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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Antritts-Rede
gelegt, und man dessen Spur nirgends siehet.
O Jammer! o Elend! daß so große Männer,
als Hans Sachse und der Froschmäuseler, in
solche Vergessenheit gekommen! O ekele Welt!
daß, durch die neuerlichen abentheuerliche Na-
men: Opiz, Lohenstein, Simon Dach, Flem-
ming, Amaranthes, Menantes, Hofmans-
waldau, Besser, Canitz;
ja wenns noch bey
diesen geblieben wäre! durch noch viel neuere
Namen
ihre Ohren so verwöhnt worden, daß
sie, leider! von ihrem Ahnherrn in der deutschen
Dichtkunst, dem unsterblichen Hans Sachsen
und Froschmäuseler, nichts mehr hören mögen.
Mögte man hier nicht ausrufen, und sagen: O
tempora, o mores!

Nicht nur ganze Orden, als die fruchtbrin-
gende Gesellschaft,
der Pregnitzer-Orden, der
Palmbaum-Orden, sondern auch ganze Ge-
sellschaften
sind entstanden, die sich bald Red-
ner-Gesellschaften,
bald geheime, bald deut-
sche,
bald critische, und warum nicht gar na-
sutische
und dolhoruckische, genennet haben.
Aber das ist vollends bejammernswürdig, daß
sonderlich folgende Namen unserm erkiesten Ober-
haupte in der Reimschmiede-Kunst und kriechen-
den Poesie den letzten Druck gegeben; dagegen
aber die uns fatale natürliche, männliche und
erhabene Poesie in Schwang gebracht haben.
Halten sie mich, meine Herren, daß ich nicht
einen Schwindel im Haupte bekomme, und rei-
chen sie mir schleunig den distillirten Frosch-

mäusler-

Antritts-Rede
gelegt, und man deſſen Spur nirgends ſiehet.
O Jammer! o Elend! daß ſo große Maͤnner,
als Hans Sachſe und der Froſchmaͤuſeler, in
ſolche Vergeſſenheit gekommen! O ekele Welt!
daß, durch die neuerlichen abentheuerliche Na-
men: Opiz, Lohenſtein, Simon Dach, Flem-
ming, Amaranthes, Menantes, Hofmans-
waldau, Beſſer, Canitz;
ja wenns noch bey
dieſen geblieben waͤre! durch noch viel neuere
Namen
ihre Ohren ſo verwoͤhnt worden, daß
ſie, leider! von ihrem Ahnherrn in der deutſchen
Dichtkunſt, dem unſterblichen Hans Sachſen
und Froſchmaͤuſeler, nichts mehr hoͤren moͤgen.
Moͤgte man hier nicht ausrufen, und ſagen: O
tempora, o mores!

Nicht nur ganze Orden, als die fruchtbrin-
gende Geſellſchaft,
der Pregnitzer-Orden, der
Palmbaum-Orden, ſondern auch ganze Ge-
ſellſchaften
ſind entſtanden, die ſich bald Red-
ner-Geſellſchaften,
bald geheime, bald deut-
ſche,
bald critiſche, und warum nicht gar na-
ſutiſche
und dolhoruckiſche, genennet haben.
Aber das iſt vollends bejammernswuͤrdig, daß
ſonderlich folgende Namen unſerm erkieſten Ober-
haupte in der Reimſchmiede-Kunſt und kriechen-
den Poeſie den letzten Druck gegeben; dagegen
aber die uns fatale natuͤrliche, maͤnnliche und
erhabene Poeſie in Schwang gebracht haben.
Halten ſie mich, meine Herren, daß ich nicht
einen Schwindel im Haupte bekomme, und rei-
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maͤusler-
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[12/0020] Antritts-Rede gelegt, und man deſſen Spur nirgends ſiehet. O Jammer! o Elend! daß ſo große Maͤnner, als Hans Sachſe und der Froſchmaͤuſeler, in ſolche Vergeſſenheit gekommen! O ekele Welt! daß, durch die neuerlichen abentheuerliche Na- men: Opiz, Lohenſtein, Simon Dach, Flem- ming, Amaranthes, Menantes, Hofmans- waldau, Beſſer, Canitz; ja wenns noch bey dieſen geblieben waͤre! durch noch viel neuere Namen ihre Ohren ſo verwoͤhnt worden, daß ſie, leider! von ihrem Ahnherrn in der deutſchen Dichtkunſt, dem unſterblichen Hans Sachſen und Froſchmaͤuſeler, nichts mehr hoͤren moͤgen. Moͤgte man hier nicht ausrufen, und ſagen: O tempora, o mores! Nicht nur ganze Orden, als die fruchtbrin- gende Geſellſchaft, der Pregnitzer-Orden, der Palmbaum-Orden, ſondern auch ganze Ge- ſellſchaften ſind entſtanden, die ſich bald Red- ner-Geſellſchaften, bald geheime, bald deut- ſche, bald critiſche, und warum nicht gar na- ſutiſche und dolhoruckiſche, genennet haben. Aber das iſt vollends bejammernswuͤrdig, daß ſonderlich folgende Namen unſerm erkieſten Ober- haupte in der Reimſchmiede-Kunſt und kriechen- den Poeſie den letzten Druck gegeben; dagegen aber die uns fatale natuͤrliche, maͤnnliche und erhabene Poeſie in Schwang gebracht haben. Halten ſie mich, meine Herren, daß ich nicht einen Schwindel im Haupte bekomme, und rei- chen ſie mir ſchleunig den diſtillirten Froſch- maͤusler-

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/20>, abgerufen am 20.04.2024.