Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Vergleichung kriechender Thiere die preiswürdige Froschmäusler-Gesellschaft mirselbst zugedacht. Jch bin damit völlig zufrie- den, und werde suchen, dessen Character künftig abzudrücken. Es hält sich meist auf Spergel- Stengeln auf, hat ein roth Schildgen mit schwar- zen Pünktgen, und wird bey uns ein Gottes- kübgen oder Goldammergen genennet. Wenn man es bey dem kleinen Sperr-Maule erwi- schet, summet es, und lispelt gleichsam, wie ein Heemgen oder kleines Heuschreckgen. Jch weiß nicht Ursach zu geben, warum man es im Deutschen ein Gotteskübgen heisset. Jndeß soll der darinn voranstehende große Name mir ein Denkzettel seyn, mit meiner wenigen Poesie bey Gelegenheit auch in der Religion fortzu- kriechen, ob ich etwa durch mein gelindes Sum- men, wenn ich angepacket würde, manche über- reden könne, entweder Anti-Miltonianer oder Froschmäusler zu werden. § 18. Jch war schon im Begriffe, diese ten
Vergleichung kriechender Thiere die preiswuͤrdige Froſchmaͤusler-Geſellſchaft mirſelbſt zugedacht. Jch bin damit voͤllig zufrie- den, und werde ſuchen, deſſen Character kuͤnftig abzudruͤcken. Es haͤlt ſich meiſt auf Spergel- Stengeln auf, hat ein roth Schildgen mit ſchwar- zen Puͤnktgen, und wird bey uns ein Gottes- kuͤbgen oder Goldammergen genennet. Wenn man es bey dem kleinen Sperr-Maule erwi- ſchet, ſummet es, und liſpelt gleichſam, wie ein Heemgen oder kleines Heuſchreckgen. Jch weiß nicht Urſach zu geben, warum man es im Deutſchen ein Gotteskuͤbgen heiſſet. Jndeß ſoll der darinn voranſtehende große Name mir ein Denkzettel ſeyn, mit meiner wenigen Poeſie bey Gelegenheit auch in der Religion fortzu- kriechen, ob ich etwa durch mein gelindes Sum- men, wenn ich angepacket wuͤrde, manche uͤber- reden koͤnne, entweder Anti-Miltonianer oder Froſchmaͤusler zu werden. § 18. Jch war ſchon im Begriffe, dieſe ten
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Vergleichung kriechender Thiere
die preiswuͤrdige Froſchmaͤusler-Geſellſchaft mir
ſelbſt zugedacht. Jch bin damit voͤllig zufrie-
den, und werde ſuchen, deſſen Character kuͤnftig
abzudruͤcken. Es haͤlt ſich meiſt auf Spergel-
Stengeln auf, hat ein roth Schildgen mit ſchwar-
zen Puͤnktgen, und wird bey uns ein Gottes-
kuͤbgen oder Goldammergen genennet. Wenn
man es bey dem kleinen Sperr-Maule erwi-
ſchet, ſummet es, und liſpelt gleichſam, wie ein
Heemgen oder kleines Heuſchreckgen. Jch
weiß nicht Urſach zu geben, warum man es im
Deutſchen ein Gotteskuͤbgen heiſſet. Jndeß
ſoll der darinn voranſtehende große Name mir
ein Denkzettel ſeyn, mit meiner wenigen Poeſie
bey Gelegenheit auch in der Religion fortzu-
kriechen, ob ich etwa durch mein gelindes Sum-
men, wenn ich angepacket wuͤrde, manche uͤber-
reden koͤnne, entweder Anti-Miltonianer oder
Froſchmaͤusler zu werden.
§ 18. Jch war ſchon im Begriffe, dieſe
Abhandlung zu ſchlieſſen. Aber ich darf dieje-
nige Art kriechender Poeten nicht zuruͤck laſſen,
die gewiß auch eine beſondere Aufmerkſamkeit
verdienen. Jch meyne die poetiſche Maulwuͤrfe.
Denn wie ein Maulwurf ſich tief in der Erde
vergraͤbet, und uͤber ſich große Berglein in die
Hoͤhe wirft: Alſo verſtecken die poetiſche Maul-
wuͤrfe ihre Gedanken ſo tief, daß niemand da-
hinter kommen kann. Von auſſen aber ſind
ſolche mit Verſchanzungen umgeben, daß man
drauf ſchwoͤre, es waͤren Erfindungen der groͤß-
ten
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Zitationshilfe: | Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/64>, abgerufen am 16.02.2025. |