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Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897.

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System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen.
und ausserdem Temperatur und Druck; die Anzahl der letzteren
ist b, nämlich die Gesammtmassen aller Phasen. Zusammen:
(a -- 1) b + 2 + b = a b + 2.

Nun enthalten die a (b -- 1) Gleichungen (149) nach dem
dort Gesagten nur innere Variable, also bleiben nach Befriedi-
gung dieser Gleichungen von der Gesammtzahl der inneren
Variabeln noch
[(a -- 1) b + 2] -- [a (b -- 1)] = a -- b + 2
als unbestimmt zurück. Diese Zahl kann nicht negativ sein;
denn sonst würden die inneren Variabeln des Systems nicht
ausreichen, um die Gleichungen (149) alle zu befriedigen; es
muss also sein:
b a + 2,
d. h. die Zahl der Phasen kann die Zahl der unabhängigen
Bestandtheile höchstens um 2 übertreffen, oder: ein System von
a unabhängigen Bestandtheilen kann höchstens a + 2 Phasen
bilden. Im Grenzfall: b = a + 2 reicht die Anzahl der inneren
Variabeln gerade aus, um die inneren Gleichgewichtsbedingungen
(149) zu erfüllen, ihre Werthe sind dann im Gleichgewichts-
zustand vollkommen bestimmt, ganz unabhängig von den ge-
gebenen äusseren Bedingungen. Mit jeder Phase weniger wächst
dann die Zahl der noch unbestimmten inneren Variabeln um Eins.

Dieser, zuerst von Gibbs ausgesprochene, gewöhnlich als
"Phasenregel" bezeichnete Satz hat besonders durch die Unter-
suchungen von Bakhuis Roozeboom eine weitgehende experimen-
telle Bestätigung erhalten.

§ 205. Betrachten wir zunächst den Grenzfall:
b = a + 2.
Dann sind sämmtliche innere Variable vollständig bestimmt,
sie bilden einen "(a + 2)fachen Punkt". Durch Abänderung der
äusseren Bedingungen, wie z. B. durch Wärmezufuhr, Compression,
weiteren Zusatz von Substanzmengen, werden nur die Gesammt-
massen der Phasen, nicht aber ihre innere Beschaffenheit, ein-
schliesslich Temperatur und Druck, alterirt. Dies gilt solange,
bis etwa eine der Phasen die Masse Null annimmt und somit
ganz aus dem System verschwindet.

System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen.
und ausserdem Temperatur und Druck; die Anzahl der letzteren
ist β, nämlich die Gesammtmassen aller Phasen. Zusammen:
(α — 1) β + 2 + β = α β + 2.

Nun enthalten die α (β — 1) Gleichungen (149) nach dem
dort Gesagten nur innere Variable, also bleiben nach Befriedi-
gung dieser Gleichungen von der Gesammtzahl der inneren
Variabeln noch
[(α — 1) β + 2] — [α (β — 1)] = αβ + 2
als unbestimmt zurück. Diese Zahl kann nicht negativ sein;
denn sonst würden die inneren Variabeln des Systems nicht
ausreichen, um die Gleichungen (149) alle zu befriedigen; es
muss also sein:
βα + 2,
d. h. die Zahl der Phasen kann die Zahl der unabhängigen
Bestandtheile höchstens um 2 übertreffen, oder: ein System von
α unabhängigen Bestandtheilen kann höchstens α + 2 Phasen
bilden. Im Grenzfall: β = α + 2 reicht die Anzahl der inneren
Variabeln gerade aus, um die inneren Gleichgewichtsbedingungen
(149) zu erfüllen, ihre Werthe sind dann im Gleichgewichts-
zustand vollkommen bestimmt, ganz unabhängig von den ge-
gebenen äusseren Bedingungen. Mit jeder Phase weniger wächst
dann die Zahl der noch unbestimmten inneren Variabeln um Eins.

Dieser, zuerst von Gibbs ausgesprochene, gewöhnlich als
„Phasenregel“ bezeichnete Satz hat besonders durch die Unter-
suchungen von Bakhuis Roozeboom eine weitgehende experimen-
telle Bestätigung erhalten.

§ 205. Betrachten wir zunächst den Grenzfall:
β = α + 2.
Dann sind sämmtliche innere Variable vollständig bestimmt,
sie bilden einen „(α + 2)fachen Punkt“. Durch Abänderung der
äusseren Bedingungen, wie z. B. durch Wärmezufuhr, Compression,
weiteren Zusatz von Substanzmengen, werden nur die Gesammt-
massen der Phasen, nicht aber ihre innere Beschaffenheit, ein-
schliesslich Temperatur und Druck, alterirt. Dies gilt solange,
bis etwa eine der Phasen die Masse Null annimmt und somit
ganz aus dem System verschwindet.

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[169/0185] System von beliebig vielen unabhängigen Bestandtheilen. und ausserdem Temperatur und Druck; die Anzahl der letzteren ist β, nämlich die Gesammtmassen aller Phasen. Zusammen: (α — 1) β + 2 + β = α β + 2. Nun enthalten die α (β — 1) Gleichungen (149) nach dem dort Gesagten nur innere Variable, also bleiben nach Befriedi- gung dieser Gleichungen von der Gesammtzahl der inneren Variabeln noch [(α — 1) β + 2] — [α (β — 1)] = α — β + 2 als unbestimmt zurück. Diese Zahl kann nicht negativ sein; denn sonst würden die inneren Variabeln des Systems nicht ausreichen, um die Gleichungen (149) alle zu befriedigen; es muss also sein: β ≦ α + 2, d. h. die Zahl der Phasen kann die Zahl der unabhängigen Bestandtheile höchstens um 2 übertreffen, oder: ein System von α unabhängigen Bestandtheilen kann höchstens α + 2 Phasen bilden. Im Grenzfall: β = α + 2 reicht die Anzahl der inneren Variabeln gerade aus, um die inneren Gleichgewichtsbedingungen (149) zu erfüllen, ihre Werthe sind dann im Gleichgewichts- zustand vollkommen bestimmt, ganz unabhängig von den ge- gebenen äusseren Bedingungen. Mit jeder Phase weniger wächst dann die Zahl der noch unbestimmten inneren Variabeln um Eins. Dieser, zuerst von Gibbs ausgesprochene, gewöhnlich als „Phasenregel“ bezeichnete Satz hat besonders durch die Unter- suchungen von Bakhuis Roozeboom eine weitgehende experimen- telle Bestätigung erhalten. § 205. Betrachten wir zunächst den Grenzfall: β = α + 2. Dann sind sämmtliche innere Variable vollständig bestimmt, sie bilden einen „(α + 2)fachen Punkt“. Durch Abänderung der äusseren Bedingungen, wie z. B. durch Wärmezufuhr, Compression, weiteren Zusatz von Substanzmengen, werden nur die Gesammt- massen der Phasen, nicht aber ihre innere Beschaffenheit, ein- schliesslich Temperatur und Druck, alterirt. Dies gilt solange, bis etwa eine der Phasen die Masse Null annimmt und somit ganz aus dem System verschwindet.

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Zitationshilfe: Planck, Max: Vorlesungen über Thermodynamik. Leipzig: Veit & C., 1897, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/planck_thermodynamik_1897/185>, abgerufen am 27.11.2024.