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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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Vom Standpunkt der blossen Vermehrung der Zahl
könnte man denken, das sei gleichgültig. Allein dem ist
nicht so. Denn die im ersten Fall mehrerzeugten 15 %0,
die nutzlos geboren werden und sterben, bedeuten eine
enorme Ausgabe an Kraft für die betreffende Rasse und
vermindern ihre Widerstandskraft im Kampf um's Dasein
gegen andere sonst gleiche Rassen, die weniger Geburten
und weniger Todesfälle haben.

Ein zweiter Punkt, der zu bedenken ist, betrifft die
Qualität der Kinder. Bei erhöhter Geburtenziffer sollte
man denken, steigt durch Vermehrung der Ehen und ihrer
Kinderzahl der Betrag der Variation, also die Möglichkeit
der Erzeugung guter Varianten, die dann durch ihren Sieg
in dem scharfen Kampf um's Dasein die Qualität der
Rasse verbessern würden, was bei gleichen Lebensbedin-
dungen gleichbedeutend wäre mit einer grösseren Beherr-
schung der Natur, also einer Vermehrung der Individuen-
zahl der Rasse. Für diese Hoffnung wäre ein Anhalt ge-
geben, wenn es sich erstens erweisen liesse, dass bei Ver-
mehrung der Ehen die neuen Ehen von gleich tüchtigen
Gatten als bei den ersten Ehen geschlossen würden, was
sicher nur zum kleinsten Theile zutrifft. Zweitens müsste
bewiesen werden, dass die Constitutionskraft der später in
einer Ehe geborenen Kinder, also der höhern Nummern
in der Geburten-Reihenfolge, ansteigt oder mindestens gleich
bleibt.

Genau das Gegentheil ist aber richtig. Geissler*)
hat 26429 Geburten in 5236 Ehen von Mitgliedern säch-
sischer Knappschaftskassen daraufhin untersucht und fest-
gestellt, wieviel im ersten Lebensjahr Verstorbene auf 100
Geborene der aufeinander folgenden Geburtennummern

*) Geissler, Arthur. Ueber den Einfluss der Säuglingssterb-
lichkeit auf die eheliche Fruchtbarkeit. Zeitschr. des k. sächs. statist.
Bureaus. 31. Jahrgang 1885. Dresden. S. 30.

Vom Standpunkt der blossen Vermehrung der Zahl
könnte man denken, das sei gleichgültig. Allein dem ist
nicht so. Denn die im ersten Fall mehrerzeugten 15 ‰,
die nutzlos geboren werden und sterben, bedeuten eine
enorme Ausgabe an Kraft für die betreffende Rasse und
vermindern ihre Widerstandskraft im Kampf um’s Dasein
gegen andere sonst gleiche Rassen, die weniger Geburten
und weniger Todesfälle haben.

Ein zweiter Punkt, der zu bedenken ist, betrifft die
Qualität der Kinder. Bei erhöhter Geburtenziffer sollte
man denken, steigt durch Vermehrung der Ehen und ihrer
Kinderzahl der Betrag der Variation, also die Möglichkeit
der Erzeugung guter Varianten, die dann durch ihren Sieg
in dem scharfen Kampf um’s Dasein die Qualität der
Rasse verbessern würden, was bei gleichen Lebensbedin-
dungen gleichbedeutend wäre mit einer grösseren Beherr-
schung der Natur, also einer Vermehrung der Individuen-
zahl der Rasse. Für diese Hoffnung wäre ein Anhalt ge-
geben, wenn es sich erstens erweisen liesse, dass bei Ver-
mehrung der Ehen die neuen Ehen von gleich tüchtigen
Gatten als bei den ersten Ehen geschlossen würden, was
sicher nur zum kleinsten Theile zutrifft. Zweitens müsste
bewiesen werden, dass die Constitutionskraft der später in
einer Ehe geborenen Kinder, also der höhern Nummern
in der Geburten-Reihenfolge, ansteigt oder mindestens gleich
bleibt.

Genau das Gegentheil ist aber richtig. Geissler*)
hat 26429 Geburten in 5236 Ehen von Mitgliedern säch-
sischer Knappschaftskassen daraufhin untersucht und fest-
gestellt, wieviel im ersten Lebensjahr Verstorbene auf 100
Geborene der aufeinander folgenden Geburtennummern

*) Geissler, Arthur. Ueber den Einfluss der Säuglingssterb-
lichkeit auf die eheliche Fruchtbarkeit. Zeitschr. des k. sächs. statist.
Bureaus. 31. Jahrgang 1885. Dresden. S. 30.
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[58/0078] Vom Standpunkt der blossen Vermehrung der Zahl könnte man denken, das sei gleichgültig. Allein dem ist nicht so. Denn die im ersten Fall mehrerzeugten 15 ‰, die nutzlos geboren werden und sterben, bedeuten eine enorme Ausgabe an Kraft für die betreffende Rasse und vermindern ihre Widerstandskraft im Kampf um’s Dasein gegen andere sonst gleiche Rassen, die weniger Geburten und weniger Todesfälle haben. Ein zweiter Punkt, der zu bedenken ist, betrifft die Qualität der Kinder. Bei erhöhter Geburtenziffer sollte man denken, steigt durch Vermehrung der Ehen und ihrer Kinderzahl der Betrag der Variation, also die Möglichkeit der Erzeugung guter Varianten, die dann durch ihren Sieg in dem scharfen Kampf um’s Dasein die Qualität der Rasse verbessern würden, was bei gleichen Lebensbedin- dungen gleichbedeutend wäre mit einer grösseren Beherr- schung der Natur, also einer Vermehrung der Individuen- zahl der Rasse. Für diese Hoffnung wäre ein Anhalt ge- geben, wenn es sich erstens erweisen liesse, dass bei Ver- mehrung der Ehen die neuen Ehen von gleich tüchtigen Gatten als bei den ersten Ehen geschlossen würden, was sicher nur zum kleinsten Theile zutrifft. Zweitens müsste bewiesen werden, dass die Constitutionskraft der später in einer Ehe geborenen Kinder, also der höhern Nummern in der Geburten-Reihenfolge, ansteigt oder mindestens gleich bleibt. Genau das Gegentheil ist aber richtig. Geissler *) hat 26429 Geburten in 5236 Ehen von Mitgliedern säch- sischer Knappschaftskassen daraufhin untersucht und fest- gestellt, wieviel im ersten Lebensjahr Verstorbene auf 100 Geborene der aufeinander folgenden Geburtennummern *) Geissler, Arthur. Ueber den Einfluss der Säuglingssterb- lichkeit auf die eheliche Fruchtbarkeit. Zeitschr. des k. sächs. statist. Bureaus. 31. Jahrgang 1885. Dresden. S. 30.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/78>, abgerufen am 24.11.2024.