Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite
Hirte.
Hab' ich die süßesten doch, die gescheutesten Worte ver¬
schwendet!

Frostig beharrst du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee.
Winzerin.
Kommt Weihnachten heran, mein Süßer, und reift die
Orange,

Werde mit Früchten der Korb, welchen ich gebe, gefüllt.
Hirte.
Deinem Geliebten den Korb anbieten, du würdest es nie
thun,

Hätte Vincenz nicht mich, deinen Geliebten, verdrängt.
Winzerin.
Wäre Vincenz mir werth, nie hätt' ich zu schämen der
Wahl mich,

Ehe der Flaum ihm schwoll, küßtest den Schönen du selbst.
Hirte.
Mir nun ist er ein Gegner geworden, und gestern in
heft'gen

Wechselgesangs Wettstreit improvisirt' ich mit ihm.
Winzerin.
Ihm fehlt selten ein Reim, auch dir fehlt selten ein
Reim, Freund!

Aber des Volks Beyfall wurde dem Knaben zu Theil.
Hirte.
Hab' ich die ſuͤßeſten doch, die geſcheuteſten Worte ver¬
ſchwendet!

Froſtig beharrſt du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee.
Winzerin.
Kommt Weihnachten heran, mein Suͤßer, und reift die
Orange,

Werde mit Fruͤchten der Korb, welchen ich gebe, gefuͤllt.
Hirte.
Deinem Geliebten den Korb anbieten, du wuͤrdeſt es nie
thun,

Haͤtte Vincenz nicht mich, deinen Geliebten, verdraͤngt.
Winzerin.
Waͤre Vincenz mir werth, nie haͤtt' ich zu ſchaͤmen der
Wahl mich,

Ehe der Flaum ihm ſchwoll, kuͤßteſt den Schoͤnen du ſelbſt.
Hirte.
Mir nun iſt er ein Gegner geworden, und geſtern in
heft'gen

Wechſelgeſangs Wettſtreit improviſirt' ich mit ihm.
Winzerin.
Ihm fehlt ſelten ein Reim, auch dir fehlt ſelten ein
Reim, Freund!

Aber des Volks Beyfall wurde dem Knaben zu Theil.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0302" n="292"/>
            <lg n="6">
              <head> <hi rendition="#g">Hirte.</hi> </head><lb/>
              <l>Hab' ich die &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten doch, die ge&#x017F;cheute&#x017F;ten Worte ver¬<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwendet!</hi></l><lb/>
              <l>Fro&#x017F;tig beharr&#x017F;t du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <head> <hi rendition="#g">Winzerin.</hi> </head><lb/>
              <l>Kommt Weihnachten heran, mein Su&#x0364;ßer, und reift die<lb/><hi rendition="#et">Orange,</hi></l><lb/>
              <l>Werde mit Fru&#x0364;chten der Korb, welchen ich gebe, gefu&#x0364;llt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <head> <hi rendition="#g">Hirte.</hi> </head><lb/>
              <l>Deinem Geliebten den Korb anbieten, du wu&#x0364;rde&#x017F;t es nie<lb/><hi rendition="#et">thun,</hi></l><lb/>
              <l>Ha&#x0364;tte Vincenz nicht mich, deinen Geliebten, verdra&#x0364;ngt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="9">
              <head> <hi rendition="#g">Winzerin.</hi> </head><lb/>
              <l>Wa&#x0364;re Vincenz mir werth, nie ha&#x0364;tt' ich zu &#x017F;cha&#x0364;men der<lb/><hi rendition="#et">Wahl mich,</hi></l><lb/>
              <l>Ehe der Flaum ihm &#x017F;chwoll, ku&#x0364;ßte&#x017F;t den Scho&#x0364;nen du &#x017F;elb&#x017F;t.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="10">
              <head> <hi rendition="#g">Hirte.</hi> </head><lb/>
              <l>Mir nun i&#x017F;t er ein Gegner geworden, und ge&#x017F;tern in<lb/><hi rendition="#et">heft'gen</hi></l><lb/>
              <l>Wech&#x017F;elge&#x017F;angs Wett&#x017F;treit improvi&#x017F;irt' ich mit ihm.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="11">
              <head> <hi rendition="#g">Winzerin.</hi> </head><lb/>
              <l>Ihm fehlt &#x017F;elten ein Reim, auch dir fehlt &#x017F;elten ein<lb/><hi rendition="#et">Reim, Freund!</hi></l><lb/>
              <l>Aber des Volks Beyfall wurde dem Knaben zu Theil.</l><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0302] Hirte. Hab' ich die ſuͤßeſten doch, die geſcheuteſten Worte ver¬ ſchwendet! Froſtig beharrſt du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee. Winzerin. Kommt Weihnachten heran, mein Suͤßer, und reift die Orange, Werde mit Fruͤchten der Korb, welchen ich gebe, gefuͤllt. Hirte. Deinem Geliebten den Korb anbieten, du wuͤrdeſt es nie thun, Haͤtte Vincenz nicht mich, deinen Geliebten, verdraͤngt. Winzerin. Waͤre Vincenz mir werth, nie haͤtt' ich zu ſchaͤmen der Wahl mich, Ehe der Flaum ihm ſchwoll, kuͤßteſt den Schoͤnen du ſelbſt. Hirte. Mir nun iſt er ein Gegner geworden, und geſtern in heft'gen Wechſelgeſangs Wettſtreit improviſirt' ich mit ihm. Winzerin. Ihm fehlt ſelten ein Reim, auch dir fehlt ſelten ein Reim, Freund! Aber des Volks Beyfall wurde dem Knaben zu Theil.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/302
Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/302>, abgerufen am 22.11.2024.