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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Poetische Meisterstücke.
Daß die Zung zwar ein kleines Ding,
Daran doch's Menschen Wohlfahrt hieng.
Mancher hat erobert Thurm und Mauren,
Muß letzt um seine Zunge trauren.
Drum Schwatzen und Plaudern bringt Elend;
Schweigen hat niemals einen geschändt.
Sonderlich das lieb und schöne Geschlecht
Weiß ihre Zung zu brauchen nicht recht:
Plappern, plerren, waschen und reden,
Wenn sie mit Schweigen besser thäten.
Doch giebt es auch gar viele Männer,
Die von ihrer Zung nicht seyn Herr,
Machen viel Wort, und sagen nicht viel,
Die taug'n nicht ein'n Birnen-Stiel.
Als ich nun so erlöset war
Von dieser augenscheinlich Gefahr,
Zu verlieren auf eines mein Gehör,
Wenn die Fahrt hätt gedauret mehr:
So gieng ich heim in meine Stube,
Da kam zu mir mein Knecht und Bube,
Sprach: Es stünd dort an meiner Thür
Ein Mann, der käm ihm ehrlich für,
Säh ehrbar aus, wär schwarz bekleidt,
Hätt eine Krause lang und breit,
Mit Seif und Laugen weiß gewaschen,
Und einen Brief in seiner Taschen.
Jch ließ ihn bald zu mir rein kommen,
Damit sein Antrag werd vernommen.
Bin nicht, wie viel hochmüthig Leut,
Die thun, als hätten's nicht der Zeit,
Thun als was rechts, verstecken sich,
Mit ihn'n zu sprechen ist schwerlich;
Machen sich gar groß und viel zu schaffen,
Und sind der Vornehmen ihre Affen;
Wollen, als wie die großen Herrn,
Mit jedermann nicht sprechen gern;
Meynen, es sey verkleinerlich,
Wenn sie so viel erniedern sich;
Blasen
Poetiſche Meiſterſtuͤcke.
Daß die Zung zwar ein kleines Ding,
Daran doch’s Menſchen Wohlfahrt hieng.
Mancher hat erobert Thurm und Mauren,
Muß letzt um ſeine Zunge trauren.
Drum Schwatzen und Plaudern bringt Elend;
Schweigen hat niemals einen geſchaͤndt.
Sonderlich das lieb und ſchoͤne Geſchlecht
Weiß ihre Zung zu brauchen nicht recht:
Plappern, plerren, waſchen und reden,
Wenn ſie mit Schweigen beſſer thaͤten.
Doch giebt es auch gar viele Maͤnner,
Die von ihrer Zung nicht ſeyn Herr,
Machen viel Wort, und ſagen nicht viel,
Die taug’n nicht ein’n Birnen-Stiel.
Als ich nun ſo erloͤſet war
Von dieſer augenſcheinlich Gefahr,
Zu verlieren auf eines mein Gehoͤr,
Wenn die Fahrt haͤtt gedauret mehr:
So gieng ich heim in meine Stube,
Da kam zu mir mein Knecht und Bube,
Sprach: Es ſtuͤnd dort an meiner Thuͤr
Ein Mann, der kaͤm ihm ehrlich fuͤr,
Saͤh ehrbar aus, waͤr ſchwarz bekleidt,
Haͤtt eine Krauſe lang und breit,
Mit Seif und Laugen weiß gewaſchen,
Und einen Brief in ſeiner Taſchen.
Jch ließ ihn bald zu mir rein kommen,
Damit ſein Antrag werd vernommen.
Bin nicht, wie viel hochmuͤthig Leut,
Die thun, als haͤtten’s nicht der Zeit,
Thun als was rechts, verſtecken ſich,
Mit ihn’n zu ſprechen iſt ſchwerlich;
Machen ſich gar groß und viel zu ſchaffen,
Und ſind der Vornehmen ihre Affen;
Wollen, als wie die großen Herrn,
Mit jedermann nicht ſprechen gern;
Meynen, es ſey verkleinerlich,
Wenn ſie ſo viel erniedern ſich;
Blaſen
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[170/0178] Poetiſche Meiſterſtuͤcke. Daß die Zung zwar ein kleines Ding, Daran doch’s Menſchen Wohlfahrt hieng. Mancher hat erobert Thurm und Mauren, Muß letzt um ſeine Zunge trauren. Drum Schwatzen und Plaudern bringt Elend; Schweigen hat niemals einen geſchaͤndt. Sonderlich das lieb und ſchoͤne Geſchlecht Weiß ihre Zung zu brauchen nicht recht: Plappern, plerren, waſchen und reden, Wenn ſie mit Schweigen beſſer thaͤten. Doch giebt es auch gar viele Maͤnner, Die von ihrer Zung nicht ſeyn Herr, Machen viel Wort, und ſagen nicht viel, Die taug’n nicht ein’n Birnen-Stiel. Als ich nun ſo erloͤſet war Von dieſer augenſcheinlich Gefahr, Zu verlieren auf eines mein Gehoͤr, Wenn die Fahrt haͤtt gedauret mehr: So gieng ich heim in meine Stube, Da kam zu mir mein Knecht und Bube, Sprach: Es ſtuͤnd dort an meiner Thuͤr Ein Mann, der kaͤm ihm ehrlich fuͤr, Saͤh ehrbar aus, waͤr ſchwarz bekleidt, Haͤtt eine Krauſe lang und breit, Mit Seif und Laugen weiß gewaſchen, Und einen Brief in ſeiner Taſchen. Jch ließ ihn bald zu mir rein kommen, Damit ſein Antrag werd vernommen. Bin nicht, wie viel hochmuͤthig Leut, Die thun, als haͤtten’s nicht der Zeit, Thun als was rechts, verſtecken ſich, Mit ihn’n zu ſprechen iſt ſchwerlich; Machen ſich gar groß und viel zu ſchaffen, Und ſind der Vornehmen ihre Affen; Wollen, als wie die großen Herrn, Mit jedermann nicht ſprechen gern; Meynen, es ſey verkleinerlich, Wenn ſie ſo viel erniedern ſich; Blaſen

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/178>, abgerufen am 24.11.2024.