Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

documentirt wird, dass der Antheil dieses Postens an den
Verpflichtungen (32 %) ein gut Theil hinter seinem Antheil
an der Zahl der Bankerotte (39,2 %) zurückbleibt. Von
den noch übrig bleibenden 61 % können wir 34, d. h.
etwa die Hälfte, eher als wirthschaftliche Ausjäte betrachten,
nämlich die Posten Unfähigkeit, Unerfahrenheit, unkluger
Credit, Verschwendung, Nachlässigkeit, Speculation und
Betrug, und 27, die kleinere Hälfte, eher als Folge non-
selectorischer wirthschaftlicher Factoren ansehen, nämlich
die Posten Bankerott Anderer, Concurrenz, Unglücke und
Krisen. Einen exacten Werth können diese Zahlen natürlich
schon deshalb nicht haben, weil die wahren Ursachen
der Bankerotte nicht immer leicht festzustellen sind.

Wir haben demnach gar keine andere Möglichkeit, als
uns an die Gesammt-Armuth zu halten. Eine Betrachtung
der Beziehungen der Armuth zur Constitutionskraft und zur
Qualität der erzeugten Devarianten ist nicht nur nothwendig,
um die Folgen der ökonomischen Ausjätung zu charakte-
risiren, sondern wir müssen auch die der nonselectorisch
entstandenen Armuth näher kennen lernen, um die Be-
deutung dieses letzteren Factors für den Rassenprocess
würdigen zu können.

Was zunächst den directen Hungertod anlangt, so mag
er ja in seiner acuten Form nicht so sehr häufig auftreten,
trotzdem z. B. 1887 in London in 36 Fällen der Tod
durch buchstäbliches Verhungern von den Leichenbeschauern
constatirt wurde. Allein in der langsamen indirecten Form,
die kaum noch mit Hungergefühl ausser grade nach andrer
und besserer Nahrung einhergeht, ist er häufiger, indem
die mangelhafte Ernährung das Auftreten vieler Krank-
heiten erleichtert und ihren Verlauf schlimmer gestaltet.*)

*) In Bezug auf die grosse Erkrankungsziffer der niederen Volks-
schichten findet sich viel Material in den Berichten der verschiedenen
Fabrikinspectoren; besonders instructiv ist die ausgezeichnete Arbeit
der Herren Dr. F. Schuler, eidgenössischer Fabrikinspector in Mollis

documentirt wird, dass der Antheil dieses Postens an den
Verpflichtungen (32 %) ein gut Theil hinter seinem Antheil
an der Zahl der Bankerotte (39,2 %) zurückbleibt. Von
den noch übrig bleibenden 61 % können wir 34, d. h.
etwa die Hälfte, eher als wirthschaftliche Ausjäte betrachten,
nämlich die Posten Unfähigkeit, Unerfahrenheit, unkluger
Credit, Verschwendung, Nachlässigkeit, Speculation und
Betrug, und 27, die kleinere Hälfte, eher als Folge non-
selectorischer wirthschaftlicher Factoren ansehen, nämlich
die Posten Bankerott Anderer, Concurrenz, Unglücke und
Krisen. Einen exacten Werth können diese Zahlen natürlich
schon deshalb nicht haben, weil die wahren Ursachen
der Bankerotte nicht immer leicht festzustellen sind.

Wir haben demnach gar keine andere Möglichkeit, als
uns an die Gesammt-Armuth zu halten. Eine Betrachtung
der Beziehungen der Armuth zur Constitutionskraft und zur
Qualität der erzeugten Devarianten ist nicht nur nothwendig,
um die Folgen der ökonomischen Ausjätung zu charakte-
risiren, sondern wir müssen auch die der nonselectorisch
entstandenen Armuth näher kennen lernen, um die Be-
deutung dieses letzteren Factors für den Rassenprocess
würdigen zu können.

Was zunächst den directen Hungertod anlangt, so mag
er ja in seiner acuten Form nicht so sehr häufig auftreten,
trotzdem z. B. 1887 in London in 36 Fällen der Tod
durch buchstäbliches Verhungern von den Leichenbeschauern
constatirt wurde. Allein in der langsamen indirecten Form,
die kaum noch mit Hungergefühl ausser grade nach andrer
und besserer Nahrung einhergeht, ist er häufiger, indem
die mangelhafte Ernährung das Auftreten vieler Krank-
heiten erleichtert und ihren Verlauf schlimmer gestaltet.*)

*) In Bezug auf die grosse Erkrankungsziffer der niederen Volks-
schichten findet sich viel Material in den Berichten der verschiedenen
Fabrikinspectoren; besonders instructiv ist die ausgezeichnete Arbeit
der Herren Dr. F. Schuler, eidgenössischer Fabrikinspector in Mollis
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0176" n="156"/>
documentirt wird, dass der Antheil dieses Postens an den<lb/>
Verpflichtungen (32 %) ein gut Theil hinter seinem Antheil<lb/>
an der Zahl der Bankerotte (39,2 %) zurückbleibt. Von<lb/>
den noch übrig bleibenden 61 % können wir 34, d. h.<lb/>
etwa die Hälfte, eher als wirthschaftliche Ausjäte betrachten,<lb/>
nämlich die Posten Unfähigkeit, Unerfahrenheit, unkluger<lb/>
Credit, Verschwendung, Nachlässigkeit, Speculation und<lb/>
Betrug, und 27, die kleinere Hälfte, eher als Folge non-<lb/>
selectorischer wirthschaftlicher Factoren ansehen, nämlich<lb/>
die Posten Bankerott Anderer, Concurrenz, Unglücke und<lb/>
Krisen. Einen exacten Werth können diese Zahlen natürlich<lb/>
schon deshalb nicht haben, weil die wahren Ursachen<lb/>
der Bankerotte nicht immer leicht festzustellen sind.</p><lb/>
            <p>Wir haben demnach gar keine andere Möglichkeit, als<lb/>
uns an die Gesammt-Armuth zu halten. Eine Betrachtung<lb/>
der Beziehungen der Armuth zur Constitutionskraft und zur<lb/>
Qualität der erzeugten Devarianten ist nicht nur nothwendig,<lb/>
um die Folgen der ökonomischen <hi rendition="#g">Ausjätung</hi> zu charakte-<lb/>
risiren, sondern wir müssen auch die der <hi rendition="#g">nonselectorisch</hi><lb/>
entstandenen Armuth näher kennen lernen, um die Be-<lb/>
deutung dieses letzteren Factors für den Rassenprocess<lb/>
würdigen zu können.</p><lb/>
            <p>Was zunächst den directen Hungertod anlangt, so mag<lb/>
er ja in seiner acuten Form nicht so sehr häufig auftreten,<lb/>
trotzdem z. B. 1887 in London in 36 Fällen der Tod<lb/>
durch buchstäbliches Verhungern von den Leichenbeschauern<lb/>
constatirt wurde. Allein in der langsamen indirecten Form,<lb/>
die kaum noch mit Hungergefühl ausser grade nach andrer<lb/>
und besserer Nahrung einhergeht, ist er häufiger, indem<lb/>
die mangelhafte Ernährung das Auftreten vieler Krank-<lb/>
heiten erleichtert und ihren Verlauf schlimmer gestaltet.<note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="*)">In Bezug auf die grosse Erkrankungsziffer der niederen Volks-<lb/>
schichten findet sich viel Material in den Berichten der verschiedenen<lb/>
Fabrikinspectoren; besonders instructiv ist die ausgezeichnete Arbeit<lb/>
der Herren Dr. F. <hi rendition="#g">Schuler</hi>, eidgenössischer Fabrikinspector in Mollis</note></p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0176] documentirt wird, dass der Antheil dieses Postens an den Verpflichtungen (32 %) ein gut Theil hinter seinem Antheil an der Zahl der Bankerotte (39,2 %) zurückbleibt. Von den noch übrig bleibenden 61 % können wir 34, d. h. etwa die Hälfte, eher als wirthschaftliche Ausjäte betrachten, nämlich die Posten Unfähigkeit, Unerfahrenheit, unkluger Credit, Verschwendung, Nachlässigkeit, Speculation und Betrug, und 27, die kleinere Hälfte, eher als Folge non- selectorischer wirthschaftlicher Factoren ansehen, nämlich die Posten Bankerott Anderer, Concurrenz, Unglücke und Krisen. Einen exacten Werth können diese Zahlen natürlich schon deshalb nicht haben, weil die wahren Ursachen der Bankerotte nicht immer leicht festzustellen sind. Wir haben demnach gar keine andere Möglichkeit, als uns an die Gesammt-Armuth zu halten. Eine Betrachtung der Beziehungen der Armuth zur Constitutionskraft und zur Qualität der erzeugten Devarianten ist nicht nur nothwendig, um die Folgen der ökonomischen Ausjätung zu charakte- risiren, sondern wir müssen auch die der nonselectorisch entstandenen Armuth näher kennen lernen, um die Be- deutung dieses letzteren Factors für den Rassenprocess würdigen zu können. Was zunächst den directen Hungertod anlangt, so mag er ja in seiner acuten Form nicht so sehr häufig auftreten, trotzdem z. B. 1887 in London in 36 Fällen der Tod durch buchstäbliches Verhungern von den Leichenbeschauern constatirt wurde. Allein in der langsamen indirecten Form, die kaum noch mit Hungergefühl ausser grade nach andrer und besserer Nahrung einhergeht, ist er häufiger, indem die mangelhafte Ernährung das Auftreten vieler Krank- heiten erleichtert und ihren Verlauf schlimmer gestaltet. *) *) In Bezug auf die grosse Erkrankungsziffer der niederen Volks- schichten findet sich viel Material in den Berichten der verschiedenen Fabrikinspectoren; besonders instructiv ist die ausgezeichnete Arbeit der Herren Dr. F. Schuler, eidgenössischer Fabrikinspector in Mollis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/176
Zitationshilfe: Ploetz, Alfred: Grundlinien einer Rassenhygiene. Berlin: Fischer, 1895, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ploetz_rassenhygiene_1895/176>, abgerufen am 18.05.2024.