Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
der Himmel so früh von meiner Seite weggerufen?
Nun sind's bald zwei Jahre -- 's ist mir aber
noch, als wär's gestern geschehen!
Ludwig.
Mutter! jetzt ist der Casperl eingeschlafen; er
hört's nicht, wenn ich mit dir rede. Sag' mir:
Kriegt der Casperl kein Weihnachten? Morgen
ist ja Christkindltag?
Frau Werner.
Ei, was sollte das Christkindl dem Casperl
bringen? Dir wird's auch nicht viel bescheeren.
Ludwig.
Und warum nicht? -- 's Christkindl kann auch
armen Leuten, wie wir sind, was bringen, wenn
es will!
Frau Werner (für sich.)
Der Bube setzt mich wirklich in Verlegenheit
mit seinen klugen Fragen.
(zu Ludwig) Bei gewissen
Dingen sollen Kinder nicht immer "Warum" fra-
gen; denn sie verstünden die Antwort nicht und
das liebe Jesuskind wird schon wissen, wo und wie
und was es zu bescheeren hat. Merk' dir das, und
wenn du größer bist und kein Bube mehr, da
wirst du Vieles besser einsehen lernen; dann magst
du auch fragen.
der Himmel ſo früh von meiner Seite weggerufen?
Nun ſind’s bald zwei Jahre — ’s iſt mir aber
noch, als wär’s geſtern geſchehen!
Ludwig.
Mutter! jetzt iſt der Casperl eingeſchlafen; er
hört’s nicht, wenn ich mit dir rede. Sag’ mir:
Kriegt der Casperl kein Weihnachten? Morgen
iſt ja Chriſtkindltag?
Frau Werner.
Ei, was ſollte das Chriſtkindl dem Casperl
bringen? Dir wird’s auch nicht viel beſcheeren.
Ludwig.
Und warum nicht? — ’s Chriſtkindl kann auch
armen Leuten, wie wir ſind, was bringen, wenn
es will!
Frau Werner (für ſich.)
Der Bube ſetzt mich wirklich in Verlegenheit
mit ſeinen klugen Fragen.
(zu Ludwig) Bei gewiſſen
Dingen ſollen Kinder nicht immer „Warum‟ fra-
gen; denn ſie verſtünden die Antwort nicht und
das liebe Jeſuskind wird ſchon wiſſen, wo und wie
und was es zu beſcheeren hat. Merk’ dir das, und
wenn du größer biſt und kein Bube mehr, da
wirſt du Vieles beſſer einſehen lernen; dann magſt
du auch fragen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FWERNER">
            <p><pb facs="#f0084" n="64"/>
der Himmel &#x017F;o früh von meiner Seite weggerufen?<lb/>
Nun &#x017F;ind&#x2019;s bald zwei Jahre &#x2014; &#x2019;s i&#x017F;t mir aber<lb/>
noch, als wär&#x2019;s ge&#x017F;tern ge&#x017F;chehen!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#LUD">
            <speaker> <hi rendition="#c">Ludwig.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Mutter! jetzt i&#x017F;t der Casperl einge&#x017F;chlafen; er<lb/>
hört&#x2019;s nicht, wenn ich mit dir rede. Sag&#x2019; mir:<lb/>
Kriegt der Casperl kein Weihnachten? Morgen<lb/>
i&#x017F;t ja Chri&#x017F;tkindltag?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FWERNER">
            <speaker> <hi rendition="#c">Frau Werner.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Ei, was &#x017F;ollte das Chri&#x017F;tkindl dem Casperl<lb/>
bringen? Dir wird&#x2019;s auch nicht viel be&#x017F;cheeren.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#LUD">
            <speaker> <hi rendition="#c">Ludwig.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Und warum nicht? &#x2014; &#x2019;s Chri&#x017F;tkindl kann auch<lb/>
armen Leuten, wie wir &#x017F;ind, was bringen, wenn<lb/>
es will!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FWERNER">
            <speaker>Frau Werner</speaker>
            <stage>(für &#x017F;ich.)</stage><lb/>
            <p>Der Bube &#x017F;etzt mich wirklich in Verlegenheit<lb/>
mit &#x017F;einen klugen Fragen.</p>
            <stage>(zu Ludwig)</stage>
            <p>Bei gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Dingen &#x017F;ollen Kinder nicht immer &#x201E;Warum&#x201F; fra-<lb/>
gen; denn &#x017F;ie ver&#x017F;tünden die Antwort nicht und<lb/>
das liebe Je&#x017F;uskind wird &#x017F;chon wi&#x017F;&#x017F;en, wo und wie<lb/>
und was es zu be&#x017F;cheeren hat. Merk&#x2019; dir das, und<lb/>
wenn du größer bi&#x017F;t und kein Bube mehr, da<lb/>
wir&#x017F;t du Vieles be&#x017F;&#x017F;er ein&#x017F;ehen lernen; dann mag&#x017F;t<lb/>
du auch fragen.</p>
          </sp><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0084] der Himmel ſo früh von meiner Seite weggerufen? Nun ſind’s bald zwei Jahre — ’s iſt mir aber noch, als wär’s geſtern geſchehen! Ludwig. Mutter! jetzt iſt der Casperl eingeſchlafen; er hört’s nicht, wenn ich mit dir rede. Sag’ mir: Kriegt der Casperl kein Weihnachten? Morgen iſt ja Chriſtkindltag? Frau Werner. Ei, was ſollte das Chriſtkindl dem Casperl bringen? Dir wird’s auch nicht viel beſcheeren. Ludwig. Und warum nicht? — ’s Chriſtkindl kann auch armen Leuten, wie wir ſind, was bringen, wenn es will! Frau Werner (für ſich.) Der Bube ſetzt mich wirklich in Verlegenheit mit ſeinen klugen Fragen. (zu Ludwig) Bei gewiſſen Dingen ſollen Kinder nicht immer „Warum‟ fra- gen; denn ſie verſtünden die Antwort nicht und das liebe Jeſuskind wird ſchon wiſſen, wo und wie und was es zu beſcheeren hat. Merk’ dir das, und wenn du größer biſt und kein Bube mehr, da wirſt du Vieles beſſer einſehen lernen; dann magſt du auch fragen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/84
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/84>, abgerufen am 03.05.2024.