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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Als wie die wüsten Wind' im wilden Meere brausen. ppo_460.002
Jhr Rachen thut sich auf, wirft Feuer aus und Gift; ppo_460.003
Die Zähne beißen sich, die braune Zunge kifft, ppo_460.004
Die donnert, hagelt, flucht, läßt nichts sonst von sich ppo_460.005
spüren, ppo_460.006
Und machet ein Geschrei, als zwanzig Bauern führen. ppo_460.007
Sie hüpft, sie rennt, sie springt, als wie ein rasend Pferd, ppo_460.008
Jst gleich die Sach' oftmals nicht eines Dreiers werth. ppo_460.009
Wenns hoch kommt, ist die Katz' ihr in den Topf gekrochen, ppo_460.010
Und hat den Topf geleckt und ungefähr zerbrochen; ppo_460.011
Die Köchin hat das Fleisch versalzen und verwürzt, ppo_460.012
Auch ist der Essigkrug beim Ofen umgestürzt. ppo_460.013
Wann nun der frommen Frau die Bosheit ist vergangen; ppo_460.014
So kommt ihr wieder an ein Sehnen und Verlangen ppo_460.015
Nach Hoffahrt. Jst dies nicht, spricht sie, die neuste Tracht? ppo_460.016
Man hat sie nur jetzund aus Frankreich mitgebracht, ppo_460.017
Mein herzer Mann, seht doch, wie schön steht der die Mütze; ppo_460.018
Mein Herzensmännchen seht, wie hübsch ist diese Spitze. ppo_460.019
Mein Rock ist hier ganz kahl, ich muß mich drinnen schämen! ppo_460.020
Was werd' ich immermehr für Farbe wieder nehmen? ppo_460.021
Roth, grün, blau, gelb und schwarz, die sind gar zu gemein; ppo_460.022
Wenn ich was haben soll, so hab' ichs gern allein. ppo_460.023
Dem armen Mann wird bang. Er sitzt dort, wie auf ppo_460.024
Kohlen; ppo_460.025
Was hilfts? Sie läßt nicht ab, er muß den Beutel hohlen. ppo_460.026
Ob er sich noch so sehr mit vielen Worten wehrt; ppo_460.027
So muß er geben her, so viel sie nur begehrt. ppo_460.028
Nun Beutel, ei, ei, ei; jetzt wirst du müssen schwitzen; ppo_460.029
Gieb Geld zur neuen Pracht; gieb Geld zur Mütz' und ppo_460.030
Spitzen, ppo_460.031
Gieb ganz her, was du hast, die Frau hält stürmisch an; ppo_460.032
Ach gieb, gieb bald! sollt' auch der letzte Heller dran. ppo_460.033
Wann nur der Kaufmann hat das Geld; so sitzt die Docke, ppo_460.034
Und sperrt sich, prangt und prahlt in ihrem bunten Rocke.
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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/472>, abgerufen am 26.06.2024.