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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich bin zu Innsbruck schon in die Casern eingeruckt, und einen blauen Kittel haben sie mir auch schon angelegt, Freud' macht es mir just keine, aber ich trag' es dir zu lieb. Die Andern weinen noch immer und sind Buben aus dem ganzen Land beieinander.

Wenn du meinst, so gieb diesen Brief deinem Vater, er soll ihn lesen, damit er sieht, daß ich kein schlechter Kerl bin und nichts heimlich hinter seinem Rücken will.

Das Geld werd' ich fest hinterlegen und ein Testament dazu, daß du es kriegst, wenn ich todt bin.

Abmarschiren thun wir morgen nach München, wo wir exerciren sollen.

Bet für mich und denk zu Weihnachten, wenn du den Zelten anschneidest, an mich; wir können es nicht miteinander thun, wie es der Brauch ist.

Also behüt' dich Gott!
Dein aufrichtig treuer Nicolaus Mayr, bairischer Soldat".

Vergelt' dir's Gott, sagte Walburg zu Anderl, jetzt weiß ich, wie ich daran bin, und ist Alles recht.

Von diesem Tage an kehrte die alte Fröhlichkeit in ihr Herz zurück, sie fand sich wieder bei Tanz und Kirchweih ein, wenn sie auch jede Bewerbung ablehnte. Er war ihr ja treu! Dies genügte ihr, hatte sich doch eine Aussicht in die Zukunft erschlossen. Dem Vater gegenüber schwieg sie, nicht aus Furcht oder weil sie etwas vererheimlichen wollte, sondern in der Ueber-

Ich bin zu Innsbruck schon in die Casern eingeruckt, und einen blauen Kittel haben sie mir auch schon angelegt, Freud' macht es mir just keine, aber ich trag' es dir zu lieb. Die Andern weinen noch immer und sind Buben aus dem ganzen Land beieinander.

Wenn du meinst, so gieb diesen Brief deinem Vater, er soll ihn lesen, damit er sieht, daß ich kein schlechter Kerl bin und nichts heimlich hinter seinem Rücken will.

Das Geld werd' ich fest hinterlegen und ein Testament dazu, daß du es kriegst, wenn ich todt bin.

Abmarschiren thun wir morgen nach München, wo wir exerciren sollen.

Bet für mich und denk zu Weihnachten, wenn du den Zelten anschneidest, an mich; wir können es nicht miteinander thun, wie es der Brauch ist.

Also behüt' dich Gott!
Dein aufrichtig treuer Nicolaus Mayr, bairischer Soldat“.

Vergelt' dir's Gott, sagte Walburg zu Anderl, jetzt weiß ich, wie ich daran bin, und ist Alles recht.

Von diesem Tage an kehrte die alte Fröhlichkeit in ihr Herz zurück, sie fand sich wieder bei Tanz und Kirchweih ein, wenn sie auch jede Bewerbung ablehnte. Er war ihr ja treu! Dies genügte ihr, hatte sich doch eine Aussicht in die Zukunft erschlossen. Dem Vater gegenüber schwieg sie, nicht aus Furcht oder weil sie etwas vererheimlichen wollte, sondern in der Ueber-

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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/36>, abgerufen am 23.04.2024.