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Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895.

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dächtnis rufen. Nun dämmerte es in den verdutzten Mienen
des Alten. Er schüttelte dem Händler kräftig die Hand.
"Herr Harrassowitz, ich hätt' Se, weeß der Hole, bale ne der¬
kennt. Das is schene vun Sie, daß Sie och mal zu uns
nauskumma -- das is racht!"

In der Freude des Bauern lag nichts Erheucheltes. Er
rechnete es dem Städter hoch an, daß er ihn auf dem Dorfe
aufsuchte, und war sogar, bis zu einem gewissen Grade, stolz
auf diesen Besuch.

Der Bauer band sich den Sack ab und gab ihn Karl
zum Tragen. Dann schritt man zu Dreien langsam auf dem
Wiesenpfade dem Gehöfte zu. Karl ging in respektvoller Ent¬
fernung hinter dem Vater und dem fremden Herrn drein.

Harrassowitz lobte alles, was er sah. Nach seinem Urteil
war der Boden ausgezeichnet, die Wiesen in bester Kultur und
der Stand der Feldfrüchte ließ nichts zu wünschen übrig.
Dem alten Bauern mundeten die Lobeserhebungen des Händlers
wie Honigseim. Er schmunzelte vergnügt in sich hinein.

"Sie werden eine glänzende Ernte machen, mein guter
Herr Büttner!" sagte Harrassowitz. "Ich gönne es Ihnen von
Herzen; denn hier in dem Boden steckt Arbeit, das sieht man."

"Gab's Gott! Gab's dar liebe Gott!" erwiderte der Alte
und bekreuzigte sich dabei. Es war ihm eigentlich nicht recht,
daß der andere eine solche Prophezeiung ausgesprochen hatte.
Man durfte nichts berufen. "Gebraucha kennten mer schun
ane gute Ernte. Aber, da kann Sie nuch mancherlei für sich
giehn, bis dohie." Er seufzte.

Der Büttnerbauer hatte gerade in den letzten Tagen
wieder schwere Sorgen durchzumachen gehabt.

Sein Schwager Kaschel hatte ihm, durch eingeschriebenen
Brief, seine Hypothek von siebzehnhundert Mark gekündigt.
Das hatte wie ein Blitz aus heiterem Himmel gewirkt.
Woher das Geld herbeischaffen für diese an letzter Stelle
eingetragene Hypothek! Mehr noch aber als die Kündigung
hatte den Büttnerbauer ihre Form geärgert, ja geradezu
in helle Wut versetzt. Ein eingeschriebener Brief! War

dächtnis rufen. Nun dämmerte es in den verdutzten Mienen
des Alten. Er ſchüttelte dem Händler kräftig die Hand.
„Herr Harraſſowitz, ich hätt' Se, weeß der Hole, bale ne der¬
kennt. Das is ſchene vun Sie, daß Sie och mal zu uns
nauskumma — das is racht!“

In der Freude des Bauern lag nichts Erheucheltes. Er
rechnete es dem Städter hoch an, daß er ihn auf dem Dorfe
aufſuchte, und war ſogar, bis zu einem gewiſſen Grade, ſtolz
auf dieſen Beſuch.

Der Bauer band ſich den Sack ab und gab ihn Karl
zum Tragen. Dann ſchritt man zu Dreien langſam auf dem
Wieſenpfade dem Gehöfte zu. Karl ging in reſpektvoller Ent¬
fernung hinter dem Vater und dem fremden Herrn drein.

Harraſſowitz lobte alles, was er ſah. Nach ſeinem Urteil
war der Boden ausgezeichnet, die Wieſen in beſter Kultur und
der Stand der Feldfrüchte ließ nichts zu wünſchen übrig.
Dem alten Bauern mundeten die Lobeserhebungen des Händlers
wie Honigſeim. Er ſchmunzelte vergnügt in ſich hinein.

„Sie werden eine glänzende Ernte machen, mein guter
Herr Büttner!“ ſagte Harraſſowitz. „Ich gönne es Ihnen von
Herzen; denn hier in dem Boden ſteckt Arbeit, das ſieht man.“

„Gab's Gott! Gab's dar liebe Gott!“ erwiderte der Alte
und bekreuzigte ſich dabei. Es war ihm eigentlich nicht recht,
daß der andere eine ſolche Prophezeiung ausgeſprochen hatte.
Man durfte nichts berufen. „Gebraucha kennten mer ſchun
ane gute Ernte. Aber, da kann Sie nuch mancherlei für ſich
giehn, bis dohie.“ Er ſeufzte.

Der Büttnerbauer hatte gerade in den letzten Tagen
wieder ſchwere Sorgen durchzumachen gehabt.

Sein Schwager Kaſchel hatte ihm, durch eingeſchriebenen
Brief, ſeine Hypothek von ſiebzehnhundert Mark gekündigt.
Das hatte wie ein Blitz aus heiterem Himmel gewirkt.
Woher das Geld herbeiſchaffen für dieſe an letzter Stelle
eingetragene Hypothek! Mehr noch aber als die Kündigung
hatte den Büttnerbauer ihre Form geärgert, ja geradezu
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[90/0104] dächtnis rufen. Nun dämmerte es in den verdutzten Mienen des Alten. Er ſchüttelte dem Händler kräftig die Hand. „Herr Harraſſowitz, ich hätt' Se, weeß der Hole, bale ne der¬ kennt. Das is ſchene vun Sie, daß Sie och mal zu uns nauskumma — das is racht!“ In der Freude des Bauern lag nichts Erheucheltes. Er rechnete es dem Städter hoch an, daß er ihn auf dem Dorfe aufſuchte, und war ſogar, bis zu einem gewiſſen Grade, ſtolz auf dieſen Beſuch. Der Bauer band ſich den Sack ab und gab ihn Karl zum Tragen. Dann ſchritt man zu Dreien langſam auf dem Wieſenpfade dem Gehöfte zu. Karl ging in reſpektvoller Ent¬ fernung hinter dem Vater und dem fremden Herrn drein. Harraſſowitz lobte alles, was er ſah. Nach ſeinem Urteil war der Boden ausgezeichnet, die Wieſen in beſter Kultur und der Stand der Feldfrüchte ließ nichts zu wünſchen übrig. Dem alten Bauern mundeten die Lobeserhebungen des Händlers wie Honigſeim. Er ſchmunzelte vergnügt in ſich hinein. „Sie werden eine glänzende Ernte machen, mein guter Herr Büttner!“ ſagte Harraſſowitz. „Ich gönne es Ihnen von Herzen; denn hier in dem Boden ſteckt Arbeit, das ſieht man.“ „Gab's Gott! Gab's dar liebe Gott!“ erwiderte der Alte und bekreuzigte ſich dabei. Es war ihm eigentlich nicht recht, daß der andere eine ſolche Prophezeiung ausgeſprochen hatte. Man durfte nichts berufen. „Gebraucha kennten mer ſchun ane gute Ernte. Aber, da kann Sie nuch mancherlei für ſich giehn, bis dohie.“ Er ſeufzte. Der Büttnerbauer hatte gerade in den letzten Tagen wieder ſchwere Sorgen durchzumachen gehabt. Sein Schwager Kaſchel hatte ihm, durch eingeſchriebenen Brief, ſeine Hypothek von ſiebzehnhundert Mark gekündigt. Das hatte wie ein Blitz aus heiterem Himmel gewirkt. Woher das Geld herbeiſchaffen für dieſe an letzter Stelle eingetragene Hypothek! Mehr noch aber als die Kündigung hatte den Büttnerbauer ihre Form geärgert, ja geradezu in helle Wut verſetzt. Ein eingeſchriebener Brief! War

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Zitationshilfe: Polenz, Wilhelm von: Der Büttnerbauer. Berlin, 1895, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/polenz_buettnerbauer_1895/104>, abgerufen am 23.11.2024.