Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.
Seinen Fittich stolz erhebet von der Erde Niederungen. Folget seinem Flug und lasset unter euch der Sorgen jede, Und mit Adlerklau'n zum Himmel trägt er euch als Gany- mede! Wo die Schönheit mit verschämtem Lächeln senkt den Blick, den süßen, Und von stäter Jugend träumet zu des ew'gen Vaters Füßen; Wo ein holder Wonnetaumel spielt in alle Seelentriebe, Holder als ein menschlich Auge, wenn es blickt den Blick der Liebe! Dort, wo Friede wohnet, mögt ihr seligen Gesängen lauschen; Aber lebet wohl, es fangen meine Flügel an zu rauschen! (sie verschwindet.) Damon. Hast du vom Galimathias dieses Geists ein Wort ver- standen? Schmuhl. Wenig gilt ein Wort im Leben, wäre nur das Geld vor- handen! Damon. Dürfen Geister denn betrügen? Welch ein schändliches Ver- fahren! Schmuhl. Freilich, doch die Menschen ködert man so selten mit dem Wahren; Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am ersten ihren Willen, Denn in Süßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen. Damon. Wenigstens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge- reinigt,
Seinen Fittich ſtolz erhebet von der Erde Niederungen. Folget ſeinem Flug und laſſet unter euch der Sorgen jede, Und mit Adlerklau'n zum Himmel traͤgt er euch als Gany- mede! Wo die Schoͤnheit mit verſchaͤmtem Laͤcheln ſenkt den Blick, den ſuͤßen, Und von ſtaͤter Jugend traͤumet zu des ew'gen Vaters Fuͤßen; Wo ein holder Wonnetaumel ſpielt in alle Seelentriebe, Holder als ein menſchlich Auge, wenn es blickt den Blick der Liebe! Dort, wo Friede wohnet, moͤgt ihr ſeligen Geſaͤngen lauſchen; Aber lebet wohl, es fangen meine Fluͤgel an zu rauſchen! (ſie verſchwindet.) Damon. Haſt du vom Galimathias dieſes Geiſts ein Wort ver- ſtanden? Schmuhl. Wenig gilt ein Wort im Leben, waͤre nur das Geld vor- handen! Damon. Duͤrfen Geiſter denn betruͤgen? Welch ein ſchaͤndliches Ver- fahren! Schmuhl. Freilich, doch die Menſchen koͤdert man ſo ſelten mit dem Wahren; Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am erſten ihren Willen, Denn in Suͤßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen. Damon. Wenigſtens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge- reinigt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#SAL"> <p><pb facs="#f0090" n="84"/> Seinen Fittich ſtolz erhebet von der Erde Niederungen.<lb/> Folget ſeinem Flug und laſſet unter euch der Sorgen jede,<lb/> Und mit Adlerklau'n zum Himmel traͤgt er euch als Gany-<lb/> mede!<lb/> Wo die Schoͤnheit mit verſchaͤmtem Laͤcheln ſenkt den Blick,<lb/> den ſuͤßen,<lb/> Und von ſtaͤter Jugend traͤumet zu des ew'gen Vaters Fuͤßen;<lb/> Wo ein holder Wonnetaumel ſpielt in alle Seelentriebe,<lb/> Holder als ein menſchlich Auge, wenn es blickt den Blick der<lb/> Liebe!<lb/> Dort, wo Friede wohnet, moͤgt ihr ſeligen Geſaͤngen lauſchen;<lb/> Aber lebet wohl, es fangen meine Fluͤgel an zu rauſchen!</p><lb/> <stage> <hi rendition="#right">(ſie verſchwindet.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Haſt du vom Galimathias dieſes Geiſts ein Wort ver-<lb/> ſtanden?</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Schmuhl</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenig gilt ein Wort im Leben, waͤre nur das Geld vor-<lb/> handen!</p> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Duͤrfen Geiſter denn betruͤgen? Welch ein ſchaͤndliches Ver-<lb/> fahren!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCHM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Schmuhl</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Freilich, doch die Menſchen koͤdert man ſo ſelten mit dem<lb/> Wahren;<lb/> Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am erſten ihren<lb/> Willen,<lb/> Denn in Suͤßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen.</p> </sp><lb/> <sp who="#DAM"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Damon</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenigſtens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge-<lb/> reinigt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0090]
Seinen Fittich ſtolz erhebet von der Erde Niederungen.
Folget ſeinem Flug und laſſet unter euch der Sorgen jede,
Und mit Adlerklau'n zum Himmel traͤgt er euch als Gany-
mede!
Wo die Schoͤnheit mit verſchaͤmtem Laͤcheln ſenkt den Blick,
den ſuͤßen,
Und von ſtaͤter Jugend traͤumet zu des ew'gen Vaters Fuͤßen;
Wo ein holder Wonnetaumel ſpielt in alle Seelentriebe,
Holder als ein menſchlich Auge, wenn es blickt den Blick der
Liebe!
Dort, wo Friede wohnet, moͤgt ihr ſeligen Geſaͤngen lauſchen;
Aber lebet wohl, es fangen meine Fluͤgel an zu rauſchen!
(ſie verſchwindet.)
Damon.
Haſt du vom Galimathias dieſes Geiſts ein Wort ver-
ſtanden?
Schmuhl.
Wenig gilt ein Wort im Leben, waͤre nur das Geld vor-
handen!
Damon.
Duͤrfen Geiſter denn betruͤgen? Welch ein ſchaͤndliches Ver-
fahren!
Schmuhl.
Freilich, doch die Menſchen koͤdert man ſo ſelten mit dem
Wahren;
Darum lenkt als Arzt der Dichter noch am erſten ihren
Willen,
Denn in Suͤßes eingewickelt reicht er die verhaßten Pillen.
Damon.
Wenigſtens zufrieden bin ich, daß ich vom Verdacht ge-
reinigt,
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