Aequivalente. Daher kann man auch sagen: Bei jeder che- mischen Umsetzung reagiren gleichviel Aequivalente der ver- schiedenen Stoffe aufeinander.
§ 35. Indessen leidet diese Definition an einem Mangel. Denn zwei Elemente können häufig mehr als eine einzige Ver- bindung mit einander eingehen, und dadurch wird die Grösse des Aequivalentgewichts mehrdeutig. Doch zeigt die Erfahrung, dass in einem solchen Falle die verschiedenen möglichen Ge- wichtsverhältnisse immer einfache Multipla oder Submultipla eines bestimmten Verhältnisses sind. Daher reducirt sich die Vieldeutigkeit in dem Werth des Aequivalentgewichts auf einen einfachen ganzzahligen Faktor im Zähler oder Nenner dieser Grösse, und man muss den Schlusssatz des vorigen Paragraphen, dass gleichviel Aequivalente aufeinander reagiren, dahin verall- gemeinern, dass die Aequivalente nach einfachen Zahlenverhält- nissen aufeinander reagiren. So z. B. verbinden sich 16 Ge- wichtstheile Sauerstoff mit 28 Gewichtstheilen Stickstoff zu Stickstoffoxydul, oder mit 14 Theilen zu Stickstoffoxyd, oder mit 9 1/3 Theilen zu Salpetrigsäureanhydrid, oder mit 7 Theilen zu Untersalpetersäure, oder mit 5 3/5 Theilen zu Salpetersäure- anhydrid, so dass man, wenn das Aequivalentgewicht des Sauer- stoffs zu 16 angenommen wird, dem Stickstoff jede beliebige der obigen Zahlen als Aequivalentgewicht zuschreiben kann. Dieselben stehen aber in einfachen rationalen Verhältnissen, da 28 : 14 : 9 1/3 : 7 : 5 3/5 = 60 : 30 : 20 : 15 : 12.
§ 36. Die durch die letzte Zahlenreihe illustrirte Unbe- stimmtheit in der Definition der für den Stickstoff charakte- ristischen Gewichtsgrösse wird nun dadurch beseitigt, dass man aus ihr eine bestimmte Zahl herausgreift und sie als Mole- kulargewicht des Stickstoffs bezeichnet. In der Definition des Molekulargewichts als einer ganz bestimmten, nur von dem eigenen Zustand einer Substanz abhängigen, von etwaigen che- mischen Umsetzungen mit anderen Stoffen aber unabhängigen Grösse, liegt eine der wichtigsten und fruchtbarsten Errungen- schaften, welche die theoretische Chemie aufzuweisen hat. Die- selbe lässt sich allerdings bis jetzt nur für spezielle Fälle exakt aussprechen, nämlich für ideale Gase und für verdünnte Lösungen. Da der letztere Fall sich, wie in der Folge gezeigt werden wird,
Molekulargewicht.
Aequivalente. Daher kann man auch sagen: Bei jeder che- mischen Umsetzung reagiren gleichviel Aequivalente der ver- schiedenen Stoffe aufeinander.
§ 35. Indessen leidet diese Definition an einem Mangel. Denn zwei Elemente können häufig mehr als eine einzige Ver- bindung mit einander eingehen, und dadurch wird die Grösse des Aequivalentgewichts mehrdeutig. Doch zeigt die Erfahrung, dass in einem solchen Falle die verschiedenen möglichen Ge- wichtsverhältnisse immer einfache Multipla oder Submultipla eines bestimmten Verhältnisses sind. Daher reducirt sich die Vieldeutigkeit in dem Werth des Aequivalentgewichts auf einen einfachen ganzzahligen Faktor im Zähler oder Nenner dieser Grösse, und man muss den Schlusssatz des vorigen Paragraphen, dass gleichviel Aequivalente aufeinander reagiren, dahin verall- gemeinern, dass die Aequivalente nach einfachen Zahlenverhält- nissen aufeinander reagiren. So z. B. verbinden sich 16 Ge- wichtstheile Sauerstoff mit 28 Gewichtstheilen Stickstoff zu Stickstoffoxydul, oder mit 14 Theilen zu Stickstoffoxyd, oder mit 9⅓ Theilen zu Salpetrigsäureanhydrid, oder mit 7 Theilen zu Untersalpetersäure, oder mit 5⅗ Theilen zu Salpetersäure- anhydrid, so dass man, wenn das Aequivalentgewicht des Sauer- stoffs zu 16 angenommen wird, dem Stickstoff jede beliebige der obigen Zahlen als Aequivalentgewicht zuschreiben kann. Dieselben stehen aber in einfachen rationalen Verhältnissen, da 28 : 14 : 9⅓ : 7 : 5⅗ = 60 : 30 : 20 : 15 : 12.
§ 36. Die durch die letzte Zahlenreihe illustrirte Unbe- stimmtheit in der Definition der für den Stickstoff charakte- ristischen Gewichtsgrösse wird nun dadurch beseitigt, dass man aus ihr eine bestimmte Zahl herausgreift und sie als Mole- kulargewicht des Stickstoffs bezeichnet. In der Definition des Molekulargewichts als einer ganz bestimmten, nur von dem eigenen Zustand einer Substanz abhängigen, von etwaigen che- mischen Umsetzungen mit anderen Stoffen aber unabhängigen Grösse, liegt eine der wichtigsten und fruchtbarsten Errungen- schaften, welche die theoretische Chemie aufzuweisen hat. Die- selbe lässt sich allerdings bis jetzt nur für spezielle Fälle exakt aussprechen, nämlich für ideale Gase und für verdünnte Lösungen. Da der letztere Fall sich, wie in der Folge gezeigt werden wird,
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Molekulargewicht.
Aequivalente. Daher kann man auch sagen: Bei jeder che-
mischen Umsetzung reagiren gleichviel Aequivalente der ver-
schiedenen Stoffe aufeinander.
§ 35. Indessen leidet diese Definition an einem Mangel.
Denn zwei Elemente können häufig mehr als eine einzige Ver-
bindung mit einander eingehen, und dadurch wird die Grösse
des Aequivalentgewichts mehrdeutig. Doch zeigt die Erfahrung,
dass in einem solchen Falle die verschiedenen möglichen Ge-
wichtsverhältnisse immer einfache Multipla oder Submultipla
eines bestimmten Verhältnisses sind. Daher reducirt sich die
Vieldeutigkeit in dem Werth des Aequivalentgewichts auf einen
einfachen ganzzahligen Faktor im Zähler oder Nenner dieser
Grösse, und man muss den Schlusssatz des vorigen Paragraphen,
dass gleichviel Aequivalente aufeinander reagiren, dahin verall-
gemeinern, dass die Aequivalente nach einfachen Zahlenverhält-
nissen aufeinander reagiren. So z. B. verbinden sich 16 Ge-
wichtstheile Sauerstoff mit 28 Gewichtstheilen Stickstoff zu
Stickstoffoxydul, oder mit 14 Theilen zu Stickstoffoxyd, oder
mit 9⅓ Theilen zu Salpetrigsäureanhydrid, oder mit 7 Theilen
zu Untersalpetersäure, oder mit 5⅗ Theilen zu Salpetersäure-
anhydrid, so dass man, wenn das Aequivalentgewicht des Sauer-
stoffs zu 16 angenommen wird, dem Stickstoff jede beliebige
der obigen Zahlen als Aequivalentgewicht zuschreiben kann.
Dieselben stehen aber in einfachen rationalen Verhältnissen, da
28 : 14 : 9⅓ : 7 : 5⅗ = 60 : 30 : 20 : 15 : 12.
§ 36. Die durch die letzte Zahlenreihe illustrirte Unbe-
stimmtheit in der Definition der für den Stickstoff charakte-
ristischen Gewichtsgrösse wird nun dadurch beseitigt, dass man
aus ihr eine bestimmte Zahl herausgreift und sie als Mole-
kulargewicht des Stickstoffs bezeichnet. In der Definition des
Molekulargewichts als einer ganz bestimmten, nur von dem
eigenen Zustand einer Substanz abhängigen, von etwaigen che-
mischen Umsetzungen mit anderen Stoffen aber unabhängigen
Grösse, liegt eine der wichtigsten und fruchtbarsten Errungen-
schaften, welche die theoretische Chemie aufzuweisen hat. Die-
selbe lässt sich allerdings bis jetzt nur für spezielle Fälle exakt
aussprechen, nämlich für ideale Gase und für verdünnte Lösungen.
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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/37>, abgerufen am 16.07.2024.
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