Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite

ppo_447.001
er in die Saiten des Gottes der Schönheit, dankbar ppo_447.002
froh besingend die schöne Sonne, den glänzenden See, ppo_447.003
und sein unschuldiges seliges Leben. Sanft, wie seine ppo_447.004
Gestalt, war das harmonische Lied; lange Wellen zog ppo_447.005
er daher in süßen entschlummernden Tönen, bis er ppo_447.006
sich -- im Elysium wieder fand, am Fuße des Apollo ppo_447.007
in seiner wahren himmlischen Schönheit. Der Gesang, ppo_447.008
der ihm im Leben versagt war, war sein Schwanengesang ppo_447.009
geworden, der sanft seine Glieder auflösete; denn ppo_447.010
er hatte den Ton der Unsterblichen gehört, und das ppo_447.011
Antlitz eines Gottes gesehen. Dankbar schmiegte er sich ppo_447.012
an den Fuß Apollo's und horchte seinen göttlichen Tönen, ppo_447.013
als eben auch sein treues Weib ankam, die sich in ppo_447.014
süßem Gesange ihm nach zu Tode geklaget. Die Göttin ppo_447.015
der Unschuld nahm beide zu ihren Lieblingen an; ppo_447.016
das schöne Gespann ihres Muschelwagens, wenn sie im ppo_447.017
See der Jugend badet.

ppo_447.018

Gedulde dich, stilles, hoffendes Herz! Was dir im ppo_447.019
Leben versagt ist, weil du es nicht ertragen konntest, ppo_447.020
giebt dir der Augenblick deines Todes!

ppo_447.021

2) von v. Herder.

ppo_447.022

Die Sterne.

ppo_447.023

Müde und matt war Daniel von seinen Gesichten ppo_447.024
der Zukunft, die ihm so oft seine Kraft genommen, und ppo_447.025
ihn mit Schauder erfüllet hatten; als endlich Einer aus ppo_447.026
dem Rathe der Wächter zu ihm sprach: "Gehe hin, ppo_447.027
Daniel, und ruhe, bis das Ende komme, daß du aufstehest ppo_447.028
in deinem Theile am Ende der Tage!"

ppo_447.029

Gelassen hörte Daniel das räthselhafte Wort und ppo_447.030
sprach zu dem Manne, der neben ihm stand: "Meinest ppo_447.031
du, Herr, daß diese Gebeine werden wieder grünen?" ppo_447.032
Und der himmlische Bote nahm ihn bei der Hand, und ppo_447.033
zeigte ihm den Himmel voll leuchtender Sterne. "Viele,

ppo_447.001
er in die Saiten des Gottes der Schönheit, dankbar ppo_447.002
froh besingend die schöne Sonne, den glänzenden See, ppo_447.003
und sein unschuldiges seliges Leben. Sanft, wie seine ppo_447.004
Gestalt, war das harmonische Lied; lange Wellen zog ppo_447.005
er daher in süßen entschlummernden Tönen, bis er ppo_447.006
sich — im Elysium wieder fand, am Fuße des Apollo ppo_447.007
in seiner wahren himmlischen Schönheit. Der Gesang, ppo_447.008
der ihm im Leben versagt war, war sein Schwanengesang ppo_447.009
geworden, der sanft seine Glieder auflösete; denn ppo_447.010
er hatte den Ton der Unsterblichen gehört, und das ppo_447.011
Antlitz eines Gottes gesehen. Dankbar schmiegte er sich ppo_447.012
an den Fuß Apollo's und horchte seinen göttlichen Tönen, ppo_447.013
als eben auch sein treues Weib ankam, die sich in ppo_447.014
süßem Gesange ihm nach zu Tode geklaget. Die Göttin ppo_447.015
der Unschuld nahm beide zu ihren Lieblingen an; ppo_447.016
das schöne Gespann ihres Muschelwagens, wenn sie im ppo_447.017
See der Jugend badet.

ppo_447.018

Gedulde dich, stilles, hoffendes Herz! Was dir im ppo_447.019
Leben versagt ist, weil du es nicht ertragen konntest, ppo_447.020
giebt dir der Augenblick deines Todes!

ppo_447.021

2) von v. Herder.

ppo_447.022

Die Sterne.

ppo_447.023

Müde und matt war Daniel von seinen Gesichten ppo_447.024
der Zukunft, die ihm so oft seine Kraft genommen, und ppo_447.025
ihn mit Schauder erfüllet hatten; als endlich Einer aus ppo_447.026
dem Rathe der Wächter zu ihm sprach: „Gehe hin, ppo_447.027
Daniel, und ruhe, bis das Ende komme, daß du aufstehest ppo_447.028
in deinem Theile am Ende der Tage!“

ppo_447.029

Gelassen hörte Daniel das räthselhafte Wort und ppo_447.030
sprach zu dem Manne, der neben ihm stand: „Meinest ppo_447.031
du, Herr, daß diese Gebeine werden wieder grünen?“ ppo_447.032
Und der himmlische Bote nahm ihn bei der Hand, und ppo_447.033
zeigte ihm den Himmel voll leuchtender Sterne. „Viele,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0459" n="447"/><lb n="ppo_447.001"/>er in die Saiten des Gottes der Schönheit, dankbar <lb n="ppo_447.002"/>froh besingend die schöne Sonne, den glänzenden See, <lb n="ppo_447.003"/>und sein unschuldiges seliges Leben. Sanft, wie seine <lb n="ppo_447.004"/>Gestalt, war das harmonische Lied; lange Wellen zog <lb n="ppo_447.005"/>er daher in süßen entschlummernden Tönen, bis er <lb n="ppo_447.006"/>sich &#x2014; im Elysium wieder fand, am Fuße des Apollo <lb n="ppo_447.007"/>in seiner wahren himmlischen Schönheit. Der Gesang, <lb n="ppo_447.008"/>der ihm im Leben versagt war, war sein Schwanengesang <lb n="ppo_447.009"/>geworden, der sanft seine Glieder auflösete; denn <lb n="ppo_447.010"/>er hatte den Ton der Unsterblichen gehört, und das <lb n="ppo_447.011"/>Antlitz eines Gottes gesehen. Dankbar schmiegte er sich <lb n="ppo_447.012"/>an den Fuß Apollo's und horchte seinen göttlichen Tönen, <lb n="ppo_447.013"/>als eben auch sein treues Weib ankam, die sich in <lb n="ppo_447.014"/>süßem Gesange ihm nach zu Tode geklaget. Die Göttin <lb n="ppo_447.015"/>der Unschuld nahm beide zu ihren Lieblingen an; <lb n="ppo_447.016"/>das schöne Gespann ihres Muschelwagens, wenn sie im <lb n="ppo_447.017"/>See der Jugend badet.</hi> </p>
          <lb n="ppo_447.018"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Gedulde dich, stilles, hoffendes Herz! Was dir im <lb n="ppo_447.019"/>Leben versagt ist, weil du es nicht ertragen konntest, <lb n="ppo_447.020"/>giebt dir der Augenblick deines Todes!</hi> </p>
          <lb n="ppo_447.021"/>
          <p> <hi rendition="#et">  2) von v. <hi rendition="#g">Herder.</hi></hi> </p>
          <lb n="ppo_447.022"/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Die Sterne.</hi> </hi> </p>
          <lb n="ppo_447.023"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Müde und matt war Daniel von seinen Gesichten <lb n="ppo_447.024"/>der Zukunft, die ihm so oft seine Kraft genommen, und <lb n="ppo_447.025"/>ihn mit Schauder erfüllet hatten; als endlich Einer aus <lb n="ppo_447.026"/>dem Rathe der Wächter zu ihm sprach: &#x201E;Gehe hin, <lb n="ppo_447.027"/>Daniel, und ruhe, bis das Ende komme, daß du aufstehest <lb n="ppo_447.028"/>in deinem Theile am Ende der Tage!&#x201C;</hi> </p>
          <lb n="ppo_447.029"/>
          <p> <hi rendition="#et">  Gelassen hörte Daniel das räthselhafte Wort und <lb n="ppo_447.030"/>sprach zu dem Manne, der neben ihm stand: &#x201E;Meinest <lb n="ppo_447.031"/>du, Herr, daß diese Gebeine werden wieder grünen?&#x201C; <lb n="ppo_447.032"/>Und der himmlische Bote nahm ihn bei der Hand, und <lb n="ppo_447.033"/>zeigte ihm den Himmel voll leuchtender Sterne. &#x201E;Viele,
</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0459] ppo_447.001 er in die Saiten des Gottes der Schönheit, dankbar ppo_447.002 froh besingend die schöne Sonne, den glänzenden See, ppo_447.003 und sein unschuldiges seliges Leben. Sanft, wie seine ppo_447.004 Gestalt, war das harmonische Lied; lange Wellen zog ppo_447.005 er daher in süßen entschlummernden Tönen, bis er ppo_447.006 sich — im Elysium wieder fand, am Fuße des Apollo ppo_447.007 in seiner wahren himmlischen Schönheit. Der Gesang, ppo_447.008 der ihm im Leben versagt war, war sein Schwanengesang ppo_447.009 geworden, der sanft seine Glieder auflösete; denn ppo_447.010 er hatte den Ton der Unsterblichen gehört, und das ppo_447.011 Antlitz eines Gottes gesehen. Dankbar schmiegte er sich ppo_447.012 an den Fuß Apollo's und horchte seinen göttlichen Tönen, ppo_447.013 als eben auch sein treues Weib ankam, die sich in ppo_447.014 süßem Gesange ihm nach zu Tode geklaget. Die Göttin ppo_447.015 der Unschuld nahm beide zu ihren Lieblingen an; ppo_447.016 das schöne Gespann ihres Muschelwagens, wenn sie im ppo_447.017 See der Jugend badet. ppo_447.018 Gedulde dich, stilles, hoffendes Herz! Was dir im ppo_447.019 Leben versagt ist, weil du es nicht ertragen konntest, ppo_447.020 giebt dir der Augenblick deines Todes! ppo_447.021 2) von v. Herder. ppo_447.022 Die Sterne. ppo_447.023 Müde und matt war Daniel von seinen Gesichten ppo_447.024 der Zukunft, die ihm so oft seine Kraft genommen, und ppo_447.025 ihn mit Schauder erfüllet hatten; als endlich Einer aus ppo_447.026 dem Rathe der Wächter zu ihm sprach: „Gehe hin, ppo_447.027 Daniel, und ruhe, bis das Ende komme, daß du aufstehest ppo_447.028 in deinem Theile am Ende der Tage!“ ppo_447.029 Gelassen hörte Daniel das räthselhafte Wort und ppo_447.030 sprach zu dem Manne, der neben ihm stand: „Meinest ppo_447.031 du, Herr, daß diese Gebeine werden wieder grünen?“ ppo_447.032 Und der himmlische Bote nahm ihn bei der Hand, und ppo_447.033 zeigte ihm den Himmel voll leuchtender Sterne. „Viele,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/459
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/459>, abgerufen am 01.06.2024.