Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

vor der erhabenen Dichterey.
ein poetischer Goliath oder Riese gegen uns
auftrete, und einen von uns heraus fordere; da
ich denn vielleicht Herz genug habe, auf etliche
Schleuder-Steine, weil ich ihm sonst nicht an
den Kopf würde kommen können, es mit ihm
anzunehmen. So wird auch wol nach mir ein
anderer kommen, der größer ist, als ich, und
dessen Schuh-Riemen ich aufzulösen nicht wür-
dig bin. Denn unsere Froschmäusler-Gesell-
schaft gehet stark darauf um, etliche wichtige
Deserteurs
von der Gegen-Partie aufzufan-
gen, oder auch einige poetische Helden, als
Hn. Pr. G .. und Hn. D. Kn .. möglich-
sten Fleisses zu persuadiren, in unsere Gesellschaft
überzutreten. Daher will ich zwar nicht victo-
riam ante triumphum
singen; aber doch auch
nicht, vor Anfang der Schlacht, die Fahnen
weggeben,
als ob ich mich besorgte, daß mir
solche mögten genommen werden.

§ 7. Doch da ich hin und her gesonnen, ob
denn gar kein Mittel sey, mit denen erhabenen
Poeten, wo nicht in ein gutes Vernehmen und
völliges Verständniß zu kommen, doch wenig-
stens einen Waffen-Stillstand zu treffen, und
dadurch zu verhüten, daß sie nicht etwa, da un-
sere Schlacht-Ordnung noch nicht recht regulirt
ist, uns überfallen, und unter die Füße bringen:
So sind mir drey Mittel eingefallen, damit
wir als ehrliche Bürger neben einander wohnen,
und unsere Sache ohne Schwerdtstreich aus-
führen, mithin jeder in seinem Gebiete ruhig und

sicher

vor der erhabenen Dichterey.
ein poetiſcher Goliath oder Rieſe gegen uns
auftrete, und einen von uns heraus fordere; da
ich denn vielleicht Herz genug habe, auf etliche
Schleuder-Steine, weil ich ihm ſonſt nicht an
den Kopf wuͤrde kommen koͤnnen, es mit ihm
anzunehmen. So wird auch wol nach mir ein
anderer kommen, der groͤßer iſt, als ich, und
deſſen Schuh-Riemen ich aufzuloͤſen nicht wuͤr-
dig bin. Denn unſere Froſchmaͤusler-Geſell-
ſchaft gehet ſtark darauf um, etliche wichtige
Deſerteurs
von der Gegen-Partie aufzufan-
gen, oder auch einige poetiſche Helden, als
Hn. Pr. G .. und Hn. D. Kn .. moͤglich-
ſten Fleiſſes zu perſuadiren, in unſere Geſellſchaft
uͤberzutreten. Daher will ich zwar nicht victo-
riam ante triumphum
ſingen; aber doch auch
nicht, vor Anfang der Schlacht, die Fahnen
weggeben,
als ob ich mich beſorgte, daß mir
ſolche moͤgten genommen werden.

§ 7. Doch da ich hin und her geſonnen, ob
denn gar kein Mittel ſey, mit denen erhabenen
Poeten, wo nicht in ein gutes Vernehmen und
voͤlliges Verſtaͤndniß zu kommen, doch wenig-
ſtens einen Waffen-Stillſtand zu treffen, und
dadurch zu verhuͤten, daß ſie nicht etwa, da un-
ſere Schlacht-Ordnung noch nicht recht regulirt
iſt, uns uͤberfallen, und unter die Fuͤße bringen:
So ſind mir drey Mittel eingefallen, damit
wir als ehrliche Buͤrger neben einander wohnen,
und unſere Sache ohne Schwerdtſtreich aus-
fuͤhren, mithin jeder in ſeinem Gebiete ruhig und

ſicher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0135" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">vor der erhabenen Dichterey.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ein poeti&#x017F;cher Goliath</hi> oder Rie&#x017F;e gegen uns<lb/>
auftrete, und einen von uns heraus fordere; da<lb/>
ich denn vielleicht Herz genug habe, auf etliche<lb/><hi rendition="#fr">Schleuder-Steine,</hi> weil ich ihm &#x017F;on&#x017F;t nicht an<lb/>
den Kopf wu&#x0364;rde kommen ko&#x0364;nnen, es mit ihm<lb/>
anzunehmen. So wird auch wol nach mir ein<lb/><hi rendition="#fr">anderer</hi> kommen, der <hi rendition="#fr">gro&#x0364;ßer</hi> i&#x017F;t, als ich, und<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Schuh-Riemen ich aufzulo&#x0364;&#x017F;en nicht wu&#x0364;r-<lb/>
dig bin. Denn un&#x017F;ere Fro&#x017F;chma&#x0364;usler-Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft gehet &#x017F;tark darauf um, etliche <hi rendition="#fr">wichtige<lb/>
De&#x017F;erteurs</hi> von der Gegen-Partie aufzufan-<lb/>
gen, oder auch einige <hi rendition="#fr">poeti&#x017F;che Helden,</hi> als<lb/>
Hn. Pr. G .. und Hn. D. Kn .. mo&#x0364;glich-<lb/>
&#x017F;ten Flei&#x017F;&#x017F;es zu per&#x017F;uadiren, in un&#x017F;ere Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
u&#x0364;berzutreten. Daher will ich zwar nicht <hi rendition="#aq">victo-<lb/>
riam ante triumphum</hi> &#x017F;ingen; aber doch auch<lb/>
nicht, vor Anfang der Schlacht, die <hi rendition="#fr">Fahnen<lb/>
weggeben,</hi> als ob ich mich be&#x017F;orgte, daß mir<lb/>
&#x017F;olche mo&#x0364;gten genommen werden.</p><lb/>
        <p>§ 7. Doch da ich hin und her ge&#x017F;onnen, ob<lb/>
denn gar kein Mittel &#x017F;ey, mit denen erhabenen<lb/>
Poeten, wo nicht in ein gutes Vernehmen und<lb/>
vo&#x0364;lliges Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß zu kommen, doch wenig-<lb/>
&#x017F;tens einen <hi rendition="#fr">Waffen-Still&#x017F;tand</hi> zu treffen, und<lb/>
dadurch zu verhu&#x0364;ten, daß &#x017F;ie nicht etwa, da un-<lb/>
&#x017F;ere Schlacht-Ordnung noch nicht recht regulirt<lb/>
i&#x017F;t, uns u&#x0364;berfallen, und unter die Fu&#x0364;ße bringen:<lb/>
So &#x017F;ind mir <hi rendition="#fr">drey Mittel</hi> eingefallen, damit<lb/>
wir als ehrliche Bu&#x0364;rger neben einander wohnen,<lb/>
und un&#x017F;ere Sache <hi rendition="#fr">ohne Schwerdt&#x017F;treich</hi> aus-<lb/>
fu&#x0364;hren, mithin jeder in &#x017F;einem Gebiete ruhig und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;icher</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0135] vor der erhabenen Dichterey. ein poetiſcher Goliath oder Rieſe gegen uns auftrete, und einen von uns heraus fordere; da ich denn vielleicht Herz genug habe, auf etliche Schleuder-Steine, weil ich ihm ſonſt nicht an den Kopf wuͤrde kommen koͤnnen, es mit ihm anzunehmen. So wird auch wol nach mir ein anderer kommen, der groͤßer iſt, als ich, und deſſen Schuh-Riemen ich aufzuloͤſen nicht wuͤr- dig bin. Denn unſere Froſchmaͤusler-Geſell- ſchaft gehet ſtark darauf um, etliche wichtige Deſerteurs von der Gegen-Partie aufzufan- gen, oder auch einige poetiſche Helden, als Hn. Pr. G .. und Hn. D. Kn .. moͤglich- ſten Fleiſſes zu perſuadiren, in unſere Geſellſchaft uͤberzutreten. Daher will ich zwar nicht victo- riam ante triumphum ſingen; aber doch auch nicht, vor Anfang der Schlacht, die Fahnen weggeben, als ob ich mich beſorgte, daß mir ſolche moͤgten genommen werden. § 7. Doch da ich hin und her geſonnen, ob denn gar kein Mittel ſey, mit denen erhabenen Poeten, wo nicht in ein gutes Vernehmen und voͤlliges Verſtaͤndniß zu kommen, doch wenig- ſtens einen Waffen-Stillſtand zu treffen, und dadurch zu verhuͤten, daß ſie nicht etwa, da un- ſere Schlacht-Ordnung noch nicht recht regulirt iſt, uns uͤberfallen, und unter die Fuͤße bringen: So ſind mir drey Mittel eingefallen, damit wir als ehrliche Buͤrger neben einander wohnen, und unſere Sache ohne Schwerdtſtreich aus- fuͤhren, mithin jeder in ſeinem Gebiete ruhig und ſicher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/135
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/135>, abgerufen am 24.11.2024.