Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Spann plötzlich, weh! sich ein solches Gethüm von der Decke
herab in den Mund mir:
Ich schrie, wie am Spieß, das erräthst du, doch nicht,
was nun mein Ehegemahl that?
Er erschrak und stach sich die Gabel in Schlund, da er just
Kartoffelsalat aß.
So starb er und mir blieb stets in der Brust ein grausam
nagender Vorwurf,
Obgleich nach ihm drei Männer ich noch heirathete, mich zu
betäuben.
Doch hinderlich ging's mir stets und betrübt, seit jenem
erbärmlichen Unfall:
Wenn ich am Putztisch mich schminkte, vergaß ich gemeinig-
lich eine der Backen;
Wenn ich emsig und schnell Nähnadeln sodann einfädelte,
fand ich das Oeh[r] nicht;
Wenn ich mahlte Kaffee, gleich sprangen sofort zur Mühle
heraus mir die Bohnen;
Wenn ich beim Backwerk aufstreute den Zimmt, so ergriff
ich die Büchse mit Streusand;
Wenn im Freien ich saß, hob immer den Fuß bei mir ein
pissender Mops auf.
Kurz, Alles mißlang und das Beste mißrieth, durch sichtliche
Rache der Vorsicht;
Auch muß ich dafür nun todt umgehn, vielleicht bis meines
Geschlechtes,
Das viel Unglück in der Gabel ererbt, letzt äußerster Sprosse
verschieden.
Aber mein Ursohn, weh, weh, weh mir! hat zwölf paus-
backige Kinder.
Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke
herab in den Mund mir:
Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht,
was nun mein Ehegemahl that?
Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt
Kartoffelſalat aß.
So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam
nagender Vorwurf,
Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu
betaͤuben.
Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem
erbaͤrmlichen Unfall:
Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte, vergaß ich gemeinig-
lich eine der Backen;
Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte,
fand ich das Oeh[r] nicht;
Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle
heraus mir die Bohnen;
Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff
ich die Buͤchſe mit Streuſand;
Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein
piſſender Mops auf.
Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche
Rache der Vorſicht;
Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines
Geſchlechtes,
Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe
verſchieden.
Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus-
backige Kinder.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#SCHM">
            <p><pb facs="#f0021" n="15"/>
Spann plo&#x0364;tzlich, weh! &#x017F;ich ein &#x017F;olches Gethu&#x0364;m von der Decke<lb/>
herab in den Mund mir:<lb/>
Ich &#x017F;chrie, wie am Spieß, das erra&#x0364;th&#x017F;t du, doch nicht,<lb/>
was nun mein Ehegemahl that?<lb/>
Er er&#x017F;chrak und &#x017F;tach &#x017F;ich die Gabel in Schlund, da er ju&#x017F;t<lb/>
Kartoffel&#x017F;alat aß.<lb/>
So &#x017F;tarb er und mir blieb &#x017F;tets in der Bru&#x017F;t ein grau&#x017F;am<lb/>
nagender Vorwurf,<lb/>
Obgleich nach ihm drei Ma&#x0364;nner ich noch heirathete, mich zu<lb/>
beta&#x0364;uben.<lb/>
Doch hinderlich ging's mir &#x017F;tets und betru&#x0364;bt, &#x017F;eit jenem<lb/>
erba&#x0364;rmlichen Unfall:<lb/>
Wenn ich am Putzti&#x017F;ch mich &#x017F;chminkte, <choice><sic>ve gaß</sic><corr>vergaß</corr></choice> ich gemeinig-<lb/>
lich eine der Backen;<lb/>
Wenn ich em&#x017F;ig und &#x017F;chnell Na&#x0364;hnadeln &#x017F;odann einfa&#x0364;delte,<lb/>
fand ich das Oeh<supplied reason="damage">r</supplied> nicht;<lb/>
Wenn ich mahlte Kaffee, gleich &#x017F;prangen &#x017F;ofort zur Mu&#x0364;hle<lb/>
heraus mir die Bohnen;<lb/>
Wenn ich beim Backwerk auf&#x017F;treute den Zimmt, &#x017F;o ergriff<lb/>
ich die Bu&#x0364;ch&#x017F;e mit Streu&#x017F;and;<lb/>
Wenn im Freien ich &#x017F;aß, hob immer den Fuß bei mir ein<lb/>
pi&#x017F;&#x017F;ender Mops auf.<lb/>
Kurz, Alles mißlang und das Be&#x017F;te mißrieth, durch &#x017F;ichtliche<lb/>
Rache der Vor&#x017F;icht;<lb/>
Auch muß ich dafu&#x0364;r nun todt umgehn, vielleicht bis meines<lb/>
Ge&#x017F;chlechtes,<lb/>
Das viel Unglu&#x0364;ck in der Gabel ererbt, letzt a&#x0364;ußer&#x017F;ter Spro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ver&#x017F;chieden.<lb/>
Aber mein Ur&#x017F;ohn, weh, weh, weh mir! hat zwo&#x0364;lf paus-<lb/>
backige Kinder.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0021] Spann ploͤtzlich, weh! ſich ein ſolches Gethuͤm von der Decke herab in den Mund mir: Ich ſchrie, wie am Spieß, das erraͤthſt du, doch nicht, was nun mein Ehegemahl that? Er erſchrak und ſtach ſich die Gabel in Schlund, da er juſt Kartoffelſalat aß. So ſtarb er und mir blieb ſtets in der Bruſt ein grauſam nagender Vorwurf, Obgleich nach ihm drei Maͤnner ich noch heirathete, mich zu betaͤuben. Doch hinderlich ging's mir ſtets und betruͤbt, ſeit jenem erbaͤrmlichen Unfall: Wenn ich am Putztiſch mich ſchminkte, vergaß ich gemeinig- lich eine der Backen; Wenn ich emſig und ſchnell Naͤhnadeln ſodann einfaͤdelte, fand ich das Oehr nicht; Wenn ich mahlte Kaffee, gleich ſprangen ſofort zur Muͤhle heraus mir die Bohnen; Wenn ich beim Backwerk aufſtreute den Zimmt, ſo ergriff ich die Buͤchſe mit Streuſand; Wenn im Freien ich ſaß, hob immer den Fuß bei mir ein piſſender Mops auf. Kurz, Alles mißlang und das Beſte mißrieth, durch ſichtliche Rache der Vorſicht; Auch muß ich dafuͤr nun todt umgehn, vielleicht bis meines Geſchlechtes, Das viel Ungluͤck in der Gabel ererbt, letzt aͤußerſter Sproſſe verſchieden. Aber mein Urſohn, weh, weh, weh mir! hat zwoͤlf paus- backige Kinder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/21
Zitationshilfe: Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/21>, abgerufen am 19.04.2024.