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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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nach mathematischer Lehr-Art.
Erweis.

Ein kriechender Poete ist zwar in ihm selber
stolz und ein Großdünkel (§ 30, 29); gleich-
wol wenn er höhern Respect erzeigen muß, darf
er sich solches nicht merken lassen, er mögte sonst
verspottet, oder auf die Finger geklopfet werden.
Diesemnach nimmt er eine Schein-Demuth
an, und erniedriget sich öfters wie ein Würm-
lein unter den Füßen. Weil er aber doch in-
nerlich ein Verächter anderer ist (§ 2): So
kützelt er sich heimlich, daß der Patron, gegen
den er sich so erniedriget, so einfältig ist, und sei-
ne Fuchsschwänzerey nicht merket. Da nun
ein kriechender Poete die Leute entweder öffent-
lich oder heimlich verlachet, und aber dis ein
Fuchsschwänzer thut, indem er entweder offen-
bar ironisch lobet,
oder heimlich spottet: So
gehört ein fuchsschwänzender Dichter unter die
kriechende Poeten, W. Z. E.

Dritte Aufgabe.

§ 33. Einen wahrhaften aufrichtigen poe-
tischen Lob-Redner von einem verstellten
Fuchsschwänzer zu unterscheiden, mithin ab-
zunehmen, ob er zur Froschmäusler-Gesell-
schaft von Rechtswegen gehöre, oder nicht?

Auflösung.

Wenn ihr an einem aus langem Umgange
seine Gemüthsfassung abnehmen lernet, daß er
von andern höher, als von sich, hält, wahrhaf-
tig demüthig und bescheiden, auch ein Feind ei-

gener
C 2
nach mathematiſcher Lehr-Art.
Erweis.

Ein kriechender Poete iſt zwar in ihm ſelber
ſtolz und ein Großduͤnkel (§ 30, 29); gleich-
wol wenn er hoͤhern Reſpect erzeigen muß, darf
er ſich ſolches nicht merken laſſen, er moͤgte ſonſt
verſpottet, oder auf die Finger geklopfet werden.
Dieſemnach nimmt er eine Schein-Demuth
an, und erniedriget ſich oͤfters wie ein Wuͤrm-
lein unter den Fuͤßen. Weil er aber doch in-
nerlich ein Veraͤchter anderer iſt (§ 2): So
kuͤtzelt er ſich heimlich, daß der Patron, gegen
den er ſich ſo erniedriget, ſo einfaͤltig iſt, und ſei-
ne Fuchsſchwaͤnzerey nicht merket. Da nun
ein kriechender Poete die Leute entweder oͤffent-
lich oder heimlich verlachet, und aber dis ein
Fuchsſchwaͤnzer thut, indem er entweder offen-
bar ironiſch lobet,
oder heimlich ſpottet: So
gehoͤrt ein fuchsſchwaͤnzender Dichter unter die
kriechende Poeten, W. Z. E.

Dritte Aufgabe.

§ 33. Einen wahrhaften aufrichtigen poe-
tiſchen Lob-Redner von einem verſtellten
Fuchsſchwaͤnzer zu unterſcheiden, mithin ab-
zunehmen, ob er zur Froſchmaͤusler-Geſell-
ſchaft von Rechtswegen gehoͤre, oder nicht?

Aufloͤſung.

Wenn ihr an einem aus langem Umgange
ſeine Gemuͤthsfaſſung abnehmen lernet, daß er
von andern hoͤher, als von ſich, haͤlt, wahrhaf-
tig demuͤthig und beſcheiden, auch ein Feind ei-

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C 2
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[35/0043] nach mathematiſcher Lehr-Art. Erweis. Ein kriechender Poete iſt zwar in ihm ſelber ſtolz und ein Großduͤnkel (§ 30, 29); gleich- wol wenn er hoͤhern Reſpect erzeigen muß, darf er ſich ſolches nicht merken laſſen, er moͤgte ſonſt verſpottet, oder auf die Finger geklopfet werden. Dieſemnach nimmt er eine Schein-Demuth an, und erniedriget ſich oͤfters wie ein Wuͤrm- lein unter den Fuͤßen. Weil er aber doch in- nerlich ein Veraͤchter anderer iſt (§ 2): So kuͤtzelt er ſich heimlich, daß der Patron, gegen den er ſich ſo erniedriget, ſo einfaͤltig iſt, und ſei- ne Fuchsſchwaͤnzerey nicht merket. Da nun ein kriechender Poete die Leute entweder oͤffent- lich oder heimlich verlachet, und aber dis ein Fuchsſchwaͤnzer thut, indem er entweder offen- bar ironiſch lobet, oder heimlich ſpottet: So gehoͤrt ein fuchsſchwaͤnzender Dichter unter die kriechende Poeten, W. Z. E. Dritte Aufgabe. § 33. Einen wahrhaften aufrichtigen poe- tiſchen Lob-Redner von einem verſtellten Fuchsſchwaͤnzer zu unterſcheiden, mithin ab- zunehmen, ob er zur Froſchmaͤusler-Geſell- ſchaft von Rechtswegen gehoͤre, oder nicht? Aufloͤſung. Wenn ihr an einem aus langem Umgange ſeine Gemuͤthsfaſſung abnehmen lernet, daß er von andern hoͤher, als von ſich, haͤlt, wahrhaf- tig demuͤthig und beſcheiden, auch ein Feind ei- gener C 2

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/43>, abgerufen am 28.03.2024.