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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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"Ob Sie mich auszahlen wollen, Herr Büttner? Ich
dächte, die Sache wäre doch nicht so schwer zu verstehen!"

Der alte Mann bat sich den Wechsel noch einmal aus.
Er drehte ihn um und um in den zitternden Händen, und
blickte ratlos drein, die Buchstaben verschwammen ihm vor den
Augen. Er mußte sich setzen.

Die Bäuerin trieb jetzt die Kinder aus der Stube, sie
sollten den Vater nicht in seiner Schwäche sehen. Nun trat
sie zu ihrem Gatten. "Bis ack ruh'g, Alter! bis ack ruh'g!"
redete sie ihrem Eheherrn zu.

"Jo, Du mei Heiland!" rief der Bauer in heller Ver¬
zweiflung, mit hoher, weinerlich klingender Stimme. "Wos sull
ich denne? Wos wullen Se denne von mir, dohie!"

"Zahlung! Weiter gar nichts! Zahlen Sie mich aus,
Herr Büttner, dann ist alles in Ordnung," erklang die trockene
Antwort.

"Und 's Gald! Wu sull ich denn's Gald harnahmen?
Ich ho's do ne!"

Edmund Schmeiß zuckte die Achseln. Den neuesten Berliner
Gassenhauer vor sich hin pfeifend und mit dem Fuß den Takt
dazu tretend, sah er sich im Zimmer um.

Die beiden Alten berieten sich inzwischen halblaut. Einen
Rest Geld hatte der Bauer noch im Kasten liegen. Es stammte
von dem Korn, das er nun doch vor ein paar Tagen ver¬
kauft. Da er aber die Michaelis-Zinsen und Abgaben davon
bezahlt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Es langte in
keinem Falle zur Deckung des Wechsels.

Kalter Schweiß stand dem alten Manne auf der Stirn.
Starren Blickes, mit bebendem Unterkiefer, auf dem Stuhle
zusammengebrochen hockend, bot er einen kläglichen Anblick.

Die Bäuerin redete ihm zu. "No, Alter, no! ha ack
Karrasche! Dar Herr werd schun, und ar werd a Brinkel
Geduld han."

Dann wandte sie sich an den jungen Mann. Mit
schmeichlerisch unterthänigen Blicken und Mienen, streichelte sie
inm ehrfurchtsvoll die Hand: "Newohr, lieber Herr, Se wern

W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 9

„Ob Sie mich auszahlen wollen, Herr Büttner? Ich
dächte, die Sache wäre doch nicht ſo ſchwer zu verſtehen!“

Der alte Mann bat ſich den Wechſel noch einmal aus.
Er drehte ihn um und um in den zitternden Händen, und
blickte ratlos drein, die Buchſtaben verſchwammen ihm vor den
Augen. Er mußte ſich ſetzen.

Die Bäuerin trieb jetzt die Kinder aus der Stube, ſie
ſollten den Vater nicht in ſeiner Schwäche ſehen. Nun trat
ſie zu ihrem Gatten. „Bis ack ruh'g, Alter! bis ack ruh'g!“
redete ſie ihrem Eheherrn zu.

„Jo, Du mei Heiland!“ rief der Bauer in heller Ver¬
zweiflung, mit hoher, weinerlich klingender Stimme. „Wos ſull
ich denne? Wos wullen Se denne von mir, dohie!“

„Zahlung! Weiter gar nichts! Zahlen Sie mich aus,
Herr Büttner, dann iſt alles in Ordnung,“ erklang die trockene
Antwort.

„Und 's Gald! Wu ſull ich denn's Gald harnahmen?
Ich ho's do ne!“

Edmund Schmeiß zuckte die Achſeln. Den neueſten Berliner
Gaſſenhauer vor ſich hin pfeifend und mit dem Fuß den Takt
dazu tretend, ſah er ſich im Zimmer um.

Die beiden Alten berieten ſich inzwiſchen halblaut. Einen
Reſt Geld hatte der Bauer noch im Kaſten liegen. Es ſtammte
von dem Korn, das er nun doch vor ein paar Tagen ver¬
kauft. Da er aber die Michaelis-Zinſen und Abgaben davon
bezahlt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Es langte in
keinem Falle zur Deckung des Wechſels.

Kalter Schweiß ſtand dem alten Manne auf der Stirn.
Starren Blickes, mit bebendem Unterkiefer, auf dem Stuhle
zuſammengebrochen hockend, bot er einen kläglichen Anblick.

Die Bäuerin redete ihm zu. „No, Alter, no! ha ack
Karraſche! Dar Herr werd ſchun, und ar werd a Brinkel
Geduld han.“

Dann wandte ſie ſich an den jungen Mann. Mit
ſchmeichleriſch unterthänigen Blicken und Mienen, ſtreichelte ſie
inm ehrfurchtsvoll die Hand: „Newohr, lieber Herr, Se wern

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[129/0143] „Ob Sie mich auszahlen wollen, Herr Büttner? Ich dächte, die Sache wäre doch nicht ſo ſchwer zu verſtehen!“ Der alte Mann bat ſich den Wechſel noch einmal aus. Er drehte ihn um und um in den zitternden Händen, und blickte ratlos drein, die Buchſtaben verſchwammen ihm vor den Augen. Er mußte ſich ſetzen. Die Bäuerin trieb jetzt die Kinder aus der Stube, ſie ſollten den Vater nicht in ſeiner Schwäche ſehen. Nun trat ſie zu ihrem Gatten. „Bis ack ruh'g, Alter! bis ack ruh'g!“ redete ſie ihrem Eheherrn zu. „Jo, Du mei Heiland!“ rief der Bauer in heller Ver¬ zweiflung, mit hoher, weinerlich klingender Stimme. „Wos ſull ich denne? Wos wullen Se denne von mir, dohie!“ „Zahlung! Weiter gar nichts! Zahlen Sie mich aus, Herr Büttner, dann iſt alles in Ordnung,“ erklang die trockene Antwort. „Und 's Gald! Wu ſull ich denn's Gald harnahmen? Ich ho's do ne!“ Edmund Schmeiß zuckte die Achſeln. Den neueſten Berliner Gaſſenhauer vor ſich hin pfeifend und mit dem Fuß den Takt dazu tretend, ſah er ſich im Zimmer um. Die beiden Alten berieten ſich inzwiſchen halblaut. Einen Reſt Geld hatte der Bauer noch im Kaſten liegen. Es ſtammte von dem Korn, das er nun doch vor ein paar Tagen ver¬ kauft. Da er aber die Michaelis-Zinſen und Abgaben davon bezahlt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Es langte in keinem Falle zur Deckung des Wechſels. Kalter Schweiß ſtand dem alten Manne auf der Stirn. Starren Blickes, mit bebendem Unterkiefer, auf dem Stuhle zuſammengebrochen hockend, bot er einen kläglichen Anblick. Die Bäuerin redete ihm zu. „No, Alter, no! ha ack Karraſche! Dar Herr werd ſchun, und ar werd a Brinkel Geduld han.“ Dann wandte ſie ſich an den jungen Mann. Mit ſchmeichleriſch unterthänigen Blicken und Mienen, ſtreichelte ſie inm ehrfurchtsvoll die Hand: „Newohr, lieber Herr, Se wern W. v. Polenz, Der Büttnerbauer. 9

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/143>, abgerufen am 23.11.2024.