Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
euch unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,"
(bedeckt sich das Gesicht mit den Händen, blättert und liest weiter:)
"Sehet zu und hütet euch vor dem Geize!" --
Weh mir --
(mit der Hand an dem Herzen) weh mir! wie
stichts, wie drückt's da drinnen! -- wer tröstet mich?
wer hilft mir? ich bin verlassen!
(weint). Jch habe
lange nicht geweint. Diese Thränen erleichtern mich.
Jch fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen
mildert. Solch' ein Gefühl, wie jemals ich kaum
empfunden! Es wird mir so weich um's Herz!

(schellt an einer Glocke) Jch war wohl zu hart mit Ma-
rie'n! Sie soll kommen.
(Bedienter tritt ein.) Marie
möge zu mir kommen; sag' ihr, ich habe ihr Et-
was Wichtiges mitzutheilen.
(Bedienter ab.) Aber was
soll ich ihr sagen? Jch habe ein gewisses Verlangen,
das mir noch unerklärlich ist. Jst's der Tod, den
ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich
am Leben festzuhalten?

(Maria tritt ein.)
Marie.
Sie haben befohlen, Herr Onkel?
Steinreich.
O nicht befohlen; ich habe dich ersuchen lassen,
zu mir zu kommen.
3
euch unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,‟
(bedeckt ſich das Geſicht mit den Händen, blättert und liest weiter:)
„Sehet zu und hütet euch vor dem Geize!‟ —
Weh mir —
(mit der Hand an dem Herzen) weh mir! wie
ſtichts, wie drückt’s da drinnen! — wer tröſtet mich?
wer hilft mir? ich bin verlaſſen!
(weint). Jch habe
lange nicht geweint. Dieſe Thränen erleichtern mich.
Jch fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen
mildert. Solch’ ein Gefühl, wie jemals ich kaum
empfunden! Es wird mir ſo weich um’s Herz!

(ſchellt an einer Glocke) Jch war wohl zu hart mit Ma-
rie’n! Sie ſoll kommen.
(Bedienter tritt ein.) Marie
möge zu mir kommen; ſag’ ihr, ich habe ihr Et-
was Wichtiges mitzutheilen.
(Bedienter ab.) Aber was
ſoll ich ihr ſagen? Jch habe ein gewiſſes Verlangen,
das mir noch unerklärlich iſt. Jſt’s der Tod, den
ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich
am Leben feſtzuhalten?

(Maria tritt ein.)
Marie.
Sie haben befohlen, Herr Onkel?
Steinreich.
O nicht befohlen; ich habe dich erſuchen laſſen,
zu mir zu kommen.
3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#STEIN">
                <p><pb facs="#f0053" n="33"/>
euch unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,&#x201F;</p><lb/>
                <stage>(bedeckt &#x017F;ich das Ge&#x017F;icht mit den Händen, blättert und liest weiter:)</stage><lb/>
                <p>&#x201E;Sehet zu und hütet euch vor dem Geize!&#x201F; &#x2014;<lb/>
Weh mir &#x2014;</p>
                <stage>(mit der Hand an dem Herzen)</stage>
                <p>weh mir! wie<lb/>
&#x017F;tichts, wie drückt&#x2019;s da drinnen! &#x2014; wer trö&#x017F;tet mich?<lb/>
wer hilft mir? ich bin verla&#x017F;&#x017F;en!</p>
                <stage>(weint).</stage>
                <p>Jch habe<lb/>
lange nicht geweint. Die&#x017F;e Thränen erleichtern mich.<lb/>
Jch fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen<lb/>
mildert. Solch&#x2019; ein Gefühl, wie jemals ich kaum<lb/>
empfunden! Es wird mir &#x017F;o weich um&#x2019;s Herz!</p><lb/>
                <stage>(&#x017F;chellt an einer Glocke)</stage>
                <p>Jch war wohl zu hart mit Ma-<lb/>
rie&#x2019;n! Sie &#x017F;oll kommen.</p>
                <stage>(Bedienter tritt ein.)</stage>
                <p>Marie<lb/>
möge zu mir kommen; &#x017F;ag&#x2019; ihr, ich habe ihr Et-<lb/>
was Wichtiges mitzutheilen.</p>
                <stage>(Bedienter ab.)</stage>
                <p>Aber was<lb/>
&#x017F;oll ich ihr &#x017F;agen? Jch habe ein gewi&#x017F;&#x017F;es Verlangen,<lb/>
das mir noch unerklärlich i&#x017F;t. J&#x017F;t&#x2019;s der Tod, den<lb/>
ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich<lb/>
am Leben fe&#x017F;tzuhalten?</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#c">(Maria tritt ein.)</hi> </stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#MARIE">
                <speaker> <hi rendition="#c">Marie.</hi> </speaker><lb/>
                <p>Sie haben befohlen, Herr Onkel?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#STEIN">
                <speaker> <hi rendition="#c">Steinreich.</hi> </speaker><lb/>
                <p>O nicht befohlen; ich habe dich er&#x017F;uchen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
zu mir zu kommen.</p>
              </sp><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">3</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0053] euch unter einander liebet, gleichwie ich euch liebe,‟ (bedeckt ſich das Geſicht mit den Händen, blättert und liest weiter:) „Sehet zu und hütet euch vor dem Geize!‟ — Weh mir — (mit der Hand an dem Herzen) weh mir! wie ſtichts, wie drückt’s da drinnen! — wer tröſtet mich? wer hilft mir? ich bin verlaſſen! (weint). Jch habe lange nicht geweint. Dieſe Thränen erleichtern mich. Jch fühle Etwas in mir, das meine Schmerzen mildert. Solch’ ein Gefühl, wie jemals ich kaum empfunden! Es wird mir ſo weich um’s Herz! (ſchellt an einer Glocke) Jch war wohl zu hart mit Ma- rie’n! Sie ſoll kommen. (Bedienter tritt ein.) Marie möge zu mir kommen; ſag’ ihr, ich habe ihr Et- was Wichtiges mitzutheilen. (Bedienter ab.) Aber was ſoll ich ihr ſagen? Jch habe ein gewiſſes Verlangen, das mir noch unerklärlich iſt. Jſt’s der Tod, den ich fürchte, daß ich nach einer Hand begehre, mich am Leben feſtzuhalten? (Maria tritt ein.) Marie. Sie haben befohlen, Herr Onkel? Steinreich. O nicht befohlen; ich habe dich erſuchen laſſen, zu mir zu kommen. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/53
Zitationshilfe: Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 2. München, 1861, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein02_1861/53>, abgerufen am 09.11.2024.