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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vom gesunden Witze, etc.
Nichts ist ihm so angelegen, als sich inacht zu
nehmen, damit er seinem Wohlthäter ja nichts
zum Verdruß thue. Jrrt er nun manchmal
gleich in seiner Einsicht: So ist er doch nicht
im Stande, den Wohlthäter vorsetzlich zu be-
leidigen. Auch wenn er hoch steiget, wird er
die im niedrigen Stande ihm erzeigte Gutthaten
in desto verpflichteterm Andenken behalten.
CLXV. Die Wissenschaft, allgemeine Be-
griffe
anzugeben, deren man sich in allen Thei-
len der Gelehrsamkeit bedienen könne, gehört
unter die Hülfs-Wahrheiten, mithin zu der
dritten Classe, oder den Wahrheiten vom un-
tersten Range. Sie sind nicht um ihrer selbst
willen, sondern dadurch die Begriffe in den hö-
hern Wissenschaften zu erleichtern. Also wenn
einer z. E. gleich überhaupt wüßte, was eine
Substanz, ein Zufälliges, eine Absicht, ein
Mittel, oder dergleichen, bedeute: So wüßte
er doch aus solchen Hülfs-Wörtern nicht, was
nun z. E. der finis der Theologie, Jurisprudenz,
Medicin etc. sey; sondern er müßte solches aus
solchen Disciplinen selbst erlernen. Jndeß aber,
weil alle practische Wissenschaften ihre fines oder
Absichten haben, ist es gut, wenn man über-
haupt einen Begriff bekömmt, was durch fines
verstanden werde.
CLXVI. So ist demnach die ganze Meta-
physic
eine Hülfs-Disciplin, um mit denen
darinn erlernten Grund-Begriffen in andern
Haupt-Wissenschaften desto besser fortzukom-
men.
Q
vom geſunden Witze, ꝛc.
Nichts iſt ihm ſo angelegen, als ſich inacht zu
nehmen, damit er ſeinem Wohlthaͤter ja nichts
zum Verdruß thue. Jrrt er nun manchmal
gleich in ſeiner Einſicht: So iſt er doch nicht
im Stande, den Wohlthaͤter vorſetzlich zu be-
leidigen. Auch wenn er hoch ſteiget, wird er
die im niedrigen Stande ihm erzeigte Gutthaten
in deſto verpflichteterm Andenken behalten.
CLXV. Die Wiſſenſchaft, allgemeine Be-
griffe
anzugeben, deren man ſich in allen Thei-
len der Gelehrſamkeit bedienen koͤnne, gehoͤrt
unter die Huͤlfs-Wahrheiten, mithin zu der
dritten Claſſe, oder den Wahrheiten vom un-
terſten Range. Sie ſind nicht um ihrer ſelbſt
willen, ſondern dadurch die Begriffe in den hoͤ-
hern Wiſſenſchaften zu erleichtern. Alſo wenn
einer z. E. gleich uͤberhaupt wuͤßte, was eine
Subſtanz, ein Zufaͤlliges, eine Abſicht, ein
Mittel, oder dergleichen, bedeute: So wuͤßte
er doch aus ſolchen Huͤlfs-Woͤrtern nicht, was
nun z. E. der finis der Theologie, Jurisprudenz,
Medicin ꝛc. ſey; ſondern er muͤßte ſolches aus
ſolchen Disciplinen ſelbſt erlernen. Jndeß aber,
weil alle practiſche Wiſſenſchaften ihre fines oder
Abſichten haben, iſt es gut, wenn man uͤber-
haupt einen Begriff bekoͤmmt, was durch fines
verſtanden werde.
CLXVI. So iſt demnach die ganze Meta-
phyſic
eine Huͤlfs-Disciplin, um mit denen
darinn erlernten Grund-Begriffen in andern
Haupt-Wiſſenſchaften deſto beſſer fortzukom-
men.
Q
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[241/0249] vom geſunden Witze, ꝛc. Nichts iſt ihm ſo angelegen, als ſich inacht zu nehmen, damit er ſeinem Wohlthaͤter ja nichts zum Verdruß thue. Jrrt er nun manchmal gleich in ſeiner Einſicht: So iſt er doch nicht im Stande, den Wohlthaͤter vorſetzlich zu be- leidigen. Auch wenn er hoch ſteiget, wird er die im niedrigen Stande ihm erzeigte Gutthaten in deſto verpflichteterm Andenken behalten. CLXV. Die Wiſſenſchaft, allgemeine Be- griffe anzugeben, deren man ſich in allen Thei- len der Gelehrſamkeit bedienen koͤnne, gehoͤrt unter die Huͤlfs-Wahrheiten, mithin zu der dritten Claſſe, oder den Wahrheiten vom un- terſten Range. Sie ſind nicht um ihrer ſelbſt willen, ſondern dadurch die Begriffe in den hoͤ- hern Wiſſenſchaften zu erleichtern. Alſo wenn einer z. E. gleich uͤberhaupt wuͤßte, was eine Subſtanz, ein Zufaͤlliges, eine Abſicht, ein Mittel, oder dergleichen, bedeute: So wuͤßte er doch aus ſolchen Huͤlfs-Woͤrtern nicht, was nun z. E. der finis der Theologie, Jurisprudenz, Medicin ꝛc. ſey; ſondern er muͤßte ſolches aus ſolchen Disciplinen ſelbſt erlernen. Jndeß aber, weil alle practiſche Wiſſenſchaften ihre fines oder Abſichten haben, iſt es gut, wenn man uͤber- haupt einen Begriff bekoͤmmt, was durch fines verſtanden werde. CLXVI. So iſt demnach die ganze Meta- phyſic eine Huͤlfs-Disciplin, um mit denen darinn erlernten Grund-Begriffen in andern Haupt-Wiſſenſchaften deſto beſſer fortzukom- men. Q

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/249>, abgerufen am 28.04.2024.