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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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so etwas erhört! Darin erblickte er eine ganz besondere
Niederträchtigkeit von Seiten seines Schwagers. Ein einge¬
schriebener Brief! Er hatte da dem Postboten sogar noch etwas
unterschreiben müssen. Und dabei wohnte sein Schwager einige
hundert Schritte von ihm. Man konnte sich vom Büttnerschen
Gute zum Kretscham mit einigermaßen lauter Stimme etwas
zurufen.

Wäre Kaschelernst an jenem Tage dem Schwager in den
Wurf gekommen, es hätte wohl ein Unglück gegeben.

Und das war noch nicht einmal alles. An verschiedenen
Stellen drückte den Bauern der Schuh. Der Viehhändler,
dem die Kuh immer noch nicht ganz bezahlt war, hatte ge¬
mahnt. Die Gemeindeanlagen waren fällig für mehrere
Termine. Der Büttnerbauer hatte sein Bargeld immer und
immer wieder überzählt und seinen Kopf angestrengt. Er
wußte keine Hilfsquellen mehr. Er würde schuldig bleiben
müssen, und in der Ferne drohte das Schreckgespenst der
Pfändung.

"Ist es nicht ein wahrer Segen Gottes!" rief Sam und
blieb vor dem großen Kornfelde stehen, dicht am Hofe. "Hier
wächst doch wirklich das reine Gold aus dem Boden!"

Das Wort löste dem Büttnerbauer die Zunge. Natürlich
fiel er nicht mit der Thür ins Haus. Nach seiner bäuerisch
verschlossenen, mißtrauischen Art fing er an ganz entlegener
Stelle an, und kam dann allmählich seinem Gegenstande vor¬
sichtig näher.

Der Händler ließ sich erzählen. Mit teilnahmsvollem
Gesichte hörte er zu. Als der Bauer schließlich soweit war,
daß er ihm rückhaltslos seine mißliche Lage eröffnete, nahm
Sam eine ernstlich betrübte Miene an. Das thue ihm von
Herzen leid, sagte er. "Ja, was wird denn da werden, mein
guter Büttner? Die Gläubiger werden sich mit bloßen
Versprechungen wohl nicht beruhigen. Was wird denn da
werden?"

"Ja, wißten Sie nich an Rat, Herr Harrassowitz?"

"Ich! -- Ich bitte Sie mein Bester, wie könnte ich Ihnen

ſo etwas erhört! Darin erblickte er eine ganz beſondere
Niederträchtigkeit von Seiten ſeines Schwagers. Ein einge¬
ſchriebener Brief! Er hatte da dem Poſtboten ſogar noch etwas
unterſchreiben müſſen. Und dabei wohnte ſein Schwager einige
hundert Schritte von ihm. Man konnte ſich vom Büttnerſchen
Gute zum Kretſcham mit einigermaßen lauter Stimme etwas
zurufen.

Wäre Kaſchelernſt an jenem Tage dem Schwager in den
Wurf gekommen, es hätte wohl ein Unglück gegeben.

Und das war noch nicht einmal alles. An verſchiedenen
Stellen drückte den Bauern der Schuh. Der Viehhändler,
dem die Kuh immer noch nicht ganz bezahlt war, hatte ge¬
mahnt. Die Gemeindeanlagen waren fällig für mehrere
Termine. Der Büttnerbauer hatte ſein Bargeld immer und
immer wieder überzählt und ſeinen Kopf angeſtrengt. Er
wußte keine Hilfsquellen mehr. Er würde ſchuldig bleiben
müſſen, und in der Ferne drohte das Schreckgeſpenſt der
Pfändung.

„Iſt es nicht ein wahrer Segen Gottes!“ rief Sam und
blieb vor dem großen Kornfelde ſtehen, dicht am Hofe. „Hier
wächſt doch wirklich das reine Gold aus dem Boden!“

Das Wort löſte dem Büttnerbauer die Zunge. Natürlich
fiel er nicht mit der Thür ins Haus. Nach ſeiner bäueriſch
verſchloſſenen, mißtrauiſchen Art fing er an ganz entlegener
Stelle an, und kam dann allmählich ſeinem Gegenſtande vor¬
ſichtig näher.

Der Händler ließ ſich erzählen. Mit teilnahmsvollem
Geſichte hörte er zu. Als der Bauer ſchließlich ſoweit war,
daß er ihm rückhaltslos ſeine mißliche Lage eröffnete, nahm
Sam eine ernſtlich betrübte Miene an. Das thue ihm von
Herzen leid, ſagte er. „Ja, was wird denn da werden, mein
guter Büttner? Die Gläubiger werden ſich mit bloßen
Verſprechungen wohl nicht beruhigen. Was wird denn da
werden?“

„Ja, wißten Sie nich an Rat, Herr Harraſſowitz?“

„Ich! — Ich bitte Sie mein Beſter, wie könnte ich Ihnen

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[91/0105] ſo etwas erhört! Darin erblickte er eine ganz beſondere Niederträchtigkeit von Seiten ſeines Schwagers. Ein einge¬ ſchriebener Brief! Er hatte da dem Poſtboten ſogar noch etwas unterſchreiben müſſen. Und dabei wohnte ſein Schwager einige hundert Schritte von ihm. Man konnte ſich vom Büttnerſchen Gute zum Kretſcham mit einigermaßen lauter Stimme etwas zurufen. Wäre Kaſchelernſt an jenem Tage dem Schwager in den Wurf gekommen, es hätte wohl ein Unglück gegeben. Und das war noch nicht einmal alles. An verſchiedenen Stellen drückte den Bauern der Schuh. Der Viehhändler, dem die Kuh immer noch nicht ganz bezahlt war, hatte ge¬ mahnt. Die Gemeindeanlagen waren fällig für mehrere Termine. Der Büttnerbauer hatte ſein Bargeld immer und immer wieder überzählt und ſeinen Kopf angeſtrengt. Er wußte keine Hilfsquellen mehr. Er würde ſchuldig bleiben müſſen, und in der Ferne drohte das Schreckgeſpenſt der Pfändung. „Iſt es nicht ein wahrer Segen Gottes!“ rief Sam und blieb vor dem großen Kornfelde ſtehen, dicht am Hofe. „Hier wächſt doch wirklich das reine Gold aus dem Boden!“ Das Wort löſte dem Büttnerbauer die Zunge. Natürlich fiel er nicht mit der Thür ins Haus. Nach ſeiner bäueriſch verſchloſſenen, mißtrauiſchen Art fing er an ganz entlegener Stelle an, und kam dann allmählich ſeinem Gegenſtande vor¬ ſichtig näher. Der Händler ließ ſich erzählen. Mit teilnahmsvollem Geſichte hörte er zu. Als der Bauer ſchließlich ſoweit war, daß er ihm rückhaltslos ſeine mißliche Lage eröffnete, nahm Sam eine ernſtlich betrübte Miene an. Das thue ihm von Herzen leid, ſagte er. „Ja, was wird denn da werden, mein guter Büttner? Die Gläubiger werden ſich mit bloßen Verſprechungen wohl nicht beruhigen. Was wird denn da werden?“ „Ja, wißten Sie nich an Rat, Herr Harraſſowitz?“ „Ich! — Ich bitte Sie mein Beſter, wie könnte ich Ihnen

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/105>, abgerufen am 27.11.2024.