Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

Bild:
<< vorherige Seite
ppo_416.001
Jedoch ich kann mich nicht so, wie ich soll, verstellen; ppo_416.002
Mein Ungehorsam wär' ein nur verstellter Zwang, ppo_416.003
Es mag von mir die Welt ein schlimmes Urtheil fällen, ppo_416.004
So sag ich doch: ich bin durch dich vor Liebe krank. ppo_416.005
Wer ungehorsam ist, wenn Fürstenaugen winken, ppo_416.006
Der weiß nicht, was ein Prinz, und was Verhängniß ist. ppo_416.007
Er weiß den Göttertrank der Wollust nicht zu trinken, ppo_416.008
Wenn uns ein Heldenmund auf Brust und Wangen küßt. ppo_416.009
Jch wünsche dir durch mich ein doppeltes Vergnügen; ppo_416.010
Jch wünsche, daß mein Leib auch Perl und Schwan ppo_416.011
beschämt. ppo_416.012
Kann dieser nur mit Lust in Davids Armen liegen, ppo_416.013
So hat sich Bathseba vergebens nur gegrämt. ppo_416.014
So bald der Abend wird Burg, Stadt und Feld bedecken, ppo_416.015
So mach' ich Leib und Geist von Kleid und Sorgen los. ppo_416.016
Alsdann wird Aug' und Fuß sich nach der Höhe strecken, ppo_416.017
Und meine Gaben sind die Frucht der glatten Schoos.
ppo_416.018

3) von Christian Gryphius (+ 1706).

ppo_416.019

Der Tempel der keuschen Liebe, ppo_416.020
an Herrn * * Hochzeittage. (abgekürzt)

ppo_416.021
Jch saß, geehrter Freund, nnd wollte dieses Fest, ppo_416.022
Das deine Liebe krönt, mit freier Hand bedienen; ppo_416.023
Doch weil mich Phöbus nur Cypressen pflanzen läßt, ppo_416.024
So konnte keine Blum' auf meinem Pindus grünen. ppo_416.025
Jch griff die Saiten an; doch war kein Freudenhall, ppo_416.026
Kein angenehmer Ton, kein Brautlied zu verfassen. ppo_416.027
Es schien, als wollte mich der stete Trauerschall, ppo_416.028
Nach dem ich singen muß, nichts Schönes singen lassen; ppo_416.029
Bis mir ein seltner Trieb in Herz und Augen fiel, ppo_416.030
Den ich, vertrauter Freund, dir jetzt entdecken will.
ppo_416.031
Jch war, ich weiß nicht wo, doch gänzlich außer mir, ppo_416.032
Jn einer andern Welt, auf angenehmen Höhen;
ppo_416.001
Jedoch ich kann mich nicht so, wie ich soll, verstellen; ppo_416.002
Mein Ungehorsam wär' ein nur verstellter Zwang, ppo_416.003
Es mag von mir die Welt ein schlimmes Urtheil fällen, ppo_416.004
So sag ich doch: ich bin durch dich vor Liebe krank. ppo_416.005
Wer ungehorsam ist, wenn Fürstenaugen winken, ppo_416.006
Der weiß nicht, was ein Prinz, und was Verhängniß ist. ppo_416.007
Er weiß den Göttertrank der Wollust nicht zu trinken, ppo_416.008
Wenn uns ein Heldenmund auf Brust und Wangen küßt. ppo_416.009
Jch wünsche dir durch mich ein doppeltes Vergnügen; ppo_416.010
Jch wünsche, daß mein Leib auch Perl und Schwan ppo_416.011
beschämt. ppo_416.012
Kann dieser nur mit Lust in Davids Armen liegen, ppo_416.013
So hat sich Bathseba vergebens nur gegrämt. ppo_416.014
So bald der Abend wird Burg, Stadt und Feld bedecken, ppo_416.015
So mach' ich Leib und Geist von Kleid und Sorgen los. ppo_416.016
Alsdann wird Aug' und Fuß sich nach der Höhe strecken, ppo_416.017
Und meine Gaben sind die Frucht der glatten Schoos.
ppo_416.018

3) von Christian Gryphius († 1706).

ppo_416.019

Der Tempel der keuschen Liebe, ppo_416.020
an Herrn * * Hochzeittage. (abgekürzt)

ppo_416.021
Jch saß, geehrter Freund, nnd wollte dieses Fest, ppo_416.022
Das deine Liebe krönt, mit freier Hand bedienen; ppo_416.023
Doch weil mich Phöbus nur Cypressen pflanzen läßt, ppo_416.024
So konnte keine Blum' auf meinem Pindus grünen. ppo_416.025
Jch griff die Saiten an; doch war kein Freudenhall, ppo_416.026
Kein angenehmer Ton, kein Brautlied zu verfassen. ppo_416.027
Es schien, als wollte mich der stete Trauerschall, ppo_416.028
Nach dem ich singen muß, nichts Schönes singen lassen; ppo_416.029
Bis mir ein seltner Trieb in Herz und Augen fiel, ppo_416.030
Den ich, vertrauter Freund, dir jetzt entdecken will.
ppo_416.031
Jch war, ich weiß nicht wo, doch gänzlich außer mir, ppo_416.032
Jn einer andern Welt, auf angenehmen Höhen;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0428" n="416"/>
          <lb n="ppo_416.001"/>
          <lg>
            <l>  Jedoch ich kann mich nicht so, wie ich soll, verstellen;</l>
            <lb n="ppo_416.002"/>
            <l>Mein Ungehorsam wär' ein nur verstellter Zwang,</l>
            <lb n="ppo_416.003"/>
            <l>Es mag von mir die Welt ein schlimmes Urtheil fällen,</l>
            <lb n="ppo_416.004"/>
            <l>So sag ich doch: ich bin durch dich vor Liebe krank.</l>
            <lb n="ppo_416.005"/>
            <l>Wer ungehorsam ist, wenn Fürstenaugen winken,</l>
            <lb n="ppo_416.006"/>
            <l>Der weiß nicht, was ein Prinz, und was Verhängniß ist.</l>
            <lb n="ppo_416.007"/>
            <l>Er weiß den Göttertrank der Wollust nicht zu trinken,</l>
            <lb n="ppo_416.008"/>
            <l>Wenn uns ein Heldenmund auf Brust und Wangen küßt.</l>
            <lb n="ppo_416.009"/>
            <l>Jch wünsche dir durch mich ein doppeltes Vergnügen;</l>
            <lb n="ppo_416.010"/>
            <l>Jch wünsche, daß mein Leib auch Perl und Schwan</l>
            <lb n="ppo_416.011"/>
            <l> <hi rendition="#right">beschämt.</hi> </l>
            <lb n="ppo_416.012"/>
            <l>Kann dieser nur mit Lust in Davids Armen liegen,</l>
            <lb n="ppo_416.013"/>
            <l>So hat sich Bathseba vergebens nur gegrämt.</l>
            <lb n="ppo_416.014"/>
            <l>So bald der Abend wird Burg, Stadt und Feld bedecken,</l>
            <lb n="ppo_416.015"/>
            <l>So mach' ich Leib und Geist von Kleid und Sorgen los.</l>
            <lb n="ppo_416.016"/>
            <l>Alsdann wird Aug' und Fuß sich nach der Höhe strecken,</l>
            <lb n="ppo_416.017"/>
            <l>Und meine Gaben sind die Frucht der glatten Schoos.</l>
          </lg>
          <lb n="ppo_416.018"/>
          <p> <hi rendition="#et">  3) von Christian <hi rendition="#g">Gryphius</hi> (&#x2020; 1706).</hi> </p>
          <lb n="ppo_416.019"/>
          <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Der Tempel der keuschen Liebe,</hi><lb n="ppo_416.020"/>an Herrn * * Hochzeittage. (abgekürzt)</hi> </p>
          <lb n="ppo_416.021"/>
          <lg>
            <l>  Jch saß, geehrter Freund, nnd wollte dieses Fest,</l>
            <lb n="ppo_416.022"/>
            <l>Das deine Liebe krönt, mit freier Hand bedienen;</l>
            <lb n="ppo_416.023"/>
            <l>Doch weil mich Phöbus nur Cypressen pflanzen läßt,</l>
            <lb n="ppo_416.024"/>
            <l>So konnte keine Blum' auf meinem Pindus grünen.</l>
            <lb n="ppo_416.025"/>
            <l>Jch griff die Saiten an; doch war kein Freudenhall,</l>
            <lb n="ppo_416.026"/>
            <l>Kein angenehmer Ton, kein Brautlied zu verfassen.</l>
            <lb n="ppo_416.027"/>
            <l>Es schien, als wollte mich der stete Trauerschall,</l>
            <lb n="ppo_416.028"/>
            <l>Nach dem ich singen muß, nichts Schönes singen lassen;</l>
            <lb n="ppo_416.029"/>
            <l>Bis mir ein seltner Trieb in Herz und Augen fiel,</l>
            <lb n="ppo_416.030"/>
            <l>Den ich, vertrauter Freund, dir jetzt entdecken will. </l>
          </lg>
          <lb n="ppo_416.031"/>
          <lg>
            <l> Jch war, ich weiß nicht wo, doch gänzlich außer mir,</l>
            <lb n="ppo_416.032"/>
            <l>Jn einer andern Welt, auf angenehmen Höhen;</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0428] ppo_416.001 Jedoch ich kann mich nicht so, wie ich soll, verstellen; ppo_416.002 Mein Ungehorsam wär' ein nur verstellter Zwang, ppo_416.003 Es mag von mir die Welt ein schlimmes Urtheil fällen, ppo_416.004 So sag ich doch: ich bin durch dich vor Liebe krank. ppo_416.005 Wer ungehorsam ist, wenn Fürstenaugen winken, ppo_416.006 Der weiß nicht, was ein Prinz, und was Verhängniß ist. ppo_416.007 Er weiß den Göttertrank der Wollust nicht zu trinken, ppo_416.008 Wenn uns ein Heldenmund auf Brust und Wangen küßt. ppo_416.009 Jch wünsche dir durch mich ein doppeltes Vergnügen; ppo_416.010 Jch wünsche, daß mein Leib auch Perl und Schwan ppo_416.011 beschämt. ppo_416.012 Kann dieser nur mit Lust in Davids Armen liegen, ppo_416.013 So hat sich Bathseba vergebens nur gegrämt. ppo_416.014 So bald der Abend wird Burg, Stadt und Feld bedecken, ppo_416.015 So mach' ich Leib und Geist von Kleid und Sorgen los. ppo_416.016 Alsdann wird Aug' und Fuß sich nach der Höhe strecken, ppo_416.017 Und meine Gaben sind die Frucht der glatten Schoos. ppo_416.018 3) von Christian Gryphius († 1706). ppo_416.019 Der Tempel der keuschen Liebe, ppo_416.020 an Herrn * * Hochzeittage. (abgekürzt) ppo_416.021 Jch saß, geehrter Freund, nnd wollte dieses Fest, ppo_416.022 Das deine Liebe krönt, mit freier Hand bedienen; ppo_416.023 Doch weil mich Phöbus nur Cypressen pflanzen läßt, ppo_416.024 So konnte keine Blum' auf meinem Pindus grünen. ppo_416.025 Jch griff die Saiten an; doch war kein Freudenhall, ppo_416.026 Kein angenehmer Ton, kein Brautlied zu verfassen. ppo_416.027 Es schien, als wollte mich der stete Trauerschall, ppo_416.028 Nach dem ich singen muß, nichts Schönes singen lassen; ppo_416.029 Bis mir ein seltner Trieb in Herz und Augen fiel, ppo_416.030 Den ich, vertrauter Freund, dir jetzt entdecken will. ppo_416.031 Jch war, ich weiß nicht wo, doch gänzlich außer mir, ppo_416.032 Jn einer andern Welt, auf angenehmen Höhen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/428
Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/428>, abgerufen am 26.11.2024.