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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vom gesunden Witze, etc.
nicht genau beobachtet, der verfällt in einen üb-
len Geschmack.
L. Also mag z. E. der Mathematicus seine
Sätze durch Erklärungen, Grundsätze, Lehrsätze,
Aufgaben und dergleichen, durchführen. Wer
aber sich dieses Vortrages bedienen wollte, wenn
er eine Sache vor Gerichte vorzutragen hätte, von
dem würde man sagen, daß er einen lächerli-
chen
und ungereimten Geschmack besäße.
LI. Wer also der Schreib-Art nicht mächtig
ist, darinn jede Wissenschaft am füglichsten vor-
getragen wird, der wage sich nicht an deren Be-
schreibung; sonst wird man seinen unrichtigen
Geschmack
bald abmerken, z. E. wenn er in
Rechts-Sachen nicht den stylum curiae ver-
stehet.
LII. Alle Wissenschaften, die aus untrügli-
chen Anfangs-Gründen (principiis) durch eine
unumstößliche Folge können hergeleitet werden,
erfordern einen gesunden Geschmack von der
analytischen und synthetischen Methode.
LIII. Daher kann man die Haupt-Gründe
der Gottes-Gelehrsamkeit, Rechts-Wissenschaft,
Arzeney-Kunst und Welt-Weisheit nach ma-
thematischer Lehr-Art
vortragen; und wenn
es gleich neu wäre, ist es doch nicht gegen den
bon sens, oder guten Geschmack.
LIV. Die Ausführung einer Wissenschaft
durch die vier caussas, als efficientem, forma-
lem, materialem
und finalem, ist so sehr trok-
ken und gezwungen, daher ausser dem heutigen
Gusto der gelehrten und galanten Welt.
LV.
vom geſunden Witze, ꝛc.
nicht genau beobachtet, der verfaͤllt in einen uͤb-
len Geſchmack.
L. Alſo mag z. E. der Mathematicus ſeine
Saͤtze durch Erklaͤrungen, Grundſaͤtze, Lehrſaͤtze,
Aufgaben und dergleichen, durchfuͤhren. Wer
aber ſich dieſes Vortrages bedienen wollte, wenn
er eine Sache vor Gerichte vorzutragen haͤtte, von
dem wuͤrde man ſagen, daß er einen laͤcherli-
chen
und ungereimten Geſchmack beſaͤße.
LI. Wer alſo der Schreib-Art nicht maͤchtig
iſt, darinn jede Wiſſenſchaft am fuͤglichſten vor-
getragen wird, der wage ſich nicht an deren Be-
ſchreibung; ſonſt wird man ſeinen unrichtigen
Geſchmack
bald abmerken, z. E. wenn er in
Rechts-Sachen nicht den ſtylum curiae ver-
ſtehet.
LII. Alle Wiſſenſchaften, die aus untruͤgli-
chen Anfangs-Gruͤnden (principiis) durch eine
unumſtoͤßliche Folge koͤnnen hergeleitet werden,
erfordern einen geſunden Geſchmack von der
analytiſchen und ſynthetiſchen Methode.
LIII. Daher kann man die Haupt-Gruͤnde
der Gottes-Gelehrſamkeit, Rechts-Wiſſenſchaft,
Arzeney-Kunſt und Welt-Weisheit nach ma-
thematiſcher Lehr-Art
vortragen; und wenn
es gleich neu waͤre, iſt es doch nicht gegen den
bon ſens, oder guten Geſchmack.
LIV. Die Ausfuͤhrung einer Wiſſenſchaft
durch die vier cauſſas, als efficientem, forma-
lem, materialem
und finalem, iſt ſo ſehr trok-
ken und gezwungen, daher auſſer dem heutigen
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[199/0207] vom geſunden Witze, ꝛc. nicht genau beobachtet, der verfaͤllt in einen uͤb- len Geſchmack. L. Alſo mag z. E. der Mathematicus ſeine Saͤtze durch Erklaͤrungen, Grundſaͤtze, Lehrſaͤtze, Aufgaben und dergleichen, durchfuͤhren. Wer aber ſich dieſes Vortrages bedienen wollte, wenn er eine Sache vor Gerichte vorzutragen haͤtte, von dem wuͤrde man ſagen, daß er einen laͤcherli- chen und ungereimten Geſchmack beſaͤße. LI. Wer alſo der Schreib-Art nicht maͤchtig iſt, darinn jede Wiſſenſchaft am fuͤglichſten vor- getragen wird, der wage ſich nicht an deren Be- ſchreibung; ſonſt wird man ſeinen unrichtigen Geſchmack bald abmerken, z. E. wenn er in Rechts-Sachen nicht den ſtylum curiae ver- ſtehet. LII. Alle Wiſſenſchaften, die aus untruͤgli- chen Anfangs-Gruͤnden (principiis) durch eine unumſtoͤßliche Folge koͤnnen hergeleitet werden, erfordern einen geſunden Geſchmack von der analytiſchen und ſynthetiſchen Methode. LIII. Daher kann man die Haupt-Gruͤnde der Gottes-Gelehrſamkeit, Rechts-Wiſſenſchaft, Arzeney-Kunſt und Welt-Weisheit nach ma- thematiſcher Lehr-Art vortragen; und wenn es gleich neu waͤre, iſt es doch nicht gegen den bon ſens, oder guten Geſchmack. LIV. Die Ausfuͤhrung einer Wiſſenſchaft durch die vier cauſſas, als efficientem, forma- lem, materialem und finalem, iſt ſo ſehr trok- ken und gezwungen, daher auſſer dem heutigen Guſto der gelehrten und galanten Welt. LV.

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/207>, abgerufen am 28.04.2024.