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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie.
Wassers hervorzurufen. Zuverlässigere Resultate liefert eine wesent-
liche Modification des Verfahrens, welche von W. Thomson (jetzt
Lord Kelvin) ersonnen und von ihm in Gemeinschaft mit Joule
zu sorgfältigen Messungen benutzt worden ist; sie beruht darauf,
dass man das Gas durch künstliche Verlangsamung des Aus-
flusses unmittelbar in den zweiten Gleichgewichtszustand über-
führt und dann die Temperatur th2 direkt im Gase misst. Es
strömt hierbei nicht eine begrenzte Gasmasse tumultuarisch in
ein Vakuum ein, sondern das Gas wird in einem unbegrenzten
stationären Strom verhältnissmässig langsam aus einem Raum
höheren Druckes p1 in einen Raum niedrigeren Druckes p2 (die
Atmosphäre) übergeführt, indem es durch eine Röhre von Buchs-
baumholz, welche an einer Stelle mit einem schwer durchlässigen
Pfropfen von Watte oder gezupfter Seide verstopft ist, hindurch-
gepresst wird. Was zunächst die Messungsresultate betrifft, so
ergeben sie bei stationär gewordenem Zustand für Luft eine
sehr kleine, für Wasserstoff eine noch sehr viel kleinere, kaum
messbare Temperaturänderung des Gases, weshalb man zu dem
Schluss berechtigt ist, dass für ein ideales Gas die Temperatur-
änderung ganz verschwindet.

Hieraus lässt sich nun ein Schluss auf die innere Energie
idealer Gase ziehen. Wenn nach Eintritt des stationären Zu-
standes eine gewisse Masse des Gases vollständig hindurchgepresst
ist, so hat diese Masse beim Uebergang von dem Volumen V1
auf das grössere Volumen V2 im Ganzen gewisse Einwirkungen
von Aussen erfahren, deren mechanisches Aequivalent Q + A
aus den in der Umgebung eingetretenen Aenderungen zu be-
rechnen ist. Der Pfropfen behält seinen Zustand unverändert
bei, er und die Vorgänge in ihm können also ganz ausser Be-
tracht gelassen werden. In der äusseren Umgebung findet keine
Temperaturänderung statt; denn das Holz der Röhre leitet die
Wärme so gut wie garnicht von oder nach Aussen; daher ist
Q = 0. Die Arbeit endlich, welche auf das Hindurchpressen
unter dem constanten Druck p1 verwendet worden ist, und welche,
wie leicht einzusehen, durch das Produkt p1 V1 dargestellt wird,
ist für ein ideales Gas nach dem Boyle'schen Gesetz gerade
gleich derjenigen Arbeit p2 V2, welche auf der anderen Seite
beim Zurückschieben des kleineren Druckes p2 durch das grössere
Volumen V2 bei der nämlichen Temperatur wieder gewonnen

Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie.
Wassers hervorzurufen. Zuverlässigere Resultate liefert eine wesent-
liche Modification des Verfahrens, welche von W. Thomson (jetzt
Lord Kelvin) ersonnen und von ihm in Gemeinschaft mit Joule
zu sorgfältigen Messungen benutzt worden ist; sie beruht darauf,
dass man das Gas durch künstliche Verlangsamung des Aus-
flusses unmittelbar in den zweiten Gleichgewichtszustand über-
führt und dann die Temperatur ϑ2 direkt im Gase misst. Es
strömt hierbei nicht eine begrenzte Gasmasse tumultuarisch in
ein Vakuum ein, sondern das Gas wird in einem unbegrenzten
stationären Strom verhältnissmässig langsam aus einem Raum
höheren Druckes p1 in einen Raum niedrigeren Druckes p2 (die
Atmosphäre) übergeführt, indem es durch eine Röhre von Buchs-
baumholz, welche an einer Stelle mit einem schwer durchlässigen
Pfropfen von Watte oder gezupfter Seide verstopft ist, hindurch-
gepresst wird. Was zunächst die Messungsresultate betrifft, so
ergeben sie bei stationär gewordenem Zustand für Luft eine
sehr kleine, für Wasserstoff eine noch sehr viel kleinere, kaum
messbare Temperaturänderung des Gases, weshalb man zu dem
Schluss berechtigt ist, dass für ein ideales Gas die Temperatur-
änderung ganz verschwindet.

Hieraus lässt sich nun ein Schluss auf die innere Energie
idealer Gase ziehen. Wenn nach Eintritt des stationären Zu-
standes eine gewisse Masse des Gases vollständig hindurchgepresst
ist, so hat diese Masse beim Uebergang von dem Volumen V1
auf das grössere Volumen V2 im Ganzen gewisse Einwirkungen
von Aussen erfahren, deren mechanisches Aequivalent Q + A
aus den in der Umgebung eingetretenen Aenderungen zu be-
rechnen ist. Der Pfropfen behält seinen Zustand unverändert
bei, er und die Vorgänge in ihm können also ganz ausser Be-
tracht gelassen werden. In der äusseren Umgebung findet keine
Temperaturänderung statt; denn das Holz der Röhre leitet die
Wärme so gut wie garnicht von oder nach Aussen; daher ist
Q = 0. Die Arbeit endlich, welche auf das Hindurchpressen
unter dem constanten Druck p1 verwendet worden ist, und welche,
wie leicht einzusehen, durch das Produkt p1 V1 dargestellt wird,
ist für ein ideales Gas nach dem Boyle’schen Gesetz gerade
gleich derjenigen Arbeit p2 V2, welche auf der anderen Seite
beim Zurückschieben des kleineren Druckes p2 durch das grössere
Volumen V2 bei der nämlichen Temperatur wieder gewonnen

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[44/0060] Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie. Wassers hervorzurufen. Zuverlässigere Resultate liefert eine wesent- liche Modification des Verfahrens, welche von W. Thomson (jetzt Lord Kelvin) ersonnen und von ihm in Gemeinschaft mit Joule zu sorgfältigen Messungen benutzt worden ist; sie beruht darauf, dass man das Gas durch künstliche Verlangsamung des Aus- flusses unmittelbar in den zweiten Gleichgewichtszustand über- führt und dann die Temperatur ϑ2 direkt im Gase misst. Es strömt hierbei nicht eine begrenzte Gasmasse tumultuarisch in ein Vakuum ein, sondern das Gas wird in einem unbegrenzten stationären Strom verhältnissmässig langsam aus einem Raum höheren Druckes p1 in einen Raum niedrigeren Druckes p2 (die Atmosphäre) übergeführt, indem es durch eine Röhre von Buchs- baumholz, welche an einer Stelle mit einem schwer durchlässigen Pfropfen von Watte oder gezupfter Seide verstopft ist, hindurch- gepresst wird. Was zunächst die Messungsresultate betrifft, so ergeben sie bei stationär gewordenem Zustand für Luft eine sehr kleine, für Wasserstoff eine noch sehr viel kleinere, kaum messbare Temperaturänderung des Gases, weshalb man zu dem Schluss berechtigt ist, dass für ein ideales Gas die Temperatur- änderung ganz verschwindet. Hieraus lässt sich nun ein Schluss auf die innere Energie idealer Gase ziehen. Wenn nach Eintritt des stationären Zu- standes eine gewisse Masse des Gases vollständig hindurchgepresst ist, so hat diese Masse beim Uebergang von dem Volumen V1 auf das grössere Volumen V2 im Ganzen gewisse Einwirkungen von Aussen erfahren, deren mechanisches Aequivalent Q + A aus den in der Umgebung eingetretenen Aenderungen zu be- rechnen ist. Der Pfropfen behält seinen Zustand unverändert bei, er und die Vorgänge in ihm können also ganz ausser Be- tracht gelassen werden. In der äusseren Umgebung findet keine Temperaturänderung statt; denn das Holz der Röhre leitet die Wärme so gut wie garnicht von oder nach Aussen; daher ist Q = 0. Die Arbeit endlich, welche auf das Hindurchpressen unter dem constanten Druck p1 verwendet worden ist, und welche, wie leicht einzusehen, durch das Produkt p1 V1 dargestellt wird, ist für ein ideales Gas nach dem Boyle’schen Gesetz gerade gleich derjenigen Arbeit p2 V2, welche auf der anderen Seite beim Zurückschieben des kleineren Druckes p2 durch das grössere Volumen V2 bei der nämlichen Temperatur wieder gewonnen

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/60>, abgerufen am 24.11.2024.