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Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

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Erndtet. -- Aber entferne die schattende Wolke, Schmerz! --
Auch zum Molo bewegt sich die Menge, wo hingestreckt
Sonnt die nackenden Glieder der bräunliche Lazzaron.
Capri siehst du von fern in dem ruhigen Wellenspiel;
Schiffe kommen und gehn, es erklettern den höchsten Mast
Flugs Matrosen, es ladet die Barke dich ein zur Fahrt.
Den Erzähler indessen umwimmelt es, Jung und Alt,
Stehend, sitzend, zur Erde gelagert und über's Knie
Beyde Hände gefaltet, in horchender Wißbegier:
Roland singt er, er singt das gefabelte Schwert Rinalds;
Oft durch Glossen erklärt er die schwierigen Stanzen, oft
Unterbrechen die Hörer mit muthigem Ruf den Mann.
Aufersteh' o Homer! Wenn im Norden vielleicht man dich
Kalt wegwiese von Thüre zu Thür', o so fändst du hier
Ein halbgriechisches Volk und ein griechisches Firmament! --
Mancher Dichter vielleicht, in der Oede des Nords erzeugt,
Schleicht hier unter dem Himmel des Glücks, und dem
Heimathland

Stimmt er süßen Gesang und gediegenen Redeton,
Den es heute vermag zu genießen und morgen noch,
Der zunimmt an Geschmack mit den Jahren, wie deutscher
Wein:

Freyheit singt er und männliche Würde der feigen Zeit,
Schmach dem Heuchler und Fluch dem Bedrücker, und
Jedem, der

Knechtschaft prediget, welche des Menschengeschlechts Ver¬
derb.

Ach, nicht wähnt er den Neid zu besiegen und weilt ent¬
fernt,

Taub den Feinden und hoffend, es werde die spät're Welt
Spreu von Waizen zu scheiden verstehn. -- Wie erhaben
sinkt

Schon die Sonne! Du ruhst in der Barke, wie süß gewiegt!
Erndtet. — Aber entferne die ſchattende Wolke, Schmerz! —
Auch zum Molo bewegt ſich die Menge, wo hingeſtreckt
Sonnt die nackenden Glieder der braͤunliche Lazzaron.
Capri ſiehſt du von fern in dem ruhigen Wellenſpiel;
Schiffe kommen und gehn, es erklettern den hoͤchſten Maſt
Flugs Matroſen, es ladet die Barke dich ein zur Fahrt.
Den Erzaͤhler indeſſen umwimmelt es, Jung und Alt,
Stehend, ſitzend, zur Erde gelagert und uͤber's Knie
Beyde Haͤnde gefaltet, in horchender Wißbegier:
Roland ſingt er, er ſingt das gefabelte Schwert Rinalds;
Oft durch Gloſſen erklaͤrt er die ſchwierigen Stanzen, oft
Unterbrechen die Hoͤrer mit muthigem Ruf den Mann.
Auferſteh' o Homer! Wenn im Norden vielleicht man dich
Kalt wegwieſe von Thuͤre zu Thuͤr', o ſo faͤndſt du hier
Ein halbgriechiſches Volk und ein griechiſches Firmament! —
Mancher Dichter vielleicht, in der Oede des Nords erzeugt,
Schleicht hier unter dem Himmel des Gluͤcks, und dem
Heimathland

Stimmt er ſuͤßen Geſang und gediegenen Redeton,
Den es heute vermag zu genießen und morgen noch,
Der zunimmt an Geſchmack mit den Jahren, wie deutſcher
Wein:

Freyheit ſingt er und maͤnnliche Wuͤrde der feigen Zeit,
Schmach dem Heuchler und Fluch dem Bedruͤcker, und
Jedem, der

Knechtſchaft prediget, welche des Menſchengeſchlechts Ver¬
derb.

Ach, nicht waͤhnt er den Neid zu beſiegen und weilt ent¬
fernt,

Taub den Feinden und hoffend, es werde die ſpaͤt're Welt
Spreu von Waizen zu ſcheiden verſtehn. — Wie erhaben
ſinkt

Schon die Sonne! Du ruhſt in der Barke, wie ſuͤß gewiegt!
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[286/0296] Erndtet. — Aber entferne die ſchattende Wolke, Schmerz! — Auch zum Molo bewegt ſich die Menge, wo hingeſtreckt Sonnt die nackenden Glieder der braͤunliche Lazzaron. Capri ſiehſt du von fern in dem ruhigen Wellenſpiel; Schiffe kommen und gehn, es erklettern den hoͤchſten Maſt Flugs Matroſen, es ladet die Barke dich ein zur Fahrt. Den Erzaͤhler indeſſen umwimmelt es, Jung und Alt, Stehend, ſitzend, zur Erde gelagert und uͤber's Knie Beyde Haͤnde gefaltet, in horchender Wißbegier: Roland ſingt er, er ſingt das gefabelte Schwert Rinalds; Oft durch Gloſſen erklaͤrt er die ſchwierigen Stanzen, oft Unterbrechen die Hoͤrer mit muthigem Ruf den Mann. Auferſteh' o Homer! Wenn im Norden vielleicht man dich Kalt wegwieſe von Thuͤre zu Thuͤr', o ſo faͤndſt du hier Ein halbgriechiſches Volk und ein griechiſches Firmament! — Mancher Dichter vielleicht, in der Oede des Nords erzeugt, Schleicht hier unter dem Himmel des Gluͤcks, und dem Heimathland Stimmt er ſuͤßen Geſang und gediegenen Redeton, Den es heute vermag zu genießen und morgen noch, Der zunimmt an Geſchmack mit den Jahren, wie deutſcher Wein: Freyheit ſingt er und maͤnnliche Wuͤrde der feigen Zeit, Schmach dem Heuchler und Fluch dem Bedruͤcker, und Jedem, der Knechtſchaft prediget, welche des Menſchengeſchlechts Ver¬ derb. Ach, nicht waͤhnt er den Neid zu beſiegen und weilt ent¬ fernt, Taub den Feinden und hoffend, es werde die ſpaͤt're Welt Spreu von Waizen zu ſcheiden verſtehn. — Wie erhaben ſinkt Schon die Sonne! Du ruhſt in der Barke, wie ſuͤß gewiegt!

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Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/296>, abgerufen am 25.11.2024.