteroffizier das Pferd abnehmen wollte, ſattelte und zäumte die Stute ſelbſt ab und legte ihr die Stalldecke mit beſonderer Sorgfalt auf. Während er das Pferd verſorgte, ſuchte das Thier an ſeinen Rocktaſchen ſchnuppernd nach dem Zucker, den er ihr jeden Morgen aus der Kantine mitzubringen pflegte. Sie ſtieß ihn ordentlich an mit dem Maule, als wolle ſie ihn mahnen, daß er ihr die fälligen drei Stückchen Zucker endlich herausgeben ſolle. Heute war es eine ganze Düte voll. Er verfütterte den Zucker lang¬ ſam, Stück für Stück. Die Braune ſchniefte vor Wonne in langgezogenen tiefen Tönen, blähte die Nüſtern und trat vor Vergnügen und gieriger Wonne von einem Beine auf das andere, während er daneben ſtand und ihr den Hals klopfte, mannhaft gegen die Thränen ankämpfend. Der Abſchied von dem Pferde war das Schwerſte. Auch von einzelnen Kameraden trennte ſich Guſtav ungern. Aber, im großen und ganzen — das merkte der junge Mann zu ſeinem eigenen Befremden beim Abſchiednehmen — waren die Bande doch ſehr lockere und leichte geweſen, die ihn an die Truppe und das Soldatenleben geknüpft hatten.

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. [134]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/148>, abgerufen am 23.11.2024.