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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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der Folge; den Tag brachte er unter seinen Kameraden
hin, schlief des Nachts bei ihnen und seine Braut besuchte
er heimlich und mit der grössten Behutsamkeit. ... Ein
solches Zusammenkommen diente nicht allein zur Uebung
in der Enthaltsamkeit und Mässigkeit, sondern sie beförderte
auch die Fruchtbarkeit und machte, dass sie sich immer
mit neuer und verjüngter Liebe umarmten. ... Er (Ly-
kurg) hielt es freilich für rathsam, dass der Frechheit und
Ausschweifung in der Ehe gesteuert würde, auf der ande-
ren Seite aber fand er es dem Staat zuträglich, wenn
unter den würdigen Männern eine Gemeinschaft der Kinder
und deren Erzeugung stattfände, und in so fern lachte er
diejenigen aus, welche bei solchen Dingen durchaus keine
Theilnahme gestatten. ... Es war also einem bejahrten
Manne, der eine junge Frau hatte, vergönnt, einen jungen
wackeren Mann, der ihm gefiel, und den er für tüchtig
hielt, bei seiner Frau einzuführen, und das von ihnen aus
edlem Samen erzeugte Kind für das seinige anzuerkennen.

Auf der anderen Seite stand es auch einem recht-
schaffenen Manne frei, wenn er die Frau eines Anderen
wegen ihrer Fruchtbarkeit und Tugend schätzte, den
Gatten derselben um die Erlaubniss zu bitten, dass er ihr
beiwohnen und gleichsam in einen fruchtbaren Boden
pflanzen und gute Kinder erzeugen dürfte. ... Lykur-
gus glaubte, dass die Kinder ... dem Staate gemein-
schaftlich gehörten, und in dieser Rücksicht, wollte er
die Bürger nur von den Besten, nicht aber von
Jedem ohne Unterschied erzeugen lassen ... Es
hing nicht bloss von dem Vater ab, ob er das geborene
Kind aufziehen wollte, sondern er musste es an einen ge-
wissen Ort, Lesche genannt, tragen, wo die Aeltesten der
Zünfte versammelt waren. Diese besichtigten es genau,
und wenn es stark und wohlgebaut war, hiessen sie es
ihn aufziehen, und wiesen ihm eins von den 9000 Loosen
an; war es hingegen schwach und übelgestaltet, so liessen

der Folge; den Tag brachte er unter seinen Kameraden
hin, schlief des Nachts bei ihnen und seine Braut besuchte
er heimlich und mit der grössten Behutsamkeit. … Ein
solches Zusammenkommen diente nicht allein zur Uebung
in der Enthaltsamkeit und Mässigkeit, sondern sie beförderte
auch die Fruchtbarkeit und machte, dass sie sich immer
mit neuer und verjüngter Liebe umarmten. … Er (Ly-
kurg) hielt es freilich für rathsam, dass der Frechheit und
Ausschweifung in der Ehe gesteuert würde, auf der ande-
ren Seite aber fand er es dem Staat zuträglich, wenn
unter den würdigen Männern eine Gemeinschaft der Kinder
und deren Erzeugung stattfände, und in so fern lachte er
diejenigen aus, welche bei solchen Dingen durchaus keine
Theilnahme gestatten. … Es war also einem bejahrten
Manne, der eine junge Frau hatte, vergönnt, einen jungen
wackeren Mann, der ihm gefiel, und den er für tüchtig
hielt, bei seiner Frau einzuführen, und das von ihnen aus
edlem Samen erzeugte Kind für das seinige anzuerkennen.

Auf der anderen Seite stand es auch einem recht-
schaffenen Manne frei, wenn er die Frau eines Anderen
wegen ihrer Fruchtbarkeit und Tugend schätzte, den
Gatten derselben um die Erlaubniss zu bitten, dass er ihr
beiwohnen und gleichsam in einen fruchtbaren Boden
pflanzen und gute Kinder erzeugen dürfte. … Lykur-
gus glaubte, dass die Kinder … dem Staate gemein-
schaftlich gehörten, und in dieser Rücksicht, wollte er
die Bürger nur von den Besten, nicht aber von
Jedem ohne Unterschied erzeugen lassen … Es
hing nicht bloss von dem Vater ab, ob er das geborene
Kind aufziehen wollte, sondern er musste es an einen ge-
wissen Ort, Lesche genannt, tragen, wo die Aeltesten der
Zünfte versammelt waren. Diese besichtigten es genau,
und wenn es stark und wohlgebaut war, hiessen sie es
ihn aufziehen, und wiesen ihm eins von den 9000 Loosen
an; war es hingegen schwach und übelgestaltet, so liessen

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[7/0027] der Folge; den Tag brachte er unter seinen Kameraden hin, schlief des Nachts bei ihnen und seine Braut besuchte er heimlich und mit der grössten Behutsamkeit. … Ein solches Zusammenkommen diente nicht allein zur Uebung in der Enthaltsamkeit und Mässigkeit, sondern sie beförderte auch die Fruchtbarkeit und machte, dass sie sich immer mit neuer und verjüngter Liebe umarmten. … Er (Ly- kurg) hielt es freilich für rathsam, dass der Frechheit und Ausschweifung in der Ehe gesteuert würde, auf der ande- ren Seite aber fand er es dem Staat zuträglich, wenn unter den würdigen Männern eine Gemeinschaft der Kinder und deren Erzeugung stattfände, und in so fern lachte er diejenigen aus, welche bei solchen Dingen durchaus keine Theilnahme gestatten. … Es war also einem bejahrten Manne, der eine junge Frau hatte, vergönnt, einen jungen wackeren Mann, der ihm gefiel, und den er für tüchtig hielt, bei seiner Frau einzuführen, und das von ihnen aus edlem Samen erzeugte Kind für das seinige anzuerkennen. Auf der anderen Seite stand es auch einem recht- schaffenen Manne frei, wenn er die Frau eines Anderen wegen ihrer Fruchtbarkeit und Tugend schätzte, den Gatten derselben um die Erlaubniss zu bitten, dass er ihr beiwohnen und gleichsam in einen fruchtbaren Boden pflanzen und gute Kinder erzeugen dürfte. … Lykur- gus glaubte, dass die Kinder … dem Staate gemein- schaftlich gehörten, und in dieser Rücksicht, wollte er die Bürger nur von den Besten, nicht aber von Jedem ohne Unterschied erzeugen lassen … Es hing nicht bloss von dem Vater ab, ob er das geborene Kind aufziehen wollte, sondern er musste es an einen ge- wissen Ort, Lesche genannt, tragen, wo die Aeltesten der Zünfte versammelt waren. Diese besichtigten es genau, und wenn es stark und wohlgebaut war, hiessen sie es ihn aufziehen, und wiesen ihm eins von den 9000 Loosen an; war es hingegen schwach und übelgestaltet, so liessen

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/27>, abgerufen am 24.11.2024.