Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859. Christoph. Der Stoff ist lobenswerth, allein mit Schrecken bemerke ich, daß nun auch das Vacuum eingetreten ist. Die Flasche ist leer. Leerheit! von jeher hab ich dich gehaßt. Von einem dummen Kerl sagt man er sei ein leerer Kopf, so halte ich denn eine leere Flasche auch für eine Dummheit. Uebrigens kann ich zufrieden sein; denn meine Geschäfte waren bisher nicht anstrengend, insoferne nicht auch die Erfüllung der Selbsterhaltungspflicht zur Last werden kann, denn am Essen und Trinken hab ich's keinerzeit fehlen lassen. Jch habe mich dadurch als einen ächten Hofmann scalifizirt. Nun bin ich aber neugierig, wann einmal der große allgemeine Schlaf beginnt, den uns die aller- liebsten zwei Blocksbergbewohnerinen prophezeit haben, oder: wann die Prinzessin sich an der Spindel stechen wird? Deßhalb hat auch der König alle Spindeln im Lande verbieten lassen; allein, was einmal sein soll, das wird sein. Mir wär's einerlei, ein paar Jahre zu verschlafen; doch mein Herr sagt: Wie die Geschichte losgeht, läuft er davon und betrachtet sich Alles romantisch von Weitem. Auch gut! Wenn nur er Stoff nicht ausgeht! Chriſtoph. Der Stoff iſt lobenswerth, allein mit Schrecken bemerke ich, daß nun auch das Vacuum eingetreten iſt. Die Flaſche iſt leer. Leerheit! von jeher hab ich dich gehaßt. Von einem dummen Kerl ſagt man er ſei ein leerer Kopf, ſo halte ich denn eine leere Flaſche auch für eine Dummheit. Uebrigens kann ich zufrieden ſein; denn meine Geſchäfte waren bisher nicht anſtrengend, inſoferne nicht auch die Erfüllung der Selbſterhaltungspflicht zur Laſt werden kann, denn am Eſſen und Trinken hab ich’s keinerzeit fehlen laſſen. Jch habe mich dadurch als einen ächten Hofmann ſcalifizirt. Nun bin ich aber neugierig, wann einmal der große allgemeine Schlaf beginnt, den uns die aller- liebſten zwei Blocksbergbewohnerinen prophezeit haben, oder: wann die Prinzeſſin ſich an der Spindel ſtechen wird? Deßhalb hat auch der König alle Spindeln im Lande verbieten laſſen; allein, was einmal ſein ſoll, das wird ſein. Mir wär’s einerlei, ein paar Jahre zu verſchlafen; doch mein Herr ſagt: Wie die Geſchichte losgeht, läuft er davon und betrachtet ſich Alles romantiſch von Weitem. Auch gut! Wenn nur er Stoff nicht ausgeht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0242" n="236"/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#c">Chriſtoph.</hi> </speaker><lb/> <p>Der Stoff iſt lobenswerth, allein mit Schrecken<lb/> bemerke ich, daß nun auch das Vacuum eingetreten<lb/> iſt. Die Flaſche iſt leer. Leerheit! von jeher hab ich<lb/> dich gehaßt. Von einem dummen Kerl ſagt man er<lb/> ſei ein leerer Kopf, ſo halte ich denn eine leere<lb/> Flaſche auch für eine Dummheit. Uebrigens kann<lb/> ich zufrieden ſein; denn meine Geſchäfte waren bisher<lb/> nicht anſtrengend, inſoferne nicht auch die Erfüllung<lb/> der Selbſterhaltungspflicht zur Laſt werden kann,<lb/> denn am Eſſen und Trinken hab ich’s keinerzeit<lb/> fehlen laſſen. Jch habe mich dadurch als einen ächten<lb/> Hofmann ſcalifizirt.</p><lb/> <p>Nun bin ich aber neugierig, wann einmal der<lb/> große allgemeine Schlaf beginnt, den uns die aller-<lb/> liebſten zwei Blocksbergbewohnerinen prophezeit haben,<lb/> oder: wann die Prinzeſſin ſich an der Spindel ſtechen<lb/> wird? Deßhalb hat auch der König alle Spindeln<lb/> im Lande verbieten laſſen; allein, was einmal ſein<lb/> ſoll, das wird ſein. Mir wär’s einerlei, ein paar<lb/> Jahre zu verſchlafen; doch mein Herr ſagt: Wie<lb/> die Geſchichte losgeht, läuft er davon und betrachtet<lb/> ſich Alles romantiſch von Weitem. Auch gut! Wenn<lb/> nur er Stoff nicht ausgeht!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0242]
Chriſtoph.
Der Stoff iſt lobenswerth, allein mit Schrecken
bemerke ich, daß nun auch das Vacuum eingetreten
iſt. Die Flaſche iſt leer. Leerheit! von jeher hab ich
dich gehaßt. Von einem dummen Kerl ſagt man er
ſei ein leerer Kopf, ſo halte ich denn eine leere
Flaſche auch für eine Dummheit. Uebrigens kann
ich zufrieden ſein; denn meine Geſchäfte waren bisher
nicht anſtrengend, inſoferne nicht auch die Erfüllung
der Selbſterhaltungspflicht zur Laſt werden kann,
denn am Eſſen und Trinken hab ich’s keinerzeit
fehlen laſſen. Jch habe mich dadurch als einen ächten
Hofmann ſcalifizirt.
Nun bin ich aber neugierig, wann einmal der
große allgemeine Schlaf beginnt, den uns die aller-
liebſten zwei Blocksbergbewohnerinen prophezeit haben,
oder: wann die Prinzeſſin ſich an der Spindel ſtechen
wird? Deßhalb hat auch der König alle Spindeln
im Lande verbieten laſſen; allein, was einmal ſein
ſoll, das wird ſein. Mir wär’s einerlei, ein paar
Jahre zu verſchlafen; doch mein Herr ſagt: Wie
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Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/242>, abgerufen am 16.02.2025. |