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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Nach einigen Schritten ins Zimmer erblickte er die
Kaffeekanne auf dem Tische. In den betretenen Mienen der
Frauen las er das übrige.

Dann fiel sein Blick auf Pauline Katschner. Er stutzte.
Was wollte das Frauenzimmer hier? Er zog die Augenbrauen
zusammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, an die Lieb¬
schaft seines Sohnes erinnert zu werden!

Die Bäuerin sah, daß die Lage bedenklich wurde. Erst
wenige Tage war es her, da hatte der Bauer erfahren, daß
seine älteste Tochter ein Kind erwarte. Der Auftritt, den
es darüber gegeben hatte, lag den Frauen noch allen in
den Gliedern. Die Bäuerin kannte ihren Eheherrn. Die
Adern an der Stirn schwollen ihm; ein schwerer Sturm war
im Anzuge. Es galt, den Ausbruch zu verhindern.

Sie kam zu ihm herangehumpelt und legte ihm die Hand
auf die Schulter. "Traugott!" sagte sie, und gab ihrer
Stimme den sanftesten Klang, der ihr zu Gebote stand. "Mir
han'ch ane Neege Kaffee gekucht; bis ack ne biese! Zu aner
Tasse Kaffee an Sunntch Namittage langt's schun noche!"

Der Bauer räusperte sich. Sie kannte seine Gewohnheiten
genau. Das war eine Art von Ausholen; wenn man ihn
erst einmal losbrechen ließ, dann wurde es furchtbar. Die
erfahrene Frau sah ein, daß sie jetzt einen Trumpf ausspielen
müsse.

"Vater!" sagte sie. "Mir han och ene gutte Nachricht fir
Dich, ane sihre gutte Nachricht von Gustaven. Denk' der ack,
ar hat geschrieben, und ar will vun die Suldaten furt. Schun
uf'n kinftgen Herbst will er nach Halbenau zuricke kimma, dar
Gustav! Was sagst De denn anu, Mann! Freist De Dich ne?
Nu warn mer unsern Jung'n bale wieder ganz in Hause han."

Die Bäuerin hatte sich nicht verrechnet. Diese Nachricht
wirkte bei dem Alten wie ein Tropfen Öl auf erregte
Wogen. Gustav nach Halbenau zurück! Die Hoffnung, die
er solange im Stillen gehegt hatte und die sich doch nicht er¬
füllen wollte bisher, weil der Junge zu sehr am bunten Rocke
hing -- und nun wurde es doch endlich! Einen solchen Arbeiter

Nach einigen Schritten ins Zimmer erblickte er die
Kaffeekanne auf dem Tiſche. In den betretenen Mienen der
Frauen las er das übrige.

Dann fiel ſein Blick auf Pauline Katſchner. Er ſtutzte.
Was wollte das Frauenzimmer hier? Er zog die Augenbrauen
zuſammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, an die Lieb¬
ſchaft ſeines Sohnes erinnert zu werden!

Die Bäuerin ſah, daß die Lage bedenklich wurde. Erſt
wenige Tage war es her, da hatte der Bauer erfahren, daß
ſeine älteſte Tochter ein Kind erwarte. Der Auftritt, den
es darüber gegeben hatte, lag den Frauen noch allen in
den Gliedern. Die Bäuerin kannte ihren Eheherrn. Die
Adern an der Stirn ſchwollen ihm; ein ſchwerer Sturm war
im Anzuge. Es galt, den Ausbruch zu verhindern.

Sie kam zu ihm herangehumpelt und legte ihm die Hand
auf die Schulter. „Traugott!“ ſagte ſie, und gab ihrer
Stimme den ſanfteſten Klang, der ihr zu Gebote ſtand. „Mir
han'ch ane Neege Kaffee gekucht; bis ack ne bieſe! Zu aner
Taſſe Kaffee an Sunntch Namittage langt's ſchun noche!“

Der Bauer räuſperte ſich. Sie kannte ſeine Gewohnheiten
genau. Das war eine Art von Ausholen; wenn man ihn
erſt einmal losbrechen ließ, dann wurde es furchtbar. Die
erfahrene Frau ſah ein, daß ſie jetzt einen Trumpf ausſpielen
müſſe.

„Vater!“ ſagte ſie. „Mir han och ene gutte Nachricht fir
Dich, ane ſihre gutte Nachricht von Guſtaven. Denk' der ack,
ar hat geſchrieben, und ar will vun die Suldaten furt. Schun
uf'n kinftgen Herbſt will er nach Halbenau zuricke kimma, dar
Guſtav! Was ſagſt De denn anu, Mann! Freiſt De Dich ne?
Nu warn mer unſern Jung'n bale wieder ganz in Hauſe han.“

Die Bäuerin hatte ſich nicht verrechnet. Dieſe Nachricht
wirkte bei dem Alten wie ein Tropfen Öl auf erregte
Wogen. Guſtav nach Halbenau zurück! Die Hoffnung, die
er ſolange im Stillen gehegt hatte und die ſich doch nicht er¬
füllen wollte bisher, weil der Junge zu ſehr am bunten Rocke
hing — und nun wurde es doch endlich! Einen ſolchen Arbeiter

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[111/0125] Nach einigen Schritten ins Zimmer erblickte er die Kaffeekanne auf dem Tiſche. In den betretenen Mienen der Frauen las er das übrige. Dann fiel ſein Blick auf Pauline Katſchner. Er ſtutzte. Was wollte das Frauenzimmer hier? Er zog die Augenbrauen zuſammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, an die Lieb¬ ſchaft ſeines Sohnes erinnert zu werden! Die Bäuerin ſah, daß die Lage bedenklich wurde. Erſt wenige Tage war es her, da hatte der Bauer erfahren, daß ſeine älteſte Tochter ein Kind erwarte. Der Auftritt, den es darüber gegeben hatte, lag den Frauen noch allen in den Gliedern. Die Bäuerin kannte ihren Eheherrn. Die Adern an der Stirn ſchwollen ihm; ein ſchwerer Sturm war im Anzuge. Es galt, den Ausbruch zu verhindern. Sie kam zu ihm herangehumpelt und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Traugott!“ ſagte ſie, und gab ihrer Stimme den ſanfteſten Klang, der ihr zu Gebote ſtand. „Mir han'ch ane Neege Kaffee gekucht; bis ack ne bieſe! Zu aner Taſſe Kaffee an Sunntch Namittage langt's ſchun noche!“ Der Bauer räuſperte ſich. Sie kannte ſeine Gewohnheiten genau. Das war eine Art von Ausholen; wenn man ihn erſt einmal losbrechen ließ, dann wurde es furchtbar. Die erfahrene Frau ſah ein, daß ſie jetzt einen Trumpf ausſpielen müſſe. „Vater!“ ſagte ſie. „Mir han och ene gutte Nachricht fir Dich, ane ſihre gutte Nachricht von Guſtaven. Denk' der ack, ar hat geſchrieben, und ar will vun die Suldaten furt. Schun uf'n kinftgen Herbſt will er nach Halbenau zuricke kimma, dar Guſtav! Was ſagſt De denn anu, Mann! Freiſt De Dich ne? Nu warn mer unſern Jung'n bale wieder ganz in Hauſe han.“ Die Bäuerin hatte ſich nicht verrechnet. Dieſe Nachricht wirkte bei dem Alten wie ein Tropfen Öl auf erregte Wogen. Guſtav nach Halbenau zurück! Die Hoffnung, die er ſolange im Stillen gehegt hatte und die ſich doch nicht er¬ füllen wollte bisher, weil der Junge zu ſehr am bunten Rocke hing — und nun wurde es doch endlich! Einen ſolchen Arbeiter

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/125>, abgerufen am 19.05.2024.