Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.ppo_306.001 Ach, ihm kam wohl mancher Gruß entgegen, ppo_306.002 ppo_306.009Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück, ppo_306.003 Und es hob von schnellen Herzensschlägen ppo_306.004 Mancher Busen sich vor seinem Blick. ppo_306.005 Doch umsonst! nie öffnet er die Arme, ppo_306.006 Daß davon umstrickt ein Herz erwarme; ppo_306.007 Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht, ppo_306.008 Wird von Küssen nie durchglüht. Zur Geliebten hat er sich erlesen, ppo_306.010 ppo_306.017Die noch nie ein sterblich Auge sah; ppo_306.011 Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen, ppo_306.012 Jst sie fern ihm, und doch ewig nah. ppo_306.013 Tief in seines Jnnern heil'ger Stille ppo_306.014 Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle, ppo_306.015 Und umarmt das göttlich schöne Bild, ppo_306.016 Halb von eignem Glanz verhüllt. Jn erstauntes Anschaun so versunken, ppo_306.018 ppo_306.025Fühlt er sich allein, wann er erwacht. ppo_306.019 "Götter! seufzt er dann, nur Einen Funken, ppo_306.020 Einen Funken eurer Schöpfermacht! ppo_306.021 Bin ich blos zu eitlem Wahn gebohren? ppo_306.022 Meine Lieb' an einen Traum verloren, ppo_306.023 Der, von ihrem Odem nie beseelt, ppo_306.024 Liebevoll sich mir vermählt?" "Oder thronet, die ich lieb', im Saale ppo_306.026
Des Olymps mit sel'ger Allgewalt? ppo_306.027 Trinkt sie jeden Tag aus goldner Schale ppo_306.028 Jugend und ambrosische Gestalt? ppo_306.029 Wird sie zürnend den Vermeßnen tödten, ppo_306.030 Der in Lieb' entbrennt, statt anzubeten? ppo_306.031 Oder lächelt sie, voll Größ' und Huld, ppo_306.032 Seiner hoffnungslosen Schuld?" ppo_306.001 Ach, ihm kam wohl mancher Gruß entgegen, ppo_306.002 ppo_306.009Mancher Wink verhieß ihm Gunst und Glück, ppo_306.003 Und es hob von schnellen Herzensschlägen ppo_306.004 Mancher Busen sich vor seinem Blick. ppo_306.005 Doch umsonst! nie öffnet er die Arme, ppo_306.006 Daß davon umstrickt ein Herz erwarme; ppo_306.007 Dieser Mund, wo frisch die Jugend blüht, ppo_306.008 Wird von Küssen nie durchglüht. Zur Geliebten hat er sich erlesen, ppo_306.010 ppo_306.017Die noch nie ein sterblich Auge sah; ppo_306.011 Nur ein Schatte, doch ein mächtig Wesen, ppo_306.012 Jst sie fern ihm, und doch ewig nah. ppo_306.013 Tief in seines Jnnern heil'ger Stille ppo_306.014 Pflegt die Dichtung sie mit reger Fülle, ppo_306.015 Und umarmt das göttlich schöne Bild, ppo_306.016 Halb von eignem Glanz verhüllt. Jn erstauntes Anschaun so versunken, ppo_306.018 ppo_306.025Fühlt er sich allein, wann er erwacht. ppo_306.019 „Götter! seufzt er dann, nur Einen Funken, ppo_306.020 Einen Funken eurer Schöpfermacht! ppo_306.021 Bin ich blos zu eitlem Wahn gebohren? ppo_306.022 Meine Lieb' an einen Traum verloren, ppo_306.023 Der, von ihrem Odem nie beseelt, ppo_306.024 Liebevoll sich mir vermählt?“ „Oder thronet, die ich lieb', im Saale ppo_306.026
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Zitationshilfe: | Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/318>, abgerufen am 16.07.2024. |