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Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

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des nicht sehr mässig genossenen Alkohols (in Bier,
Wein und Schnaps) auf die Zeugungstoffe ganz beträcht-
lich herabgedrückt wird. Schriebe ich für ein gebildetes
englisches Publikum, so brauchte ich hierfür nicht so noth-
wendig weitere Belege anzubringen. Aber unser gebildeter
Deutscher ist grade puncto Alkohol so schlecht unterrichtet
und hegt so merkwürdige Anschauungen über die zuträg-
lichen Folgen seiner Trinksitten, dass er ihre Schäden gar
nicht sieht. Für ihn giebt's noch keine Alkoholfrage,
wenn sie auch in anderen Ländern schon brennend ge-
worden ist.

Und doch werden jährlich in die allgemeinen Heil-
und Irrenanstalten des Deutschen Reichs über 10000 Patienten
mit Alcolismus chronicus eingeliefert,*) eine Zahl, die ja
nur einen kleinen Theil des Schadens anzeigt. Nach den
Publicationen des Eidgenössischen statistischen Bureaus,
basirend auf ärztlichen Todtenscheinen aus den 15 grössten
Städten der Schweiz während des Jahres 1891, fielen von
den 1239 im Alter von 40--59 Jahren verstorbenen Männern
183 oder 14,8 % den directen oder indirecten Folgen des
Alkoholgenusses zum Opfer, d. h. mehr als der siebente
Theil. Dies repräsentirt nur die Sterblichkeit durch die
Trinksitten. Wieviel schwächliche Kinder diese Alkoholisten
vor ihrem Tode in die Welt gesetzt haben, das constatiren
keine Berichte.

Demme, der Berner Kinderkliniker, hat den schlimmen
Effect der elterlichen Trunksucht in einigen Fällen genauer
untersucht und ist dabei zu erschreckenden Resultaten
gekommen.**) Er verfolgte je zehn Familien von Trinkern
und von sehr Mässigen in ihren Lebensschicksalen.

*) Baer, A. Die Trunksucht und ihre Abwehr. Wien und
Leipzig 1890. S. 29.
**) Demme, Über den Einfluss des Alkohols auf den Organismus
des Kindes. Stuttgart 1891. S. 38.

des nicht sehr mässig genossenen Alkohols (in Bier,
Wein und Schnaps) auf die Zeugungstoffe ganz beträcht-
lich herabgedrückt wird. Schriebe ich für ein gebildetes
englisches Publikum, so brauchte ich hierfür nicht so noth-
wendig weitere Belege anzubringen. Aber unser gebildeter
Deutscher ist grade puncto Alkohol so schlecht unterrichtet
und hegt so merkwürdige Anschauungen über die zuträg-
lichen Folgen seiner Trinksitten, dass er ihre Schäden gar
nicht sieht. Für ihn giebt’s noch keine Alkoholfrage,
wenn sie auch in anderen Ländern schon brennend ge-
worden ist.

Und doch werden jährlich in die allgemeinen Heil-
und Irrenanstalten des Deutschen Reichs über 10000 Patienten
mit Alcolismus chronicus eingeliefert,*) eine Zahl, die ja
nur einen kleinen Theil des Schadens anzeigt. Nach den
Publicationen des Eidgenössischen statistischen Bureaus,
basirend auf ärztlichen Todtenscheinen aus den 15 grössten
Städten der Schweiz während des Jahres 1891, fielen von
den 1239 im Alter von 40—59 Jahren verstorbenen Männern
183 oder 14,8 % den directen oder indirecten Folgen des
Alkoholgenusses zum Opfer, d. h. mehr als der siebente
Theil. Dies repräsentirt nur die Sterblichkeit durch die
Trinksitten. Wieviel schwächliche Kinder diese Alkoholisten
vor ihrem Tode in die Welt gesetzt haben, das constatiren
keine Berichte.

Demme, der Berner Kinderkliniker, hat den schlimmen
Effect der elterlichen Trunksucht in einigen Fällen genauer
untersucht und ist dabei zu erschreckenden Resultaten
gekommen.**) Er verfolgte je zehn Familien von Trinkern
und von sehr Mässigen in ihren Lebensschicksalen.

*) Baer, A. Die Trunksucht und ihre Abwehr. Wien und
Leipzig 1890. S. 29.
**) Demme, Über den Einfluss des Alkohols auf den Organismus
des Kindes. Stuttgart 1891. S. 38.
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[191/0211] des nicht sehr mässig genossenen Alkohols (in Bier, Wein und Schnaps) auf die Zeugungstoffe ganz beträcht- lich herabgedrückt wird. Schriebe ich für ein gebildetes englisches Publikum, so brauchte ich hierfür nicht so noth- wendig weitere Belege anzubringen. Aber unser gebildeter Deutscher ist grade puncto Alkohol so schlecht unterrichtet und hegt so merkwürdige Anschauungen über die zuträg- lichen Folgen seiner Trinksitten, dass er ihre Schäden gar nicht sieht. Für ihn giebt’s noch keine Alkoholfrage, wenn sie auch in anderen Ländern schon brennend ge- worden ist. Und doch werden jährlich in die allgemeinen Heil- und Irrenanstalten des Deutschen Reichs über 10000 Patienten mit Alcolismus chronicus eingeliefert, *) eine Zahl, die ja nur einen kleinen Theil des Schadens anzeigt. Nach den Publicationen des Eidgenössischen statistischen Bureaus, basirend auf ärztlichen Todtenscheinen aus den 15 grössten Städten der Schweiz während des Jahres 1891, fielen von den 1239 im Alter von 40—59 Jahren verstorbenen Männern 183 oder 14,8 % den directen oder indirecten Folgen des Alkoholgenusses zum Opfer, d. h. mehr als der siebente Theil. Dies repräsentirt nur die Sterblichkeit durch die Trinksitten. Wieviel schwächliche Kinder diese Alkoholisten vor ihrem Tode in die Welt gesetzt haben, das constatiren keine Berichte. Demme, der Berner Kinderkliniker, hat den schlimmen Effect der elterlichen Trunksucht in einigen Fällen genauer untersucht und ist dabei zu erschreckenden Resultaten gekommen. **) Er verfolgte je zehn Familien von Trinkern und von sehr Mässigen in ihren Lebensschicksalen. *) Baer, A. Die Trunksucht und ihre Abwehr. Wien und Leipzig 1890. S. 29. **) Demme, Über den Einfluss des Alkohols auf den Organismus des Kindes. Stuttgart 1891. S. 38.

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Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/211>, abgerufen am 22.11.2024.