Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859.
Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier -- nem- lich in das Wirthshaus! Unterdessen kommt wohl mein Herr nach Haus und wird seinen Künstlerfest- rausch ausschlafen. Juhe! Prrrrrr! (ab.) Maler Schmierpinsel tritt ein. Schmierpinsel. (sinkt auf einen Stuhl hin.) Der Gram tödtet mich noch! Jch möchte vor Neid bersten! diesen Eichbaum so zu erheben! Ein Landschaftsmaler, der nur Ochsen und Schafe als Staffage malt, während ich die menschliche Jn- dividualität wiedergebe! O es ist schändlich! Eich- baum mit dem Verdienstorden des "goldnen Pinsels" geschmückt und ich noch nicht! Vergebens also habe ich die Frau Ministerin mit ihren vier häßlichen Fratzen gemalt! vergebens den alten Präsidenten mit seiner Burgundernase um einen Spottpreis! Alles umsonst! und dieser Eichbaum ist durchgedrungen! Ha! vermuthlich weil seine Schwester Kammerjungfer der Ministerin ist. So sind aber die Menschen! Wahres Verdienst, ächte Genialität übersehen sie aus Nebengründen; Mittelmässigkeit, die sich zu schmiegen weiß, erheben sie! Jch möchte meine Pal- lette zerbrechen und meinen Pinseln oder mir selbst die Haare ausreissen!
Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier — nem- lich in das Wirthshaus! Unterdeſſen kommt wohl mein Herr nach Haus und wird ſeinen Künſtlerfeſt- rauſch ausſchlafen. Juhe! Prrrrrr! (ab.) Maler Schmierpinſel tritt ein. Schmierpinſel. (ſinkt auf einen Stuhl hin.) Der Gram tödtet mich noch! Jch möchte vor Neid berſten! dieſen Eichbaum ſo zu erheben! Ein Landſchaftsmaler, der nur Ochſen und Schafe als Staffage malt, während ich die menſchliche Jn- dividualität wiedergebe! O es iſt ſchändlich! Eich- baum mit dem Verdienſtorden des „goldnen Pinſels‟ geſchmückt und ich noch nicht! Vergebens alſo habe ich die Frau Miniſterin mit ihren vier häßlichen Fratzen gemalt! vergebens den alten Präſidenten mit ſeiner Burgundernaſe um einen Spottpreis! Alles umſonſt! und dieſer Eichbaum iſt durchgedrungen! Ha! vermuthlich weil ſeine Schweſter Kammerjungfer der Miniſterin iſt. So ſind aber die Menſchen! Wahres Verdienſt, ächte Genialität überſehen ſie aus Nebengründen; Mittelmäſſigkeit, die ſich zu ſchmiegen weiß, erheben ſie! Jch möchte meine Pal- lette zerbrechen und meinen Pinſeln oder mir ſelbſt die Haare ausreiſſen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#CASPERLE"> <p><pb facs="#f0203" n="197"/> Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier — nem-<lb/> lich in das Wirthshaus! Unterdeſſen kommt wohl<lb/> mein Herr nach Haus und wird ſeinen Künſtlerfeſt-<lb/> rauſch ausſchlafen. Juhe! Prrrrrr!</p> <stage>(ab.)</stage><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Maler <hi rendition="#g">Schmierpinſel</hi> tritt ein.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#c">Schmierpinſel.</hi> </speaker><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(ſinkt auf einen Stuhl hin.)</hi> </stage><lb/> <p>Der Gram tödtet mich noch! Jch möchte vor<lb/> Neid berſten! dieſen Eichbaum ſo zu erheben! Ein<lb/> Landſchaftsmaler, der nur Ochſen und Schafe als<lb/> Staffage malt, während ich die menſchliche Jn-<lb/> dividualität wiedergebe! O es iſt ſchändlich! Eich-<lb/> baum mit dem Verdienſtorden des „goldnen Pinſels‟<lb/> geſchmückt und ich noch nicht! Vergebens alſo habe<lb/> ich die Frau Miniſterin mit ihren vier häßlichen<lb/> Fratzen gemalt! vergebens den alten Präſidenten mit<lb/> ſeiner Burgundernaſe um einen Spottpreis! Alles<lb/> umſonſt! und dieſer Eichbaum iſt durchgedrungen!<lb/> Ha! vermuthlich weil ſeine Schweſter Kammerjungfer<lb/> der Miniſterin iſt. So ſind aber die Menſchen!<lb/> Wahres Verdienſt, ächte Genialität überſehen ſie<lb/> aus Nebengründen; Mittelmäſſigkeit, die ſich zu<lb/> ſchmiegen weiß, erheben ſie! Jch möchte meine Pal-<lb/> lette zerbrechen und meinen Pinſeln oder mir ſelbſt<lb/> die Haare ausreiſſen!</p><lb/> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0203]
Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier — nem-
lich in das Wirthshaus! Unterdeſſen kommt wohl
mein Herr nach Haus und wird ſeinen Künſtlerfeſt-
rauſch ausſchlafen. Juhe! Prrrrrr! (ab.)
Maler Schmierpinſel tritt ein.
Schmierpinſel.
(ſinkt auf einen Stuhl hin.)
Der Gram tödtet mich noch! Jch möchte vor
Neid berſten! dieſen Eichbaum ſo zu erheben! Ein
Landſchaftsmaler, der nur Ochſen und Schafe als
Staffage malt, während ich die menſchliche Jn-
dividualität wiedergebe! O es iſt ſchändlich! Eich-
baum mit dem Verdienſtorden des „goldnen Pinſels‟
geſchmückt und ich noch nicht! Vergebens alſo habe
ich die Frau Miniſterin mit ihren vier häßlichen
Fratzen gemalt! vergebens den alten Präſidenten mit
ſeiner Burgundernaſe um einen Spottpreis! Alles
umſonſt! und dieſer Eichbaum iſt durchgedrungen!
Ha! vermuthlich weil ſeine Schweſter Kammerjungfer
der Miniſterin iſt. So ſind aber die Menſchen!
Wahres Verdienſt, ächte Genialität überſehen ſie
aus Nebengründen; Mittelmäſſigkeit, die ſich zu
ſchmiegen weiß, erheben ſie! Jch möchte meine Pal-
lette zerbrechen und meinen Pinſeln oder mir ſelbſt
die Haare ausreiſſen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/203 |
Zitationshilfe: | Pocci, Franz von: Lustiges Komödienbüchlein. Bd. 1. München, 1859, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pocci_komoedienbuechlein01_1859/203>, abgerufen am 16.02.2025. |