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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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Grundthatsachen und Definitionen.
einer Substanz geändert wird. Dass auch vom thermodynamischen
Standpunkt aus ein principieller Unterschied zwischen physika-
lischen und chemischen Aenderungen einer Substanz, der einen
continuirlichen Uebergang von den einen zu den andern aus-
schliesst, constatirt werden muss, ist im Lauf der neuern Ent-
wicklung der Thermodynamik immer deutlicher hervorgetreten
(vgl. § 42f. und § 238), wenn es sich auch bis jetzt als unmög-
lich gezeigt hat, ein für alle Fälle geeignetes praktisches Unter-
scheidungsmerkmal aufzustellen. Denn wie auffallend auch oft
die chemischen Aenderungen sich von den physikalischen abheben,
entweder durch die Plötzlichkeit und Heftigkeit ihres Verlaufes
oder durch irgendwelche augenfällige Discontinuitäten (Wärme-
erzeugung, Aenderungen der Farbe und anderer Eigenschaften),
so gibt es doch andererseits zahlreiche Prozesse unzweifelhaft
chemischer Natur, z. B. Dissociationsvorgänge, die sich voll-
kommen stetig und verhältnissmässig langsam abspielen. Es
wird eine der nächsten Hauptaufgaben der physikalischen Chemie
sein, diesen principiellen Unterschied immer klarer herauszu-
arbeiten.

§ 34. Die Erfahrung lehrt, dass alle chemischen Um-
setzungen nach constanten Gewichtsverhältnissen erfolgen. Da-
her kann man als charakteristischen Ausdruck für die Natur
einer chemisch homogenen Substanz, sei sie ein Element oder
eine Verbindung, eine Gewichts- (richtiger Massen-) Grösse be-
nutzen: das Aequivalentgewicht. Für irgend ein bestimmtes
Element setzt man das Aequivalentgewicht willkührlich fest,
z. B. für Wasserstoff = 1 gr, und findet dann für ein anderes
Element, z. B. Sauerstoff, das zugehörige Aequivalentgewicht als
diejenige Gewichtsmenge, welche sich mit 1 gr Wasserstoff ver-
bindet. Die Gewichtsmenge der Verbindung ist dann zugleich
auch das Aequivalentgewicht derselben. So fortschreitend ge-
langt man leicht zu Werthen des Aequivalentgewichts für alle
chemisch homogenen Stoffe, auch für solche Elemente, die sich
garnicht direkt mit Wasserstoff verbinden, da immer eine An-
zahl von Elementen aufgefunden werden kann, welche sich so-
wohl mit dem fraglichen Element als auch mit Wasserstoff ver-
binden und so den Uebergang zwischen beiden vermitteln.

Das Gesammtgewicht eines Körpers, dividirt durch sein
Aequivalentgewicht, heisst die im Körper enthaltene Zahl der

Grundthatsachen und Definitionen.
einer Substanz geändert wird. Dass auch vom thermodynamischen
Standpunkt aus ein principieller Unterschied zwischen physika-
lischen und chemischen Aenderungen einer Substanz, der einen
continuirlichen Uebergang von den einen zu den andern aus-
schliesst, constatirt werden muss, ist im Lauf der neuern Ent-
wicklung der Thermodynamik immer deutlicher hervorgetreten
(vgl. § 42f. und § 238), wenn es sich auch bis jetzt als unmög-
lich gezeigt hat, ein für alle Fälle geeignetes praktisches Unter-
scheidungsmerkmal aufzustellen. Denn wie auffallend auch oft
die chemischen Aenderungen sich von den physikalischen abheben,
entweder durch die Plötzlichkeit und Heftigkeit ihres Verlaufes
oder durch irgendwelche augenfällige Discontinuitäten (Wärme-
erzeugung, Aenderungen der Farbe und anderer Eigenschaften),
so gibt es doch andererseits zahlreiche Prozesse unzweifelhaft
chemischer Natur, z. B. Dissociationsvorgänge, die sich voll-
kommen stetig und verhältnissmässig langsam abspielen. Es
wird eine der nächsten Hauptaufgaben der physikalischen Chemie
sein, diesen principiellen Unterschied immer klarer herauszu-
arbeiten.

§ 34. Die Erfahrung lehrt, dass alle chemischen Um-
setzungen nach constanten Gewichtsverhältnissen erfolgen. Da-
her kann man als charakteristischen Ausdruck für die Natur
einer chemisch homogenen Substanz, sei sie ein Element oder
eine Verbindung, eine Gewichts- (richtiger Massen-) Grösse be-
nutzen: das Aequivalentgewicht. Für irgend ein bestimmtes
Element setzt man das Aequivalentgewicht willkührlich fest,
z. B. für Wasserstoff = 1 gr, und findet dann für ein anderes
Element, z. B. Sauerstoff, das zugehörige Aequivalentgewicht als
diejenige Gewichtsmenge, welche sich mit 1 gr Wasserstoff ver-
bindet. Die Gewichtsmenge der Verbindung ist dann zugleich
auch das Aequivalentgewicht derselben. So fortschreitend ge-
langt man leicht zu Werthen des Aequivalentgewichts für alle
chemisch homogenen Stoffe, auch für solche Elemente, die sich
garnicht direkt mit Wasserstoff verbinden, da immer eine An-
zahl von Elementen aufgefunden werden kann, welche sich so-
wohl mit dem fraglichen Element als auch mit Wasserstoff ver-
binden und so den Uebergang zwischen beiden vermitteln.

Das Gesammtgewicht eines Körpers, dividirt durch sein
Aequivalentgewicht, heisst die im Körper enthaltene Zahl der

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[20/0036] Grundthatsachen und Definitionen. einer Substanz geändert wird. Dass auch vom thermodynamischen Standpunkt aus ein principieller Unterschied zwischen physika- lischen und chemischen Aenderungen einer Substanz, der einen continuirlichen Uebergang von den einen zu den andern aus- schliesst, constatirt werden muss, ist im Lauf der neuern Ent- wicklung der Thermodynamik immer deutlicher hervorgetreten (vgl. § 42f. und § 238), wenn es sich auch bis jetzt als unmög- lich gezeigt hat, ein für alle Fälle geeignetes praktisches Unter- scheidungsmerkmal aufzustellen. Denn wie auffallend auch oft die chemischen Aenderungen sich von den physikalischen abheben, entweder durch die Plötzlichkeit und Heftigkeit ihres Verlaufes oder durch irgendwelche augenfällige Discontinuitäten (Wärme- erzeugung, Aenderungen der Farbe und anderer Eigenschaften), so gibt es doch andererseits zahlreiche Prozesse unzweifelhaft chemischer Natur, z. B. Dissociationsvorgänge, die sich voll- kommen stetig und verhältnissmässig langsam abspielen. Es wird eine der nächsten Hauptaufgaben der physikalischen Chemie sein, diesen principiellen Unterschied immer klarer herauszu- arbeiten. § 34. Die Erfahrung lehrt, dass alle chemischen Um- setzungen nach constanten Gewichtsverhältnissen erfolgen. Da- her kann man als charakteristischen Ausdruck für die Natur einer chemisch homogenen Substanz, sei sie ein Element oder eine Verbindung, eine Gewichts- (richtiger Massen-) Grösse be- nutzen: das Aequivalentgewicht. Für irgend ein bestimmtes Element setzt man das Aequivalentgewicht willkührlich fest, z. B. für Wasserstoff = 1 gr, und findet dann für ein anderes Element, z. B. Sauerstoff, das zugehörige Aequivalentgewicht als diejenige Gewichtsmenge, welche sich mit 1 gr Wasserstoff ver- bindet. Die Gewichtsmenge der Verbindung ist dann zugleich auch das Aequivalentgewicht derselben. So fortschreitend ge- langt man leicht zu Werthen des Aequivalentgewichts für alle chemisch homogenen Stoffe, auch für solche Elemente, die sich garnicht direkt mit Wasserstoff verbinden, da immer eine An- zahl von Elementen aufgefunden werden kann, welche sich so- wohl mit dem fraglichen Element als auch mit Wasserstoff ver- binden und so den Uebergang zwischen beiden vermitteln. Das Gesammtgewicht eines Körpers, dividirt durch sein Aequivalentgewicht, heisst die im Körper enthaltene Zahl der

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/36>, abgerufen am 27.04.2024.