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Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.

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And're Gassen hindurch; der Verkäufer und Käufer Lärm
Ringsum. Horch, wie sie preisen die Waare mit lautem
Ruf!

Käuflich Alles, die Sache, der Mensch, und die Seele
selbst.

Aus Carossen und sonstigem Pferdegespann, wie schrey'n
Wagenlenker um dich, und der dürftige Knabe, der
Auf die Kutsche sogleich, dir ein Diener zu seyn, sich stellt.
Sieh, hier zügelt das Cabriolett ein beleibter Mönch,
Und sein Eselchen geisselt ein anderer wohlgemuth.
Kuppler lispeln indeß, und es winselt ein Bettler dir
Manches Ave, verschämt das Gesicht mit dem Tuch be¬
deckt.

Dort steht müssiges Volk um den hölzernen Pulcinell,
Der vom Marionettengebälke possirlich glozt;
Hier Wahrsager mit ihren gesprenkelten Schlangen; dort
Magst du löschen den Durst an der Bude des Acquajuols,
Der Eiswasser vermengt und der herben Limone Saft.
Alles tummelt im Freyen sich hier: der geschäftige
Garkoch siedet, er fürchtet den seltenen Regen nicht;
Ihn umgibt ein Matrosengeschwader, die heiße Kost
Schlingend gieriges Muths. An die Ecke der Straße dort
Sezt ihr Tischchen mit Kupfermoneten die Wechslerin,
Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er schabt,
nachdem

Erst entgegen dem sonnigen Strahl er ein Tuch gespannt.
Dort im Schatten die Tische des fertigen Schreibervolks,
Stets bereit zu Bericht und Supliken und Liebesbrief,
Ob ein Knabe diktire der fernen Ersehnten sein
Seufzen, oder ein leidendes Weib den verwiesenen
Gatten tröste, verbannt nach entlegener Insel, ihn,
Der sein freyes Gemüth in dem untersten Kerker quält
Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn,
And're Gaſſen hindurch; der Verkaͤufer und Kaͤufer Laͤrm
Ringsum. Horch, wie ſie preiſen die Waare mit lautem
Ruf!

Kaͤuflich Alles, die Sache, der Menſch, und die Seele
ſelbſt.

Aus Caroſſen und ſonſtigem Pferdegeſpann, wie ſchrey'n
Wagenlenker um dich, und der duͤrftige Knabe, der
Auf die Kutſche ſogleich, dir ein Diener zu ſeyn, ſich ſtellt.
Sieh, hier zuͤgelt das Cabriolett ein beleibter Moͤnch,
Und ſein Eſelchen geiſſelt ein anderer wohlgemuth.
Kuppler liſpeln indeß, und es winſelt ein Bettler dir
Manches Ave, verſchaͤmt das Geſicht mit dem Tuch be¬
deckt.

Dort ſteht muͤſſiges Volk um den hoͤlzernen Pulcinell,
Der vom Marionettengebaͤlke poſſirlich glozt;
Hier Wahrſager mit ihren geſprenkelten Schlangen; dort
Magſt du loͤſchen den Durſt an der Bude des Acquajuols,
Der Eiswaſſer vermengt und der herben Limone Saft.
Alles tummelt im Freyen ſich hier: der geſchaͤftige
Garkoch ſiedet, er fuͤrchtet den ſeltenen Regen nicht;
Ihn umgibt ein Matroſengeſchwader, die heiße Koſt
Schlingend gieriges Muths. An die Ecke der Straße dort
Sezt ihr Tiſchchen mit Kupfermoneten die Wechslerin,
Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er ſchabt,
nachdem

Erſt entgegen dem ſonnigen Strahl er ein Tuch geſpannt.
Dort im Schatten die Tiſche des fertigen Schreibervolks,
Stets bereit zu Bericht und Supliken und Liebesbrief,
Ob ein Knabe diktire der fernen Erſehnten ſein
Seufzen, oder ein leidendes Weib den verwieſenen
Gatten troͤſte, verbannt nach entlegener Inſel, ihn,
Der ſein freyes Gemuͤth in dem unterſten Kerker quaͤlt
Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn,
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[285/0295] And're Gaſſen hindurch; der Verkaͤufer und Kaͤufer Laͤrm Ringsum. Horch, wie ſie preiſen die Waare mit lautem Ruf! Kaͤuflich Alles, die Sache, der Menſch, und die Seele ſelbſt. Aus Caroſſen und ſonſtigem Pferdegeſpann, wie ſchrey'n Wagenlenker um dich, und der duͤrftige Knabe, der Auf die Kutſche ſogleich, dir ein Diener zu ſeyn, ſich ſtellt. Sieh, hier zuͤgelt das Cabriolett ein beleibter Moͤnch, Und ſein Eſelchen geiſſelt ein anderer wohlgemuth. Kuppler liſpeln indeß, und es winſelt ein Bettler dir Manches Ave, verſchaͤmt das Geſicht mit dem Tuch be¬ deckt. Dort ſteht muͤſſiges Volk um den hoͤlzernen Pulcinell, Der vom Marionettengebaͤlke poſſirlich glozt; Hier Wahrſager mit ihren geſprenkelten Schlangen; dort Magſt du loͤſchen den Durſt an der Bude des Acquajuols, Der Eiswaſſer vermengt und der herben Limone Saft. Alles tummelt im Freyen ſich hier: der geſchaͤftige Garkoch ſiedet, er fuͤrchtet den ſeltenen Regen nicht; Ihn umgibt ein Matroſengeſchwader, die heiße Koſt Schlingend gieriges Muths. An die Ecke der Straße dort Sezt ihr Tiſchchen mit Kupfermoneten die Wechslerin, Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er ſchabt, nachdem Erſt entgegen dem ſonnigen Strahl er ein Tuch geſpannt. Dort im Schatten die Tiſche des fertigen Schreibervolks, Stets bereit zu Bericht und Supliken und Liebesbrief, Ob ein Knabe diktire der fernen Erſehnten ſein Seufzen, oder ein leidendes Weib den verwieſenen Gatten troͤſte, verbannt nach entlegener Inſel, ihn, Der ſein freyes Gemuͤth in dem unterſten Kerker quaͤlt Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn,

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Zitationshilfe: Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/295>, abgerufen am 25.11.2024.