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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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Pauline mit mißgünstigen Blicken. "Willst De zu uns?"
fragte sie in barschem Tone. Pauline erklärte schüchtern, daß
sie zur Bäuerin wolle. "Se spricht, se wollte zu Sie, Mutter!"
erklärte Therese, ihren kropfigen Hals nach rückwärts ins
Zimmer drehend.

"Nu kimm ack rei, Pauline, kimm ack rei!" rief die
Bäuerin, bei der die Gutmütigkeit die weibliche Ränkesucht
um ein Gutes überwog.

Pauline trat mit niedergeschlagenen Augen und unsicheren
Bewegungen ein. Daß auch gerade Therese sie hatte einlassen
müssen! Die beiden waren ungefähr gleichalterig und hatten
derselben Klasse angehört. Katschners Pauline hatte immer
eine besondere Stellung gehabt, schon auf der Schule, ihrer
Geschicklichkeit und ihres sauberen Aussehens wegen. Vor
allem aber war sie beneidet worden von den andern um
ihren vertrauten Umgang mit der Komtesse. Therese aber,
die mit Hilfe anderer Eigenschaften, durch: Härte, Kraft
und ein frühzeitig entwickeltes scharfes Mundwerk, eine Rolle
unter den Gleichalterigen gespielt hatte, war stets Paulinens
ärgste Widersacherin gewesen. Das Verhältnis zwischen den
beiden hatte sich eher verschlechtert als gebessert, seit Therese
den ältesten Sohn aus dem Büttnerschen Bauerngut geheiratet,
und Pauline die Geliebte des jüngeren Sohnes geworden
war. Therese hatte nicht wenig dazu beigetragen, die übrige
Familie gegen diese Liebschaft einzunehmen und Paulinen
jede Annäherung an Gustavs Verwandte bisher unmöglich zu
machen.

Das Mädchen schritt zunächst auf die Bäuerin zu, die vor
ihrer Tasse am Tische saß, und reichte ihr die Hand. "Guntag,
Bäuern!"

"Guntag, Pauline, guntag!"

Darauf ging Pauline zu den beiden Mädchen, denen sie
gleichfalls die Hand reichte. "Guntag Toni! -- Guntag
Ernstinel!" Die beiden sahen sie befremdet an, ohne etwas
zu sagen. Toni war ohne Arg. Das schwerfällige, harmlose
Geschöpf hatte keinerlei Stellung zu dieser Familienangelegen¬

Pauline mit mißgünſtigen Blicken. „Willſt De zu uns?“
fragte ſie in barſchem Tone. Pauline erklärte ſchüchtern, daß
ſie zur Bäuerin wolle. „Se ſpricht, ſe wollte zu Sie, Mutter!“
erklärte Thereſe, ihren kropfigen Hals nach rückwärts ins
Zimmer drehend.

„Nu kimm ack rei, Pauline, kimm ack rei!“ rief die
Bäuerin, bei der die Gutmütigkeit die weibliche Ränkeſucht
um ein Gutes überwog.

Pauline trat mit niedergeſchlagenen Augen und unſicheren
Bewegungen ein. Daß auch gerade Thereſe ſie hatte einlaſſen
müſſen! Die beiden waren ungefähr gleichalterig und hatten
derſelben Klaſſe angehört. Katſchners Pauline hatte immer
eine beſondere Stellung gehabt, ſchon auf der Schule, ihrer
Geſchicklichkeit und ihres ſauberen Ausſehens wegen. Vor
allem aber war ſie beneidet worden von den andern um
ihren vertrauten Umgang mit der Komteſſe. Thereſe aber,
die mit Hilfe anderer Eigenſchaften, durch: Härte, Kraft
und ein frühzeitig entwickeltes ſcharfes Mundwerk, eine Rolle
unter den Gleichalterigen geſpielt hatte, war ſtets Paulinens
ärgſte Widerſacherin geweſen. Das Verhältnis zwiſchen den
beiden hatte ſich eher verſchlechtert als gebeſſert, ſeit Thereſe
den älteſten Sohn aus dem Büttnerſchen Bauerngut geheiratet,
und Pauline die Geliebte des jüngeren Sohnes geworden
war. Thereſe hatte nicht wenig dazu beigetragen, die übrige
Familie gegen dieſe Liebſchaft einzunehmen und Paulinen
jede Annäherung an Guſtavs Verwandte bisher unmöglich zu
machen.

Das Mädchen ſchritt zunächſt auf die Bäuerin zu, die vor
ihrer Taſſe am Tiſche ſaß, und reichte ihr die Hand. „Guntag,
Bäuern!“

„Guntag, Pauline, guntag!“

Darauf ging Pauline zu den beiden Mädchen, denen ſie
gleichfalls die Hand reichte. „Guntag Toni! — Guntag
Ernſtinel!“ Die beiden ſahen ſie befremdet an, ohne etwas
zu ſagen. Toni war ohne Arg. Das ſchwerfällige, harmloſe
Geſchöpf hatte keinerlei Stellung zu dieſer Familienangelegen¬

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[107/0121] Pauline mit mißgünſtigen Blicken. „Willſt De zu uns?“ fragte ſie in barſchem Tone. Pauline erklärte ſchüchtern, daß ſie zur Bäuerin wolle. „Se ſpricht, ſe wollte zu Sie, Mutter!“ erklärte Thereſe, ihren kropfigen Hals nach rückwärts ins Zimmer drehend. „Nu kimm ack rei, Pauline, kimm ack rei!“ rief die Bäuerin, bei der die Gutmütigkeit die weibliche Ränkeſucht um ein Gutes überwog. Pauline trat mit niedergeſchlagenen Augen und unſicheren Bewegungen ein. Daß auch gerade Thereſe ſie hatte einlaſſen müſſen! Die beiden waren ungefähr gleichalterig und hatten derſelben Klaſſe angehört. Katſchners Pauline hatte immer eine beſondere Stellung gehabt, ſchon auf der Schule, ihrer Geſchicklichkeit und ihres ſauberen Ausſehens wegen. Vor allem aber war ſie beneidet worden von den andern um ihren vertrauten Umgang mit der Komteſſe. Thereſe aber, die mit Hilfe anderer Eigenſchaften, durch: Härte, Kraft und ein frühzeitig entwickeltes ſcharfes Mundwerk, eine Rolle unter den Gleichalterigen geſpielt hatte, war ſtets Paulinens ärgſte Widerſacherin geweſen. Das Verhältnis zwiſchen den beiden hatte ſich eher verſchlechtert als gebeſſert, ſeit Thereſe den älteſten Sohn aus dem Büttnerſchen Bauerngut geheiratet, und Pauline die Geliebte des jüngeren Sohnes geworden war. Thereſe hatte nicht wenig dazu beigetragen, die übrige Familie gegen dieſe Liebſchaft einzunehmen und Paulinen jede Annäherung an Guſtavs Verwandte bisher unmöglich zu machen. Das Mädchen ſchritt zunächſt auf die Bäuerin zu, die vor ihrer Taſſe am Tiſche ſaß, und reichte ihr die Hand. „Guntag, Bäuern!“ „Guntag, Pauline, guntag!“ Darauf ging Pauline zu den beiden Mädchen, denen ſie gleichfalls die Hand reichte. „Guntag Toni! — Guntag Ernſtinel!“ Die beiden ſahen ſie befremdet an, ohne etwas zu ſagen. Toni war ohne Arg. Das ſchwerfällige, harmloſe Geſchöpf hatte keinerlei Stellung zu dieſer Familienangelegen¬

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/121>, abgerufen am 23.11.2024.