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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zeugung, daß bei ihm eben so wenig etwas zu ändern sei als bei ihr.

Zu Weihnachten überreichte der Corporal unserem Klaus ein Kistchen; ein Tiroler habe es für ihn der Wache übergeben. Er setzte sich aufs Bett und sprengte den Deckel. Da duftete ihm ein Zelten entgegen; auf der braunen Kruste von Teig, welche getrocknete Birnen, Nüsse, Weinbeeren und Cibeben einschloß, waren zwei Herzen eingedrückt. Ehe er ihn anschnitt, küßte er vor Freude diesen Brief seiner Walburg. Dann zog er das Messer, allein die Klinge stieß auf etwas Hartes, er brach den Laib auseinander, ein alter Leopoldthaler rollte auf seinen Schooß. Du lieber Gott, dachte er, schickt mir das Burgele gar vom Schatzgeld, das sie bei der Taufe oder Firmung geschenkt erhielt. -- Den Thaler wickelte er sorgfältig in Papier; eher als dafür etwas gekauft, hätte er Stroh gegessen!

Der Frühlingssturm von 1809 braus'te über das Land: welch ein Jubel, als die französischen Adler aus diesen Thälern flohen! Bald jedoch sollte der Gegenschlag folgen. Von allen Seiten rückten an die Pässe Tirols die feindlichen Schaaren, mit einem unwiderstehlichen Stoße drang der Herzog von Danzig und Wrede durch das Unterinnthal vor. Klaus diente unter

zeugung, daß bei ihm eben so wenig etwas zu ändern sei als bei ihr.

Zu Weihnachten überreichte der Corporal unserem Klaus ein Kistchen; ein Tiroler habe es für ihn der Wache übergeben. Er setzte sich aufs Bett und sprengte den Deckel. Da duftete ihm ein Zelten entgegen; auf der braunen Kruste von Teig, welche getrocknete Birnen, Nüsse, Weinbeeren und Cibeben einschloß, waren zwei Herzen eingedrückt. Ehe er ihn anschnitt, küßte er vor Freude diesen Brief seiner Walburg. Dann zog er das Messer, allein die Klinge stieß auf etwas Hartes, er brach den Laib auseinander, ein alter Leopoldthaler rollte auf seinen Schooß. Du lieber Gott, dachte er, schickt mir das Burgele gar vom Schatzgeld, das sie bei der Taufe oder Firmung geschenkt erhielt. — Den Thaler wickelte er sorgfältig in Papier; eher als dafür etwas gekauft, hätte er Stroh gegessen!

Der Frühlingssturm von 1809 braus'te über das Land: welch ein Jubel, als die französischen Adler aus diesen Thälern flohen! Bald jedoch sollte der Gegenschlag folgen. Von allen Seiten rückten an die Pässe Tirols die feindlichen Schaaren, mit einem unwiderstehlichen Stoße drang der Herzog von Danzig und Wrede durch das Unterinnthal vor. Klaus diente unter

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[0037] zeugung, daß bei ihm eben so wenig etwas zu ändern sei als bei ihr. Zu Weihnachten überreichte der Corporal unserem Klaus ein Kistchen; ein Tiroler habe es für ihn der Wache übergeben. Er setzte sich aufs Bett und sprengte den Deckel. Da duftete ihm ein Zelten entgegen; auf der braunen Kruste von Teig, welche getrocknete Birnen, Nüsse, Weinbeeren und Cibeben einschloß, waren zwei Herzen eingedrückt. Ehe er ihn anschnitt, küßte er vor Freude diesen Brief seiner Walburg. Dann zog er das Messer, allein die Klinge stieß auf etwas Hartes, er brach den Laib auseinander, ein alter Leopoldthaler rollte auf seinen Schooß. Du lieber Gott, dachte er, schickt mir das Burgele gar vom Schatzgeld, das sie bei der Taufe oder Firmung geschenkt erhielt. — Den Thaler wickelte er sorgfältig in Papier; eher als dafür etwas gekauft, hätte er Stroh gegessen! Der Frühlingssturm von 1809 braus'te über das Land: welch ein Jubel, als die französischen Adler aus diesen Thälern flohen! Bald jedoch sollte der Gegenschlag folgen. Von allen Seiten rückten an die Pässe Tirols die feindlichen Schaaren, mit einem unwiderstehlichen Stoße drang der Herzog von Danzig und Wrede durch das Unterinnthal vor. Klaus diente unter

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/37>, abgerufen am 27.04.2024.